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Foto: MANSIO

Gründerinterview: Die Kosten für Transportunternehmen steigen zunehmend, sodass kaum noch Gewinne erzielt werden können

Das in Aachen ansässige Start-up Mansio bietet eine Softwarelösung für speditionsübergreifende Begegnungsverkehre an. Im September dieses Jahres wurde das junge Unternehmen für sein Transportsystem mit dem Digital Logistics Award ausgezeichnet. In unserem Interview spricht Dr. Maik Schürmeyer über die aktuelle Marktsituation von Transportunternehmen und die Rolle von IT-Lösungen bei der Transformation der Branche.

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Natalia Jakubowska, Trans.iNFO: Was genau macht Ihr Start-up?

Dr. Maik Schürmeyer, CEO und Founder von MANSIO: MANSIO ermöglicht durch eine einzigartige IT-Lösung speditionsübergreifende Begegnungsverkehre. Dabei wird der LKW-Trailer an einem Parkplatz entlang der Route von einem LKW an einen anderen übergeben. Die Fahrer fahren nach diesem Trailertausch mit der eigenen Zugmaschine, aber einem anderen Trailer wieder zurück in die Heimatregion.
Im MANSIO Transportsystem entfallen Leerfahrten zur Beschaffung von Rückladungen ebenso wie die Parkplatzsuche. Zugmaschinen können in einer zweiten Schicht sehr kosteneffizient eingesetzt werden und zusätzliche Umsätze generieren. Perspektivisch ermöglicht unsere Logik von Trailerübergaben auch, dass batterieelektrische LKW mit kurzen Reichweiten auf Teilstrecken eingesetzt werden können.

Was für ein Problem wird durch Ihr Produkt gelöst? Welche Nachfrage wird damit gedeckt?

Die Kosten für Transportunternehmen steigen zunehmend, sodass kaum noch Gewinne erzielt werden können. Transporte mit dem MANSIO Transportsystem sind wirtschaftlicher als konventionelle Tramp-Transporte, weil Fahrzeuge in zwei Schichten eingesetzt werden können und Leerfahrten vermieden werden.
Außerdem werden die Fahrzeuge im MANSIO Transportsystem nicht geparkt, sondern übergeben. Dadurch verkürzen sich die Transportzeiten und die lästige Suche nach Parkplätzen entfällt.
LKW-Fahrer sind mit unserem System bei Schichtende wieder am Heimatstandort. Wir verbessern damit die Arbeitsbedingungen für LKW-Fahrer und leisten so einen aktiven Beitrag zum Fahrermangel.

Was ist Ihre Zielgruppe?

Zielgruppe von MANSIO sind insbesondere mittelständische Speditionen mit eigenem Fuhrpark. Zum aktuellen Zeitpunkt konzentrieren wir uns auf die DACH-Region, werden unser Geschäft aber mittelfristig in ganz Europa ausrollen. Neben einzelnen Speditionen sind auch Speditionsnetzwerke sowie perspektivisch auch Anbieter von Speditionssoftware (TMS) potenzielle Kunden.

Inwiefern entspricht das Produkt den aktuellen Markttrends?

Seit einigen Jahren befindet sich die Transportbranche in einer Konsolidierung: kleine und mittelständische Transportunternehmen werden zunehmend von größeren übernommen. Um im Wettbewerb mit Großflottenbetreibern wettbewerbsfähig zu bleiben, bedarf es einer cleveren Zusammenarbeit zwischen mittelständischen Transportunternehmen. Dies kann über Speditionsnetzwerke, oder aber auch über digitale Vernetzung erfolgen. MANSIO befähigt mittelständische Transportunternehmen dazu, hocheffiziente Begegnungsverkehre in einem virtuellen Speditionsnetzwerk durchzuführen und somit von denselben wirtschaftlichen Vorteilen zu profitieren wie Großflottenbetreiber.


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Wann und wie sind Sie auf Ihre Gründungsidee gekommen?

Seit vielen Jahren befasse ich mich in Theorie und Praxis mit Methoden zur Effizienzsteigerung in Produktion und Logistik. Dabei geht es um Prozessoptimierung und den richtigen Einsatz von IT. Vor diesem Hintergrund war für mich der Anblick von parkenden LKW lange Zeit ein Dorn im Auge. Ich habe mir die Frage gestellt, warum ein voll beladener LKW stundenlang stillstehen muss, nur weil der LKW-Fahrer eine Ruhezeit einlegen muss. Warum kann nicht auch die Transportbranche in einem Schichtbetrieb arbeiten und dadurch ähnlich effizient werden die die Produktionsbranche?
Im Gespräch mit erfahrenen Unternehmern kam ich dann auf den Begegnungsverkehr und die Idee, diesen über eine IT-Lösung auch für mittelständische Transportunternehmen zu öffnen.

Welche Art von Wissen hatten Sie in diesem Bereich während der Gründung Ihres Startups? Und wie haben Sie Ihr Produkt überprüft?

Über meine Ausbildung als Maschinenbauingenieur und Kaufmann sowie jahrelange Erfahrung in der Unternehmensberatung konnte ich auf ein fundiertes Methodenwissen zurückgreifen. Das Wissen zum Aufbau und zur Führung eines Unternehmens habe ich mir „on the fly“ und mit Unterstützung durch verschiedene Incubationsprogramme angeeignet.
Die Machbarkeit der Gründungsidee habe ich in einer monatelangen Studie mit Unterstützung des Bundeswirtschaftsministers detailliert analysiert. Dies beinhaltete unter anderem Expertengespräche mit diversen Stakeholdern: vom LKW-Fahrer bis zum Fachanwalt für Transportrecht. Erst nachdem die Machbarkeit der Geschäftsidee aus technischer, vertrieblicher und rechtlicher Sicht geprüft war, habe ich das Team aufgebaut und den operativen Betrieb aufgenommen.

Woher kam das Kapital für Ihr Unternehmen?

MANSIO ist über Eigenkapital, Venture Capital, öffentliche Förderung und Umsatz finanziert.

Was hätten Sie rückblickend in der Startphase anders gemacht?

Das MANSIO Transportsystem ist eine komplett neue Art, den europäischen Fernverkehr zu denken. Es gibt kein vergleichbares System am Markt. Entsprechend müssen Markt und Produkt von der Pike auf entwickelt werden. Dieser Prozess läuft nicht immer geradlinig entlang eines statischen Businessplans.
Wichtig für so ein iteratives Vorgehen ist daher ein cleveres und verlässliches Team, das flexibel auf veränderliche Rahmenbedingungen reagieren kann, ohne die gemeinsame Vision aus dem Auge zu verlieren. Rückblickend hätten wir sicherlich einzelne Aktivitäten anders priorisieren können. Bei den wesentlichen Entscheidungen, insbesondere beim Aufbau des Teams und bei der Gestaltung wichtiger Partnerschaften, haben wir bislang aber alles richtig gemacht.

Welche Tipps können Sie anderen Gründerinnen und Gründern geben?

Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Das Produkt ist nicht für Euch, sondern für Eure Kunden.

Was würden Sie beruflich machen, wenn Sie kein Start-up hätten?

Ich würde eines gründen.

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