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Grenzkontrollen: “Verluste in Milliardenhöhe” bewerten Experten die Auswirkungen auf die Wirtschaft

Die temporären Kontrollen, die Deutschland an allen Landesgrenzen eingeführt hat, werden nicht nur die Transportkosten erhöhen, sondern auch die Wirtschaft Deutschlands und seiner Nachbarländer deutlich schwächen, so die Studie des Kreditversicherers Allianz Trade.

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Nach der Analyse von Allianz Trade ziehen die temporären Grenzkontrollen eine Kettenreaktion nach sich – die zu höheren Warenpreisen und wirtschaftlichen Verlusten führt.

Der Handel könnte bis zu 1,1 Mrd. Euro pro Jahr verlieren. In der Folge könnten sich Rezessionsrisiken weiter verstärken und möglicherweise zu wirtschaftlichen Einbußen beim Bruttoinlandsprodukt von bis zu rund 11,5 Mrd. Euro führen“, sagte Dr. Jasmin Gröschl, Senior Volkswirtin bei Allianz Trade.

Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Analyse des weltweit führenden Kreditversicherers Allianz Trade. Durch die erwarteten Wartezeiten und Staus dürften sie zu erheblichen Verzögerungen im innereuropäischen Verkehr führen, zu teureren Waren, gestörten Lieferketten und letztlich zu Einbußen für die deutschen Unternehmen und die Wirtschaft.

Die zusätzlichen Wartezeiten an den Grenzen dürfte die Transport- und Warenkosten für Importe um rund 1,7 Prozent erhöhen und damit sowohl das Handelsvolumen insgesamt als auch die Wettbewerbsfähigkeit verringern, die bei deutschen Herstellern aktuell bereits auf einem niedrigen Niveau liegt“, so Gröschl weiter.

Reisezeit auf Transitrouten verlängert sich erheblich

Ökonomen der Allianz Trade haben geschätzt, dass die temporären Grenzkontrollen die Grenzübergangszeiten um durchschnittlich 20 Minuten verlängern können. Unter normalen Umständen dauert ein Grenzübertritt innerhalb des Schengen-Raums durchschnittlich rund 3 Minuten.

Angesichts der Rolle Deutschlands als wichtiges Transitland in Europa könnten diese Entwicklungen zu erheblichen Verzögerungen und höheren Kosten für Unternehmen führen, die im internationalen Handel innerhalb Europas tätig sind.

Die Zunahme der Wartezeiten, insbesondere an stark frequentierten Grenzübergängen wie beispielsweise der deutsch-niederländischen Grenze, an der täglich etwa 1.000 Lastwagen verkehren, könnte die rechtzeitige Lieferung von Waren erheblich beeinträchtigen.

Durch die Verzögerungen an den Grenzen rechnen wir nicht nur mit steigenden Kosten, sondern auch mit Lieferkettenstörungen sowie mit einem Rückgang der Importe nach Deutschland um möglicherweise rund 8 Prozent“, sagte Gröschl.

Da etwa zwei Drittel der deutschen Importe über die Landgrenzen erfolgen, bedeutet dies einen jährlichen Rückgang von insgesamt bis zu 1,1 Milliarden Euro.

Mit Wegfall dieser Importe können teilweise weniger Endprodukte hergestellt werden oder die Unternehmen müssen mehr und teure Lagerhaltung betreiben, weil die Just-in-Time-Produktion der Industrie eingeschränkt ist.“

Lebensmittelbranche droht Importverlust von 62 Millionen Euro

Der Analyse zufolge dürfte die Lebensmittelbranche mit einem Anstieg der Handelskosten von 2,6 Prozent und einem Importverlust von 62 Mio. Euro konfrontiert sein, die Handelsdienstleistungen mit +2,4 Prozent (Importverluste: -55 Mio. Euro) und die Transportdienstleistungen mit +1,8 Prozent (Importverluste: -51 Mio. Euro).

Beim Maschinenbau sowie in der Chemie- und Pharmaindustrie ist der prozentuale Kostenanstieg mit +1,2 Prozent und +2,3 Prozent zwar etwas geringer, aber durch die hohen Handelsvolumina ergibt sich hier ein erheblicher Rückgang der Importe um 147 Mio. Euro bzw. 142,1 Mio. Euro prognostiziert, was die Bedeutung für die deutsche Wirtschaft unterstreicht.

Weitere Reaktionen aus Polen und Griechenland

Der polnische Premierminister Donald Tusk kritisierte die Entscheidung Deutschlands, Kontrollen an allen Grenzen einzuführen. Er fügte hinzu, dass eine solche Maßnahme unserer Nachbarn eine „de facto Aussetzung des Schengener Abkommens in großem Umfang“ sei.

Der Verband der Transportunternehmer „Transport i Logistyka Polska“ kritisierte die temporären Kontrollen ebenfalls und richtete ein entsprechendes Schreiben an die Europäische Kommission. In dem Schreiben weist die Organisation darauf hin, dass die einseitige Entscheidung der deutschen Behörden, Kontrollen an allen Landgrenzübergängen einzuführen, in erster Linie die Grundpfeiler der Europäischen Union untergräbt, nämlich den Binnenmarkt und den freien Personen- und Warenverkehr.

Auch der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis äußerte sich kritisch gegenüber Deutschland.

Es ist unangemessen, ad hoc Ausnahmen von Schengen und Grenzkontrollen zu beschließen, die letztlich den grundlegenden Bemühungen der EU schaden und die Freizügigkeit der Bürger einschränken. – sagte Mitsotakis bei einem Treffen mit seinem österreichischen Amtskollegen Karl Nehammer in Wien.

Kritik kommt auch aus Brüssel. Laut dem ehemaligen Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean-Claude Junker, der mit dem Deutchlandfunk sprach, könnte Deutschland „eine Dosis europäischen gesunden Menschenverstands gebrauchen“.

Auch wenn grundsätzlich von einer Notsituation ausgegangen wird, sind Grenzkontrollen nur für einen begrenzten Zeitraum zulässig. In der Regel gilt auch hier eine Frist von sechs Monaten, die im Falle einer andauernden Situation um sechs Monate, maximal jedoch um zwei Jahre verlängert werden kann. Nach dem neuen Schengener Grenzkodex kann diese Höchstfrist überschritten werden, wenn die „Notsituation“ auch „schwerwiegend“ ist. Es ist fraglich, ob diese Vorgaben für Österreich oder künftig auch an den anderen deutschen Landesgrenzen gelten“, so Junker.

Er betonte auch, dass eine Einigung zwischen allen EU-Innenministern notwendig sei. Zudem sieht der ehemalige EU-Kommissionschef die Gefahr, dass die Kontrollen zum Dauerzustand werden, was eine ernsthafte Bedrohung für den Schengen-Raum darstellt.

Mitarbeit: Agnieszka Kulikowska-Wielgus

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