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„Grüne“ Logistikimmobilien – die Hürde wird zum Handlungsdruck

Die rasant steigenden Energiepreise werden deutliche Folgen für die Planung und Entwicklung neuer Logistikzentren haben: Bis vor Kurzem galt beispielsweise die Verwendung von optimierten Gebäudehüllen oder der Einbau von klimaschonenden Technologien vor allem bei Logistikzweigen mit niedrigeren Margen als eine kostspielige Zusatzausgabe. Inzwischen sorgen die empfindlichen Mehrausgaben bei den Betriebskosten jedoch dafür, dass sich entsprechende Bauteile bereits nach sehr viel kürzeren Zeiträumen amortisieren. Einige Entwickler und Eigennutzer gehen sogar dazu über, bestehende Immobilienkonzepte zu korrigieren, indem sie nachträglich beispielsweise eine Wärmepumpe oder eine Photovoltaikanlage hinzufügen.

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Damit verliert eine der größten Herausforderungen – die hohen Investitionskosten – an Relevanz, während das Thema zweite Miete an Bedeutung gewinnt. Diese durch entsprechende Maßnahmen wie beispielsweise eine PV-Anlage zu senken und so langfristig von Nachhaltigkeit zu profitieren, ist das Ziel jedes Mieters. Dennoch ist es vorteilhaft, sich nicht allein auf die offensichtlichen ökologischen Aspekte der Nachhaltigkeit zu beschränken, die für direkte Kosteneinsparungen sorgen. Auch die scheinbar „weicheren“, sozial relevanten Faktoren der Nachhaltigkeit können bewirken, dass Industrie und Handel sowie die dazugehörigen Logistikdienstleister wichtige Alleinstellungsmerkmale am Standort herausbilden. Darüber hinaus gewinnen ESG-Faktoren (Environmental, Social und Governance, ESG) auch jenseits der ökologischen Nachhaltigkeit an Bedeutung.

Emissionen senken – Energie produzieren

Die möglichen ökologischen Maßnahmen für ein „grünes“ Logistikzentrum können verschiedene Ansätze verfolgen. Der erste Ansatz umfasst die Absenkung des Energieverbrauchs und damit des CO2-Ausstoßes beim Betrieb der Immobilie. Neben der eingangs erwähnten Gebäudehülle sowie der Heizungsanlage und der Beleuchtung ist eine intelligente Steuerungstechnik relevant, damit weitere Einsparpotenziale erreicht werden können. Wichtig ist zudem, mithilfe moderner Tore Kältebrücken zu vermeiden. Neben diesen emissionssenkenden Maßnahmen im Betrieb kann jedoch auch beim Bau „graue“ Energie eingespart werden, indem klimaschonende, recycelte oder regenerative Baumaterialien verwendet werden. Ein solcher Ansatz bringt zwar keine direkten Vorteile bei der „zweiten Miete“, doch auch die Bau- und Materialpreise sind zuletzt stark gestiegen. Jede Tonne Stahl, die nicht unbedingt teuer und auf langem Lieferweg bezogen werden muss, spart Energie und Transportkosten.

Ein weiterer Ansatz bezieht sich darauf, vor Ort selbst Energie zu produzieren, um die Emissionen auszugleichen. Dies ist vor allem in Form moderner Photovoltaikanlagen möglich, wobei jedoch eine vorausgehende Analyse bezüglich dessen nötig ist, welche Anlagen installiert und wie diese exakt ausgerichtet werden sollten. Ist dies gegeben, kann eine Immobilie den Zustand der CO2-Neutralität erreichen, bei dem ebenso viel Energie produziert wie verbraucht wird. Für das Logistikzentrum von morgen ist sogar ein klimapositiver Betrieb denkbar, bei dem die überschüssige Energie in die lokalen Stromnetze eingespeist werden kann. Zudem ergänzt sich dieser Ansatz ideal mit der Installation von Ladesäulen und der damit verbundenen Umstellung auf E-Fahrzeuge.

Nicht jede Form der Nachhaltigkeit ist messbar

Eine weitere Komponente der ökologischen Nachhaltigkeit besteht darin, die lokale Tier- und Pflanzenwelt zu stärken. Die einfachste Variante sind Grünanlagen auf jenen Dachflächen, die nicht für Photovoltaik vorgesehen oder geeignet sind. Ebenso können wichtige Effekte durch die Aufforstung von Grünbereichen mit heimischen Baumarten erzielt werden.

Bei letzterem Aspekt zeigt sich, dass nicht alle Formen der Nachhaltigkeit in ihrer Effektivität bis auf mehrere Nachkommastellen messbar sind. Darüber hinaus kann selbst eine CO2-neutrale Immobilie unterm Strich nicht komplett nachhaltig sein, sofern bei der Planung die Mitarbeiter vergessen wurden. Nachhaltigkeit im sozialen Sinn heißt auch, eine angenehme Arbeitsatmosphäre zu schaffen, Arbeitsplätze zu optimieren und so die Mitarbeiterzufriedenheit zu fördern. Das beginnt beispielsweise bei einem Well-Being-Konzept mit Lounge-Bereichen und begrünten Außenbereichen, geht über eine moderne und ergonomische Arbeitsplatzgestaltung bis hin zu einer regional betriebenen Kantine oder einer Tagesbetreuung für Kinder.

Insbesondere in Zeiten des Fach- und Arbeitskräftemangels, in denen selbst eine strategisch günstig gelegene Immobilie möglicherweise nicht in voller Teamstärke betrieben werden kann, bieten soziale Nachhaltigkeitsfaktoren wichtige Pluspunkte bei der Arbeitgeberpositionierung. Sprich: In Zeiten, in denen sich Verlader und Logistikdienstleister aktiv bei Bewerbern positionieren müssen, kann dies ein Entscheidungsgrund für oder gegen den Job sein.

Rückhalt durch die Kommunen

Die hier genannten „weicheren“ Faktoren nachhaltiger Logistikzentren spielen noch aus einem weiteren Grund eine zentrale Rolle: Die Logistikbranche ist in der öffentlichen Wahrnehmung trotz ihrer wichtigen gesellschaftlichen Funktion oft mit einem negativen Image behaftet. Zahlreiche kommunale Entscheidungsträger agieren daher eher zögerlich bei der Ausweisung neuer Baugrundstücke für Logistikzentren oder stehen Neuansiedlungen sogar grundsätzlich kritisch gegenüber. Eine Logistikimmobilie, die gemäß hoher Nachhaltigkeitsstandards errichtet wird, kann hierbei positive Impulse setzen und für mehr Akzeptanz bei der Kommune beziehungsweise der lokalen Bevölkerung sorgen.

Klimaschutz und Nachhaltigkeit in Transport und Logistik

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