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Kurzinterview: „Wir wissen, dass die Dekarbonisierung unseres Geschäftsmodells ein echter Marathon ist”

Die Zeit von Lippenbekenntnissen ist vorüber, sagt Hendrik Schneider von Hermes Germany und erklärt, worauf es jetzt beim Thema Klimaneutralität und Nachhaltigkeit wirklich ankommt.

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Natalia Jakubowska, Trans.INFO: Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Halten Sie dieses Zeitmaß in der Transport- und Logistikbranche für realistisch?

Hendrik Schneider, CFO Hermes Germany: Ein klimaneutrales Deutschland bis 2045 ist für uns alle eine große Herausforderung, das schließt auch die Transport- und Logistikbranche ein. Allerdings haben wir aus meiner Sicht keine andere Wahl, als alles daran zu setzen, dieses Ziel auch zu erreichen. Die Uhr für eine lebenswerte Zukunft – nicht nur für uns, sondern vor allem auch für nachkommende Generationen – tickt lauter als je zuvor. Wichtig ist, dass insgesamt mehr Tempo auf das Thema Klimaschutz kommt und die Veränderungen tiefgreifend sind. Geschäftsmodelle müssen so transformiert werden, dass ökologische wie auch soziale Nachhaltigkeit die Grundvoraussetzung für ihre Zukunftsfähigkeit sind. Erfolg und Wachstum sind aus meiner Sicht nur noch mit einem starken, fundierten Nachhaltigkeitskonzept möglich. Daher ist Nachhaltigkeit bei Hermes Germany mittlerweile eine strategische Säule und deklariertes Unternehmensziel. Dass dies nicht immer einfach ist, wird an Stellen deutlich, wo zum Beispiel smarte technologische Lösungen noch nicht verfügbar oder wirtschaftlich umsetzbar sind. Ich denke dabei unter anderem an die Transporte auf der Langstrecke. Hier müssen wir Mittel und Wege finden, um dennoch unseren Beitrag zum Klima- und Umweltschutz zu leisten. Dabei sollten wir es nicht aus dem Blick verlieren, dass die großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, auch Chancen für Innovationen bieten, die es zu ergreifen gilt.

Wie hat sich in letzter Zeit das Verständnis von Nachhaltigkeit in der Branche verändert?

Dem Thema Nachhaltigkeit wurde sicherlich lange Zeit nicht die gebotene Dringlichkeit beigemessen wie es heute der Fall ist. Die Zeit von Lippenbekenntnissen ist definitiv vorüber, der Handlungsdruck ist hier in den letzten Jahren massiv gestiegen. Sowohl in der Gesellschaft als auch in unserer Branche hat ein Umdenken eingesetzt und man ist sich mittlerweile einig, dass die Antwort auf den Klimawandel ein nachhaltiges Leben und Wirtschaften sein muss. Statt Nachhaltigkeit als Ergänzung des eigenen Handelns zu sehen, muss Nachhaltigkeit ein integraler Bestandteil und nicht zuletzt ein Handlungsprinzip werden, um zukunftsfähig zu bleiben.

Welchen Stellenwert haben Klimaneutralität und Nachhaltigkeit in Ihrem Unternehmen? Welche Maßnahmen haben Sie bereits umgesetzt?

Wir sind uns bei Hermes Germany unserer Verantwortung als Logistikunternehmen und als einer der größten KEP-Dienstleister Deutschlands bewusst. Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind bei uns inzwischen eine strategische Säule und festes Unternehmensziel. Mit dem gerade für uns gestarteten Geschäftsjahr befindet sich der Bereich Sustainability nun in direkter Berichtslinie in meinem Geschäftsbereich, um einen noch engeren Austausch zu gewährleisten. Wir wissen, dass die Dekarbonisierung unseres Geschäftsmodells ein echter Marathon ist, den wir nicht von heute auf morgen schaffen werden. Deshalb setzen wir auf die Summe vieler einzelner Maßnahmen, um Schritt für Schritt unseren CO2-Fußabdruck zu verringern. Dabei liegt unser Fokus ganz klar auf der Vermeidung und Reduktion von CO2-Emissionen. Hierbei spielen zum Beispiel der Einsatz von E-Transportern und alternative Zustellkonzepte wie Lastenräder in Kombination mit Mikrodepots eine wichtige Rolle, um die Päckchen und Pakete emissionsfrei zuzustellen. Zuletzt haben wir in den Innenstädten von Berlin, Magdeburg und Dresden mit der emissionsfreien Zustellung begonnen, wo wir CO2 nun ganz vermeiden. Aber auch über Ökostrom, erneuerbare Energien und hocheffiziente Anlagen an unseren Logistikstandorten – um nur einige Maßnahmen zu nennen – können wir Emissionen einsparen. Dort, wo technologische Lösungen momentan noch nicht vorhanden, oder schlichtweg wirtschaftlich nicht umsetzbar sind, stellt für uns zudem der Aspekt der Kompensation eine sinnvolle Ergänzung beim Klimaschutz dar. Seit Kurzem bieten wir Auftraggebern die Möglichkeit des CO2-neutralen Versands durch Kompensation an. Wir arbeiten an dieser Stelle mit der gemeinnützigen Klimaschutzorganisation atmosfair zusammen. Auch für jedes Privatpaket, das mit Hermes versendet wird, sparen wir seit November letzten Jahres die CO2-Emissionen, die wir noch nicht vermeiden oder reduzieren, über zertifizierte Klimaschutzprojekte ein.

Was waren die größten Herausforderungen? Welche Fehler sollte man vermeiden?

Die Herausforderungen waren und sind vielfältig. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Beim Thema Lastenräder hatten wir zu Beginn die Schwierigkeit, dass es noch gar keine Modelle gab, die speziell auf die Anforderungen in der KEP-Branche ausgelegt waren. Fahrzeuge bestellen und los geht’s?! Fehlanzeige. So haben wir gemeinsam mit den Herstellern zunächst einmal getestet und entwickelt, bis wir ein Lastenrad-Modell hatten, welches unseren Anforderungen standgehalten hat. Hier war also ein langer Atem gefragt. Um bei den Lastenrädern zu bleiben: Damit dieses alternative Zustellkonzept überhaupt zum Einsatz kommen kann, braucht es zentral gelegene Mikrodepots. Ebensolche Flächen sind jedoch gerade in Ballungszentren rar und teuer. Auch die generelle Implementierung neuer, elektrischer Fahrzeuge samt Ladeinfrastruktur in die operativen Prozesse ist nicht mal eben von heute auf morgen zu stemmen. Wie man sieht, es lauern überall Hindernisse. Der Schlüssel ist, diese als Chance zu begreifen und entschlossen anzupacken – genau das wollen wir bei Hermes tun.

Wie sensibilisieren Sie Kunden und Partner für das Thema?

Der Klimaschutz ist ein Thema, welches uns alle betrifft, da es schlichtweg um unsere Existenzgrundlage auf diesem Planeten geht. Eine Grundsensibilisierung ist deshalb inzwischen schon gegeben. Als Hermes Germany informieren wir auf unserer Homepage über unseren Ansatz beim Thema Klimaschutz.

Mit unseren geschäftlichen Auftraggebern führen wir individuelle Gespräche, um gemeinsam Lösungen zu finden, die Prozessketten zunehmend nachhaltig zu gestalten. Essenzielle Grundlage hierfür sind hochwertige Daten und Datentransparenz. Diesen Bereich haben wir in den vergangenen Monaten intensiv bearbeitet und mit Hilfe eines neuen IT-Tools auf ein neues Niveau gehoben. Anhand unserer Daten sehen wir beispielsweise, dass PaketShops erheblich zur Umweltschonung beitragen, da hier viele Sendungen konsolidiert zugestellt und gleichzeitig im Shop abgegebene Retouren mitgenommen werden können. So verursacht die gesammelte Zustellung an PaketShops durchschnittlich 25 Prozent weniger CO2 als die Zustellung an die private Haustür. Daten wie diese sind somit eine wichtige Grundlage, um Partner und Endkund*innen zu sensibilisieren.

 

Klimaschutz und Nachhaltigkeit in Transport und Logistik

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