Die Transportbranche stellt sich auf gravierende Verzögerungen ein.
Wir erwarten, dass die geplanten polnischen Grenzkontrollen zu einer noch massiveren Staubildung und erheblichen Beeinträchtigungen für Speditionen führen werden“, erklärte Sven Weickert, Geschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Allein an den Übergängen nach Brandenburg überqueren täglich bis zu 14.000 Berufspendler und eine Vielzahl an Gütertransporten die Grenze.
Betroffen seien laut Weickert nicht nur lokale Betriebe, sondern auch weiter entfernte Unternehmen, deren Produktionsketten auf pünktliche Zulieferungen angewiesen sind. Auch Handelsunternehmen müssten mit deutlichen Umsatzeinbußen rechnen.
Branche fordert „Green Lanes“ für LKW
Besondere Aufmerksamkeit gilt dem LKW-Verkehr.
Die Versorgung von Bevölkerung und Wirtschaft muss auch mit Grenzkontrollen sichergestellt sein“, betont Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) gegenüber der dpa.
Der Verband fordert deshalb gesonderte Fahrspuren für LKW – sogenannte „Green Lanes“ – sollte Polen über Stichprobenkontrollen hinausgehen.
Engelhardt verweist auf die Mautstatistik 2024: Fast 9,75 Millionen LKW-Fahrten wurden an den deutsch-polnischen Grenzübergängen gezählt. Auch wenn der Anteil deutscher Transportunternehmen am Polen-Verkehr gering sei, arbeiteten viele deutsche Firmen mit polnischen Niederlassungen oder setzten auf polnisches Personal.
IHK: „Lieferketten in Gefahr
Die Industrie- und Handelskammern in Brandenburg warnen vor strukturellen Folgen für den Standort. Der Warenverkehr mit Polen ist für viele Unternehmen elementar – 2024 lag das bilaterale Handelsvolumen allein in Brandenburg bei 8,6 Milliarden Euro.
„Die Verzögerungen treffen nicht nur Transportzeiten, sondern gefährden die gesamte Zuverlässigkeit der Lieferbeziehungen“, heißt es aus IHK-Kreisen.
Zudem könnten Unternehmen in der Grenzregion Schwierigkeiten haben, dringend benötigte Fachkräfte zu halten, wenn der tägliche Arbeitsweg zur Belastungsprobe wird.
Tesla, Automobilindustrie und Just-in-Time-Lieferungen unter Druck
Auch Großbetriebe schlagen Alarm. Der Werksleiter der Tesla-Fabrik in Grünheide, André Thierig, sagte gegenüber der „Märkischen Oderzeitung“, dass viele der rund 11.000 Beschäftigten aus Polen kämen – für sie seien die neuen Kontrollen eine erhebliche zusätzliche Belastung.
In der Automobilzulieferung, wo Komponenten häufig grenzüberschreitend im Takt produziert und geliefert werden, könnten selbst kurze Verzögerungen teure Konsequenzen nach sich ziehen – inklusive Vertragsstrafen bei Lieferverzug.
Ungewisse Dauer, hohe politische Temperatur
Offiziell sind die polnischen Kontrollen bis zum 5. August befristet. Ob es dabei bleibt, ist unklar. Die Regierung in Warschau verweist – wie zuvor Berlin – auf die Eindämmung irregulärer Migration. Kritiker sehen innenpolitischen Druck durch die nationalkonservative Opposition als entscheidenden Faktor für den Richtungswechsel.
Lange Wartezeiten, Planungsunsicherheit und gestörter Warenverkehr schaden am Ende allen Beteiligten“, sagte Sachsens Wirtschaftsminister Dirk Panter (SPD).
Fokus der Grenzkontrollen nicht auf dem LKW-Verkehr
Die polnische Grenzschutzbehörde plant vor allem gezielte und selektive Kontrollen, bei denen nicht eindeutig ersichtlich sei, wer sich an Bord befinde – mit Schwerpunkt auf PKW und Kleintransportern. Der Schwerlastverkehr soll nach jetzigem Stand nur punktuell betroffen sein.
Natürlich können auch LKW kontrolliert werden, aber unsere Maßnahmen richten sich in erster Linie an PKW und Kleintransporter“, erklärte General Robert Bagan, Kommandant der polnischen Grenzschutzbehörde am 3. Juli bei einer Pressekonferenz in Warschau.
Laut dem Verband der Internationalen Straßentransportunternehmen in Polen (ZMPD) hat eine Intervention beim polnischen Innenministerium konkrete Ergebnisse gebracht. In einem Statement teilte der Verband mit, dass man sich mit Nachdruck dafür eingesetzt habe, unnötige Verzögerungen im Güterverkehr zu vermeiden. Die Regierung habe zugesichert, dass der Fokus der Grenzkontrollen nicht auf dem LKW-Verkehr liege.
52 Kontrollstellen an Deutsch-Polnischer Grenze
Bagan kündigte an, dass an der Grenze zu Deutschland 52 Kontrollstellen eingerichtet wurden, davon 16 mit dauerhafter Präsenz. An der Grenze zu Litauen seien es 13 Kontrollstellen, von denen zwei dauerhaft besetzt sein sollen.
Deutschland optimiert A12 – Drittspur zur Vermeidung von Staus
Das Bundesinnenministerium kündigte Maßnahmen an, um den Verkehrsfluss gerade auf der stark frequentierten A12 zwischen Frankfurt (Oder) und Świecko aufrechtzuerhalten. Ministerpräsident Dietmar Woidke (Brandenburg) forderte ausdrücklich die Möglichkeit einer dritten Spur zur Abfertigung. Die Bundespolizei betonte, man setze alles daran, um den LKW- und PKW-Verkehr so flüssig wie möglich zu halten.
ADAC: Aktuelle Lage unauffällig, leichte Verzögerungen nur punktuell
Laut ADAC-Verkehrslagedaten bleibt das Gesamtaufkommen an der Grenze zum jetzigen Zeitpunkt moderat. Auf der A4 zwischen Ludwigsdorf und Görlitz sind minimale Verzögerungen von etwa 2 Minuten zu erwarten. Auf der B95 bei Oberwiesenthal–Bärenstein kann es zu etwa 15 Minuten Mehrfahrt kommen.
Mitarbeit: Agnieszka Kulikowska-Wielgus