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In Deutschland könnte der Fahrermangel jährlich um rund 20.000 Fahrer zunehmen

Laut einem aktuellen Bericht der International Road Transport Union (IRU) werden im Jahr 2028 weltweit bis zu 7 Millionen Fahrer fehlen. Allein in Europa könnte eine von sechs Fahrerstellen unbesetzt bleiben.

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Nach Angaben der IRU fehlen in den 36 für den Bericht analysierten Ländern (Nord- und Südamerika, Asien und Europa) derzeit bis zu 3 Millionen Fahrer. Das bedeutet, dass etwa 7 Prozent der Fahrerstellen unbesetzt sind. In den meisten Ländern gaben mehr als 50 Prozent der Frachtführer an, dass sie große Probleme bei der Einstellung von LKW-Fahrern haben (bis zu 62 Prozent allein in Europa).

Klingt schrecklich? Dabei ist es nur ein Vorbote der wirklichen Probleme.

Betrachtet man die demografische Entwicklung unseres Berufsstandes, so gehen wir davon aus, dass sich der Mangel innerhalb von fünf Jahren verdoppeln könnte, sagte Umberto de Pretto, Generalsekretär der IRU.

Zeit der Apokalypse

Mancherorts wird der Fahrermangel ein fast apokalyptisches Ausmaß annehmen. In China wird jede fünfte Stelle unbesetzt bleiben, was einen Mangel von rund 4,9 Millionen Fahrern bedeutet. In Europa werden etwa 745 000 Stellen unbesetzt bleiben, was 17 Prozent der Stellen ausmacht. Es sei daran erinnert, dass selbst während der Pandemie in Europa noch von einem Mangel von rund 450 000 LKW-Fahrern die Rede war.

Selbst in der Türkei, die eine günstigere demografische Struktur als Europa aufweist, ist der Mangel an  LKW-Fahrern ein Problem. Im Jahr 2028 werden dort rund 200.000 LKW-Fahrer fehlen, was bedeutet, dass bis zu 28 Prozent der Arbeitsplätze unbesetzt bleiben.

Im Jahr 2023 wurde weltweit ein Anstieg des Fahrermangels festgestellt. In Russland waren 14 Prozent der Stellen unbesetzt, in China 12 Prozent, in Usbekistan und der Türkei 15 bzw. 16 Prozent.Paradoxerweise war das Problem in diesem Jahr in Europa und den Vereinigten Staaten nicht so gravierend (7 Prozent bzw. 9 Prozent der unbesetzten Stellen). Dies ist jedoch nur eine vorübergehende Tendenz. Die Inflation und die restriktive Geldpolitik haben den Konsum und die Investitionen und damit auch die Nachfrage nach Transportdienstleistungen effektiv gedämpft. Und das bedeutet eine geringere Nachfrage nach LKW-Fahrern, da Frachtführer aktuell in der Lage sind, die laufenden Aufträge mit ihren derzeitigen Mitarbeitern zu erfüllen.

Ein Beruf für Rentner?

Besorgniserregend ist die Altersstruktur der LKW-Fahrer, die eine kommende Katastrophe bedeutet.
Nur 12 Prozent der Fahrer in den untersuchten Ländern sind unter 25 Jahre alt. Im Falle Europas sind es lediglich 5 Prozent (!). Noch schlimmer ist die Situation in Russland – dort fallen nur 4 Prozent der Fahrer unter die jüngste Alterskategorie. Die Vereinigten Staaten schneiden etwas besser ab (8 Prozent). Von den untersuchten Ländern schneiden China (17 Prozent) und Usbekistan (25 Prozent) am besten ab.

Der Mangel an jungen Menschen ist eine Sache, aber ein ebenso großes Problem ist der hohe Anteil an Fahrern im Vorrentenalter. Jeder dritte LKW-Fahrer in Europa ist 55 Jahre oder älter. In Russland sind es 31 Prozent der Fahrer, in den USA 29 Prozent. Am besten schneiden in dieser Hinsicht Mexiko und China ab, wo sich nur 13 bzw. 14 Prozent der LKW-Fahrer dem Rentenalter nähern.

Auch von einer Geschlechterparität im Transportsektor kann kaum die Rede sein. Nur 6 Prozent der LKW-Fahrer sind dem schönen Geschlecht zuzuordnen. Den höchsten Frauenanteil gibt es mit 8 Prozent in den USA.

Verzweifelte Vorschläge

Nach Ansicht von Umberto del Pretto, Generalsekretär der IRU, sind die Folgen des Fahrermangels bereits jetzt offensichtlich, insbesondere für die Lieferketten, die Wirtschaft der Länder und die lokalen Gemeinschaften.

Wir dürfen nicht zulassen, dass sich der Fahrermangel verschlimmert. Die Unternehmer tun ihr Bestes, aber die Regierungen und Behörden sollten ihre Anstrengungen verstärken, um die Arbeitsbedingungen und den Zugang zum Beruf zu verbessern, so del Pretto.

Zu den von der IRU vorgeschlagenen Maßnahmen, um den Bestand an Fahrern zu erhöhen, gehören die Senkung des Alters für die Beantragung eines LKW-Führerscheins und die Subventionierung von Fahrerkursen.In den meisten Ländern kann man den LKW-Führerschein bereits mit 21 Jahren erwerben, in einigen Ländern sogar erst mit 26 Jahren (!).

Auch sind die Kurse recht teuer. In Frankreich kostet der Erwerb eines LKW-Führerscheins durchschnittlich 5.250 Euro – das Dreifache des monatlichen Mindestlohns.

Darüber hinaus fordert die IRU einen leichteren Marktzugang (vor allem in Europa, wo die Altersstruktur der Fahrer am schlechtesten ist) für Fahrer aus Ländern, die einen Überschuss an LKW-Fahrern haben.
Wie die bereits erwähnte Altersstruktur zeigt, ist der Anteil der jungen Fahrer in den meisten Ländern (selbst in denen mit einer relativ günstigen demografische Lage) recht gering, was darauf hindeutet, dass der Beruf für die meisten jungen Menschen nicht die erste Wahl ist.

In Deutschland könnte der Fahrermangel jährlich um rund 20.000 Fahrer zunehmen

Der Mangel an qualifiziertem Fachpersonal bereitet auch der Logistik-und Transportbranche in Deutschland Kopfzerbrechen. Eine Anfang 2023 veröffentlichte Konsortialstudie zur „Begegnung von Kapazitätsengpässen in der Logistik mit Schwerpunkt Fahrpersonal“ unter der Leitung der Professoren Wolfgang Stölzle von der Logistics Advisory Experts (Spin-off der Universität St. Gallen), Thorsten Schmidt von der Technischen Universität Dresden und Christian Kille vom Institut für Angewandte Logistik der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) hat anhand eines eigens für die Studie entwickelten Modells den Mangel an Fahrpersonal auf Basis aktueller Statistiken quantifiziert und berechnet, dass aktuell mehr als 70.000 LKW-Fahrer fehlen und dass der Fahrermangel jährlich um rund 20.000 Fahrer zunehmen wird. Wie die Experten betonen, ist dieser Mangel damit relativ gesehen größer als in der Pflege oder der Erziehung. Darüber hinaus hat die Studie ergeben, dass durch den Fahrermangel im Jahr 2022 zusätzliche Kosten für die deutsche Wirtschaft in Höhe von ca. 10 Milliarden Euro entstanden sind.

Langsam, aber sicher machen sich auf dem Arbeitsmarkt auch die Folgen des demographischen Wandels bemerkbar. In den nächsten zehn Jahren werden in Deutschland voraussichtlich 7,3 Millionen Menschen in Rente gehen. Wenn bei gleichbleibender Nachfrage nach Fachkräften weniger junge Menschen in den Arbeitsmarkt eintreten, droht eine deutliche Verschärfung der Fachkräfteengpässe. Das belegt eine repräsentative Studie des KOFA vom letzten Jahr

Stark geprägt von einer möglichen Verschärfung des Fachkräftemangels könnte auch die Logistikbranche sein. Der Anteil der Älteren liegt hier bei 32,4 Prozent. Sollten diese Personen in den kommenden zehn Jahren in den Ruhestand gehen, könnte das den Arbeitsmarkt kräftig beeinträchtigen.

Zeichnen sich Lichtblicke ab?  Nicht unbedingt…

Jüngst ist das neue Einwanderungsrecht in Kraft getreten. Das Gesetz knüpft an das Kanada-Punktesystem an und soll qualifizierten Fachkräften aus dem Ausland erleichtern eine Erwerbstätigkeit in Deutschland auszuüben oder eine Ausbildung hierzulande zu absolvieren.

Was ändert sich damit für Beruftskraftfahrer aus dem Ausland? Hier wurden vor allem die Einreisebestimmungen vereinfacht. Künftig werden ausländische Kraftfahrer das Vorhandensein einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis sowie der Grundqualifikation gegenüber der Bundesagentur für Arbeit bei der Einreise nicht nachweisen müssen. Die Verifizierung obliegt jetzt dem Arbeitgeber.

Anerkannt werden aber weiterhin Fahrerlaubnisse aus EU- und EWR-Mitgliedstaaten. Fahrerlaubnisse aus Drittstaaten werden anhand der Anlage 11 der Fahrerlaubnisverordnung bewertet.  Fahrerlaubnisse aus Staaten, die in dieser Anlage nicht aufgelistet sind, müssen meistens neu erworben werden.

Zusammenarbeit: Natalia Jakubowska

 

 

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