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Interview: “Die Logistik ist sehr langsam, wenn es darum geht Innovationen zuzulassen und umzusetzen”

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HAUS61 ist vor über einem Jahr im Frankfurter Bahnhofsviertel entstanden. Der Accelerator setzt sich das Ziel Start-ups aus aller Welt mit etablierten Logistikunternehmen zusammenzubringen und zu vernetzen. “Es gibt unglaublich viel Nachholbedarf im Bereich der Digitalisierung, was wiederum sehr große Chancen bietet, wenn man eine gute Idee, ein gutes Team und ordentlich Durchhaltevermögen hat”, sagt CEO Murat Karakaya.

Natalia Jakubowska, Trans.INFO: Welche Initiativen für Startups entwickelt Ihr Unternehmen und in welchem Umfang werden sie derzeit durchgeführt?

Murat Karakaya, CEO von HAUS61: Das HAUS61 ist ein LogTech Accelerator für rein auf Logistik/Supply Chain spezialisierte Startups aus aller Welt. Seit 2019 sind wir tätig und bereiten derzeit unsere zweite Acceleratorphase vor. In der ersten Phase haben wir 5 Startups betreut und wollen in der zweiten Phase bis zu 8 Startups zusätzlich zu den Alumnis aufnehmen. Ziel ist es eine Brücke zwischen Logistik Startups und etablierten Logistikern zu schlagen, um den Startups tiefergehenden Zugang zum Logistikmarkt in Deutschland zu geben und Innovationen in den Markt hineinzutragen.

Welche Unternehmen suchen Sie für eine Zusammenarbeit/Investition?

Wir suchen etablierte Logistikunternehmen aller Bereiche, die Innovationen in ihre Unternehmen holen wollen und bereit sind sich aktiv mit den Startups im HAUS61 zu beschäftigen. Logistikunternehmen aus aller Welt können sich mit dem HAUS61 in Verbindung setzen, um von uns unterstützt zu werden.

Welche Faktoren berücksichtigen Sie bei der Bewertung eines Startups? Welche Eigenschaften müssen Ihrer Meinung nach Startups, ihre Leader und Teams, die eine Erfolgschance versprechen, erfüllen?

Wir nehmen Startups aller Phasen im HAUS61 auf. Das bedeutet vielversprechende Startups in der Ideen-/Projektphase sind ebenso willkommen, wie etablierte Startups in der Wachstumsphase. Wichtig ist, dass die Startups zum ein oder anderen Partner/Sponsor des HAUS61 passen. Wir wollen einen guten Match, sodass sich Startups und Logistiker gegenseitig voranbringen können. Hiervon hängt auch ab, wie das Team des Startups zusammengesetzt ist, denn ein gutes Team ist essentiell für eine gut umgesetzte Innovation.

Welche Formen der Zusammenarbeit können Startups erwarten und unter welchen Bedingungen?

Startups werden im HAUS61 für 1 Jahr aktiv im Programm unterstützt. Sie können die Räumlichkeiten des HAUS61 in dem Jahr als Co-Working Space nutzen, erhalten von den Partnern und Sponsoren Mentoring und vor allem Unterstützung bei der Markterschließung im Frankfurter Raum. Der Zeitraum von einem Jahr wurde bewusst gewählt, um sich intensiv mit den Startups auseinandersetzen und sie unterstützen zu können. Wir wollen vermeiden, dass durchgehastet wird und unfertige Ergebnisse zustande kommen. Außerdem ist die Logistik ein konservativer und fragmentierter Markt, der zur Erschließung mehr Zeit als andere Märkte benötigt.

Hierfür geben die Startups keine Anteile ab und zahlen auch nichts. Sie müssen zu den Partnern/Sponsoren passen und sich verpflichten bei den 3-4 Pflichtveranstaltungen teilzunehmen. Hieraus entstehen dann automatisch Gelegenheiten und Geschäftsbeziehungen. Je mehr ein Startup sich einbringt, umso mehr unterstützen wir dessen vorankommen. Im Anschluss unterstützen wir unsere Alumnis auch weiterhin mit Networking, wie beim Logistics AfterWork und der Möglichkeit die Räumlichkeiten bei Bedarf zu nutzen. 

Worauf kann ein Startup nach der „Inkubation” zählen, wie kann Ihre Beziehung nach Abschluss der Investition aussehen?

Neben der Förderung als Alumnis nach dem Programm, gibt es selbstverständlich die Möglichkeit die Partner und Sponsoren als Investoren zu gewinnen. Wenn eine gute Zusammenarbeit zustande kommt, dann sind die Partner und Sponsoren offen für Investitionen.

Success-Stories – welche sind die interessantesten Startupideen oder Produkte, die in Ihrem Unternehmen dank der Startups umgesetzt wurden?

In der ersten Kohorte der Startups kamen der SmartAirCargoTrailer und die CargoBox als übergreifende Projekte zustande. Neben diesen Projekten kam es zu direkten Nutzung der Produkte und Dienstleistungen der Startups durch die etablierten Logistiker. Auch waren unsere HAUS61 Startups sehr erfolgreich mit dem Silicon Valley Startup ThroughPut als enger Partner im Microsoft ELITE Programm, dem CEO von Wakeo aus Paris als Forbes 30 Under 30 und unserem Mitgründer CargoSteps aus Frankfurt als Startup of the Year.

Entwicklung von Projekten innerhalb des Unternehmens oder Investitionen in Startups? In welchen Fällen ist die jeweilige Form des Erwerbs neuer Ideen/Technologien für Sie vorteilhafter?

Die Entwicklung von Projekten im Rahmen der HAUS61 Förderung fruchtet am stärksten und wird intensiv verfolgt, jedoch sind auch Inventionen in passende Startups stets eine Option, wenn es sinnvoll ist.

Wie beurteilen Sie generell den Zustand der Industrie (in Deutschland, europaweit, weltweit) in Bezug auf die Entwicklung neuer Technologien und die Digitalisierung?

Die Logistik ist sehr langsam, wenn es darum geht Innovationen zuzulassen und umzusetzen. Es gibt unglaublich viel Nachholbedarf im Bereich der Digitalisierung, was wiederum sehr große Chancen bietet, wenn man eine gute Idee, ein gutes Team und ordentlich Durchhaltevermögen hat. Die Logistik ist IT technisch sogar hinter der Agrarindustrie. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Es gibt aber auch hier kulturelle Unterschiede, die zum Beispiel ostasiatischen Ländern durch ihre Affinität für Innovationen und Digitalisierung einen Vorteil gegenüber Europa. Innerhalb von Europa sind oftmals die osteuropäischen Länder offener für den Einsatz von technischen Neuerungen als westeuropäische Länder, obwohl diese eher die Mittel haben in ihre Weiterentwicklung zu investieren. Innerhalb von Westeuropa schaffen es Länder wie die Niederlande und Belgien mit zum Beispiel kleineren Flughäfen technische Neuerungen als Gemeinschaftsprojekt durchzusetzen, was ihnen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den starken Flughäfen Paris und Frankfurt verschafft und ihr Image verbessert. Durch solche Unterschiede innerhalb des Logistikmarktes bekommen einige starke Logistikländer Probleme derer sie sich nicht bewusst sind und durch ihre selbstsichere Art wahrscheinlich erst sehr oder zu spät dazu bringen wird umzusteuern. Die Konkurrenz schläft nicht. Hier kann es zu dauerhaft großen Veränderungen kommen, denn die Karten werden stetig neu gemischt.

Foto: MURAT KARAKAYA, Chief Executive Officer / Co-Founder, HAUS61 GmbH

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