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Interview: Bio-LNG und E-Fuels sind kein effektiver Weg zum emissionsfreien Verkehr

Auf der Messe transport logistic in München haben wir uns mit Andre Kranke, Head of Corporate Research & Development bei Dachser, getroffen,  um über das Projekt der emissionsfreien Lieferungen zu sprechen, das in einem Dutzend europäischer Städte umgesetzt wird. Das Gespräch drehte sich jedoch schnell um die Entwicklungsperspektiven des emissionsfreien Transports - der Elektro-LKW und deren Infrastruktur sowie der Wasserstofffahrzeuge.

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Michał Pakulniewicz, Trans.iNFO: Dachser führt gerade einen emissionsfreien Zustelldienst (Dachser Emissions Free Delivery) in verschiedenen europäischen Städten ein. Das Konzept wird derzeit in 12 Städten umgesetzt und Sie haben erwähnt, dass Sie weitere Expansionspläne haben. In welchen weiteren europäischen Städten können wir emissionsfreie Zustelldienste unter dem Dachser-Logo erwarten?

Andre Kranke, Head of Corporate Research & Development bei Dachser: Ja, derzeit bieten wir einen solchen emissionsfreien Service in 12 europäischen Städten an und wollen in den nächsten zwei Jahren auf weitere 10 Städte expandieren. Welche Städte das sein werden, steht noch nicht fest, aber wir haben urbane Zentren und Ballungsräume mit mehr als 1 Million Einwohnern im Visier.

Ziehen Sie auch Städte in Mittel- und Osteuropa in Betracht? Zum Beispiel in Polen?

Wir werden Städte aus unserem europäischen Netz auswählen, das alle Länder der Europäischen Union sowie Norwegen und die Schweiz umfasst. Wir haben diese Städte noch nicht ausgewählt, aber wir werden dies in den kommenden Monaten sicherlich tun.
Eines der Leitthemen in der Transportwelt ist der Übergang zu kohlenstoffarmen Antrieben, wobei die Elektrifizierung derzeit der Vorreiter ist. Wie sieht dieser Prozess bei Dachser aus?
Wir haben diesen Prozess bereits 2016 in Städten mit städtischem Verteilerverkehr begonnen. Damals gab es noch keine Elektrofahrzeuge auf dem Markt, sondern nur Prototypen. Wir haben mit einer Reihe von Akteuren auf dem Automobilmarkt zusammengearbeitet, von denen Daimler hervorzuheben ist. 2018 haben wir in Stuttgart den ersten emissionsfreien Elektro-LKW-Lieferservice gestartet. Wie ich bereits erwähnt habe, bieten wir diese Art von Service seit Anfang 2023 bereits in 12 Städten in Europa an. Der Grund, warum es so lange gedauert hat, bis wir in diese 12 Städte vorgedrungen sind, ist, dass es einfach keine LKW zwischen 7,5 und 18 Tonnen mit Elektroantrieb und Standardausrüstung auf dem Markt gab. Jetzt sind sie verfügbar, und trotz einiger Verzögerungen bei der Auslieferung können wir sie bestellen und einsetzen.

Gehören diese Fahrzeuge zu Ihrem eigenen Fuhrpark oder zum Fuhrpark Ihrer Subunternehmer?

Wir haben einen sehr kleinen eigenen Fuhrpark, wir arbeiten hauptsächlich mit Partnern zusammen. Was jedoch die elektrischen Lieferfahrzeuge betrifft, so gehörte uns zu Beginn des Programms der Großteil davon. Heute helfen wir jedoch unseren Subunternehmern, diese Art von Fahrzeugen zu kaufen oder zu leasen. Wir haben sogar ein spezielles Förderprogramm, um den Übergang zum elektrischen Transport zu unterstützen.

Wann will Dachser denn komplett emissionsfrei sein? Ich nehme an, das ist Ihr Ziel.

Man muss es unter dem Gesichtspunkt der Emissionsziele Scope 1, 2 und 3 betrachten. Scope 1 und 2 sind der unternehmenseigene Kohlenstoff-Fußabdruck, also Emissionen aus unserem Fuhrpark, unseren Aufliegern und Gebäuden. Scope 3 sind die Emissionen im Zusammenhang mit den Produkten und Dienstleistungen, die wir auf dem Markt kaufen. Letztere machen bis zu 95 Prozent unserer Gesamtemissionen aus.
Was Scope 1 und 2 betrifft, so ist es unser Ziel, bis 2040 weltweit ein emissionsfreies Unternehmen zu werden. Ich glaube, dass wir dieses Ziel in Europa früher erreichen werden, da es ein globales Ziel ist. Was Scope 3 betrifft, so wird dies natürlich viel schwieriger sein. Schließlich können wir unseren Partnern, zum Beispiel den Reedereien, nicht vorschreiben, wie sie ihre Arbeit ausführen sollen.
Unser Gesamtziel ist es, im Jahr 2050 vollständig emissionsfrei zu sein. In einigen Regionen, vor allem in Europa, können wir dieses Ziel vielleicht schon früher erreichen, aber es ist schwer zu sagen, wann wir es in allen Märkten erreichen können.

Ich vermute, dass es im Rahmen des Straßenverkehrs in Europa viel einfacher und schneller sein wird, emissionsfrei zu werden, oder?

Ja, genau das ist unser Hauptziel. Dabei handelt es sich um unsere eigenen Scope-1- und Scope-2-Emissionen. Der nächste Schritt wird sein, die Emissionen unserer Partner und Subunternehmer zu berücksichtigen. Wir arbeiten derzeit mit einem Beratungsunternehmen zusammen, um einen klaren, glaubwürdigen Plan für alle Emissionskategorien, einschließlich des LKW-Verkehrs in Europa, zu erstellen. In Europa hat jedoch jedes Land seinen eigenen Rechtsrahmen dafür, wie es seine Emissionsziele erreichen will. Wir sind dabei, einen detaillierten Plan auszuarbeiten, der darlegt, wie die Netto-Null-Emissionen in verschiedenen Regionen und Marktsegmenten erreicht werden können.

Die Elektrifizierung des Verkehrs ist nicht nur eine Frage der Fahrzeuge. Die Infrastruktur zum Aufladen der Fahrzeuge ist ebenso wichtig. Und die geringe Dichte von Ladestationen ist eines der größten Hindernisse für die Elektrifizierung des Transports. Haben Sie vor, eine eigene Infrastruktur aufzubauen oder andere beim Aufbau eines solchen Netzes zu unterstützen?

Das Aufladen ist ein wichtiges Thema, aber auch das Management dieser Infrastruktur sowie die Überwachung der Belastung des Stromnetzes. Im vergangenen Jahr haben wir drei unserer Standorte ausgewählt: in Hamburg, in Malsch bei Karlsruhe und in Freiburg. Wir planen, an diesen Standorten 10 oder mehr Elektro-LKW einzusetzen und dort die notwendige Ladeinfrastruktur zu installieren. Wir werden alle Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Management dieser Infrastruktur, der Spannung und der Netzbelastung erkunden.
Wir haben dieses Projekt in diesen drei Niederlassungen gestartet, um zu lernen, wie man eine Elektroflotte verwaltet. Wir müssen in der Lage sein, sowohl Kurzstrecken- als auch Langstreckenfahrzeuge an unseren Standorten aufzuladen, wobei wir unterschiedliche Ladezeiten und -kapazitäten berücksichtigen müssen. Wir arbeiten derzeit an verschiedenen Ideen, wie wir dieses System umsetzen können. In Hamburg haben wir zum Beispiel sehr wenig Platz am Standort, während die anderen beiden mehr haben. Diese unterschiedlichen Gegebenheiten müssen berücksichtigt werden. Wir testen an diesen drei Standorten verschiedene Möglichkeiten des Betriebs.

Sie haben die Langstrecken-LKW erwähnt. In Polen zum Beispiel sind viele Frachtführer wegen der geringen Reichweite von Elektro-LKW zurückhaltend, wenn es um den Einsatz auf langen Strecken geht. Sie behaupten, dass sie für die letzte Meile, für den Stadtverkehr und sogar für den Regionalverkehr sehr gut geeignet sind, aber nicht mehr für den Langstreckenverkehr.

In den Städten setzen wir Daimler eActros ein, die je nach Batterietyp eine Reichweite von 300-400 km haben. Und sie funktionieren sehr gut. Allerdings haben wir keine Erfahrung mit diesen Fahrzeugen, wenn es um lange Strecken geht.
Unser erster Elektro-LKW von DAF wird eine Reichweite von etwa 200 km haben. Wir haben ihn bereits 2021 bestellt und er ist erst jetzt eingetroffen. Es war einer der ersten Elektro-LKW. Die nächste Generation von Volvo-Elektrofahrzeugen, die wir in Prag einsetzen werden, wird bereits eine Reichweite von rund 350 km haben. Allerdings müssen wir dieses Fahrzeug noch testen, bevor es in Betrieb geht.
Die neueste Generation der Fahrzeuge von Daimler und MAN soll bereits eine Reichweite von fast 500 km haben. Wir haben bereits mehrere dieser LKW bestellt, und weitere werden 2024 und 2025 bei uns eintreffen. Sie sehen also, dass die größte Reichweite von Elektro-LKW derzeit bei etwa 500 km liegt. Um größere Entfernungen zurückzulegen, ist eine andere Technologie erforderlich, und zwar unserer Ansicht nach mit Wasserstoff-Brennstoffzellen betriebene Elektro-LKW (FCEV).
Wir haben bereits ein solches Fahrzeug von Hyundai in unserem Fuhrpark, das bald zwischen unseren Niederlassungen in Magdeburg und Berlin fahren wird (das Interview fand in der zweiten Maiwoche statt – Anm. d. Red.). Darüber hinaus haben wir für unsere Hamburger Niederlassung einen FCEV-Lkw bestellt, der aber nur für den innerstädtischen Lieferverkehr eingesetzt wird und kein Langstreckenfahrzeug ist.

Können wir daraus schließen, dass batteriebetriebene Elektrofahrzeuge sich auf den Stadt- und Regionalverkehr spezialisieren werden, während die Fahrzeuge mit Brennstoffzellen auf langen Strecken fahren werden?

Die Frage ist, wie man die Fahrzeuge klassifiziert, zum Beispiel den erwähnten eActros. Sind es Kurzstrecken- oder Langstreckenfahrzeuge? Wir müssen auch bedenken, dass die Hersteller an einer neuen Generation von Elektrofahrzeugen mit einer Ladeleistung von 1.000 kW arbeiten. Natürlich muss eine Ladeinfrastruktur aufgebaut werden, aber wenn eine solche Technologie zur Verfügung steht, wird es möglich sein, einen LKW in 30-45 Minuten vollständig aufzuladen. Ich bin also nicht in der Lage, eine endgültige Antwort zu geben. Aus unserer Sicht muss man beide Technologien nutzen und entscheiden, welche im Einzelfall besser geeignet ist.

Haben Sie vor, weitere Wasserstoff-LKW anzuschaffen?

Heute haben wir ein solches Fahrzeug in unserer Flotte – den erwähnten Hyundai – im Rahmen eines Pilotprojekts. Er hat eine Reichweite von 400 km. Brennstoffzellenfahrzeuge werden interessanter, wenn sie eine Reichweite von mehr als 500 km haben. Diese Fahrzeuge wären für solche Strecken am besten geeignet. Allerdings sind solche Fahrzeuge noch nicht verfügbar. Es gibt nur Prototypen. Wir hingegen sind nicht an Prototypen interessiert, sondern an fertigen, serienmäßig hergestellten Fahrzeugen.
Aus diesem Grund konzentrieren wir uns derzeit mehr auf Elektro-LKW als auf Wasserstoff-LKW. Meiner Meinung nach werden wir in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts, also 2027 oder 2028, damit beginnen, FCEVs als Standard-LKW einzusetzen, d.h. in großem Umfang.

Haben Sie Fahrzeuge mit Gasantrieb in Betracht gezogen?

Ja, wir haben sie getestet. Aber in Bezug auf die Emissionen ist Grubengas LNG nicht besser als Euro 6. Es gibt keine großen Vorteile. Natürlich gibt es die Möglichkeit von Bio-LNG, das in der Tat sauberer ist als Euro 6, aber im Moment haben nur wenige Länder den rechtlichen Rahmen, um es zu verwenden, hauptsächlich Finnland. Dort setzen wir LKW ein, die mit LNG und CNG aus Biokraftstoffen betrieben werden. Finnland ist eher die Ausnahme als die Regel.
Man darf auch nicht vergessen, dass es sich um eine so genannte Brückentechnologie und nicht um eine emissionsfreie Technologie handelt. Sie entspricht nicht den neuesten EU-Anforderungen. Wir hingegen wollen uns auf emissionsfreie Technologien konzentrieren.

Im Hinblick auf die EU-Vorschriften für emissionsfreie Kraftstoffe fordert die Automobilindustrie die Einbeziehung der so genannten E-Fuels (synthetische Kraftstoffe – Anm. d. Red.) in diese Vorschriften, damit sie gleichberechtigt mit Elektro- und Wasserstoffantrieben behandelt werden. Glauben Sie, dass dies eine weitere Lösung für den Transportsektor sein könnte?

Diese Kraftstoffe werden noch nicht von den EU-Verordnungen abgedeckt. Und ehrlich gesagt, werden sie so teuer sein, dass wir derzeit keine Einsatzmöglichkeit für E-Kraftstoff-Lösungen im Transportsektor sehen. Sie werden in den nächsten 10 Jahren nicht in großem Umfang verfügbar sein, und sie werden sehr teuer sein. Wir müssen die EU-Vorschriften einhalten, was heute bedeutet, dass wir Elektro- und Wasserstoff-Brennstoffzellen-LKW einsetzen müssen.

Ich gehe also davon aus, dass die überwiegende Mehrheit der Fahrzeuge in Ihrem Fuhrpark und auch im Fuhrpark Ihrer Subunternehmer immer noch Dieselfahrzeuge sind?

Ja, im laufenden Jahrzehnt werden Euro-6-Dieselmotoren das effizienteste und umweltfreundlichste Antriebssystem für LKW in Europa bleiben.

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