Natalia Jakubowska, Trans.iNFO: Wohin steuert die Mobilität in Deutschland, Herr Schmidt?
Frank Schmidt, Inhaber der TST Group: E-Mobilität ist der Motor der Zukunft. Auch wenn fossile Technologien weiterhin eine Rolle spielen, werden sich batteriegetriebene Systeme über kurz oder lang durchsetzen. Wasserstoff hat ebenfalls Potenzial, steht jedoch vor Herausforderungen in Bezug auf Komplexität, Kosten und Produktion. Ich bin davon überzeugt, dass 70 bis 80 Prozent der TST-Flotte in Deutschland, vielleicht sogar in Europa, letztendlich elektrisch betrieben werden wird.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen bei der Elektromobilität?
Die größte Herausforderung bei der Elektrowende sehe ich im Stromnetz und im Aufbau der notwendigen Infrastruktur. Obwohl es Subventionen für Ladestationen gibt, fehlt es an einem ausreichend leistungsfähigen Stromnetz. Eine massive Investition in die Netzinfrastruktur ist unerlässlich, um diese Hürde zu überwinden.
VW-Chef Blume hat vor kurzem finanziellen Anschub vom Staat gefordert, um den Anteil der Elektroautos am PKW-Bestand in Deutschland zu erhöhen. Ist das der richtige Ansatz oder sollte eher mehr finanzielle Unterstützung für Transportunternehmen und die Transportbranche im Rahmen der Förderung von Elektromobilität bereitgestellt werden?
Derzeit besteht in Deutschland Skepsis gegenüber der Elektromobilität im PKW-Sektor. Die Komplexität und die unzureichende Ladeinfrastruktur sind große Hindernisse. Viele Menschen, mich eingeschlossen, finden das derzeitige System zu kompliziert, was die Nutzung von E-Fahrzeugen betrifft. Daher könnte eine stärkere Unterstützung der Transportbranche sinnvoller sein, vor allem im LKW-Bereich.
Inwiefern?
Im Lkw werden größere Batterien eingesetzt und die Umwelteffekte durch die Einsparung von CO2-Emissionen sind immens. Trotz des hohen Gewichts der Batterien, das die Frachtkapazität beeinträchtigt, hat die Nutzung spezifische Vorteile: So können LKW beispielsweise während regulärer Pausen oder beim Be- und Entladen an der Rampe geladen werden. Dies stellt eine effiziente Nutzung der Standzeiten dar und fördert die Integration der Elektromobilität in den logistischen Alltag. Dennoch müssen wir die Herausforderungen hinsichtlich Akkuleistung, Reichweite und vor allem dem Ausbau des Ladennetzes weiterhin adressieren, um die Elektromobilität bei LKW voranzutreiben.
Wie viele E-LKW haben Sie im Fuhrpark?
Zum aktuellen Zeitpunkt haben wir acht Elektro-LKW in unserem Fuhrpark. Der Hauptgrund für diese begrenzte Zahl ist die derzeitige Reichweite dieser Fahrzeuge, die aktuell bei etwa 350 Kilometern liegt. Dies ist für unsere Bedürfnisse noch nicht ausreichend. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass sich die Technologie weiterentwickeln wird. In den nächsten zwei bis drei Jahren erwarte ich signifikante Fortschritte in Bezug auf Batteriekapazität und Reichweite. Wir befinden uns momentan noch in einer frühen Phase, aber ich bin davon überzeugt, dass die Technik bald große Sprünge machen wird.
Wenn es mehr finanzielle Anreize für den Kauf von Elektro-LKW gäbe, würden Sie dann mehr Fahrzeuge in Ihren Fuhrpark aufnehmen, oder ist die Begrenzung auf acht Fahrzeuge ausschließlich durch Defizite in der Ladeinfrastruktur bedingt?
Aktuell beschränkt sich der Einsatz unserer E-LKW auf den Nahverkehr, da die Ladeinfrastruktur für längere Strecken einfach nicht ausreicht. Wir können mit den aktuellen Fahrzeugen tatsächlich nur “um den Kirchturm” fahren. Das Problem ist, dass ich beispielsweise für Fahrten nach Koblenz oder Köln ständig Zwischenstopps zum Aufladen einplanen muss, was die Routenplanung erheblich erschwert und die Effizienz mindert.
Auch wenn die Subventionen mittlerweile gestrichen wurden und die Fahrzeuge in der Anschaffung noch immer sehr teuer sind, ist der begrenzte Einsatz von E-LKW in unserem Fuhrpark nicht nur eine Frage der Anschaffungskosten. Vielmehr ist es die unzureichende Ladeinfrastruktur, die uns zwingt, die Anzahl auf acht Fahrzeuge zu beschränken. Selbst mit verstärkten finanziellen Anreizen würden wir ohne eine verbesserte Ladeinfrastruktur nicht mehr Fahrzeuge anschaffen. Es ist essentiell, dass die Bundesregierung zuerst eine zuverlässige und weitreichende Ladeinfrastruktur schafft.
Haben Sie sich aufgrund dieser Defizite entschlossen, mit der PVSM Energy GmbH ein Energieversorgungsunternehmen als Joint Venture zu gründen? Liegt darin Ihre Motivation?
Visionäre Ideen entstehen häufig aus einer Situation des Mangels oder der Unzufriedenheit mit den bestehenden Umständen. So habe ich in den 34 Jahren unserer Unternehmensgeschichte immer wieder innovative Lösungen und Ideen vorangetrieben, mit denen wir uns neu erfunden haben und ein eigenständiges Profil in der Branche entwickeln konnten. An diesem Punkt stehe ich mit PVSM wieder. Mit 75 Logistikzentren in Deutschland besitzt TST gigantische Dachflächen. Diese mit Photovoltaikanlagen zu belegen, um Strom gewinnen zu können, lag nahe. Doch offen gesagt, elaubt uns die Einspeiseregelung noch nicht, kostendeckend zu arbeiten. Außerdem besitzen die regionalen Netze zum Teil nicht die Kapazitäten, um diese Leistung aufnehmen zu können. Also habe ich mich gefragt: Warum nicht eine eigene Infrastuktur für die Energiewende schaffen? Mir war klar, dass ich nicht einfach ein Netzwerk aus dem Nichts schaffen könnte. Also rief ich abends beim Energieversorger an und fragte, ob Interesse daran besteht, etwas gemeinsam zu unternehmen.
Mit welcher Resonanz?
Es herrschte Begeisterung, ich konnte den Vorstand sofort von unserer Vision überzeugen. Schon nach wenigen Tagen haben wir eine Projektgruppe ins Leben gerufen. Heute bildet TST zusammen mit EWR ein Joint Venture, das die Idealvoraussetzungen zum Aufbau eines bundesweiten E-Ladenetzes mitbringt: den Zugang zum Netz, Expertise in Bezug auf Transformatoren und Speicher sowie geeignete Dachflächenflächen für PV-Anlagen. An allen Ladestationen errichten wir parallel große Energiespeicher und nutzen überwiegend grünen Strom.
Wird das Projekt auch staatlich subventioniert, oder erfolgt die Finanzierung ausschließlich durch Privatmittel?
Momentan finanzieren wir alles aus eigener Tasche. Es gibt derzeit kein staatliches Fördermodell. Aber worauf sollen wir auch warten? Mit Investitionen zwischen 150 und 200 Millionen Euro treiben wir unser Geschäftsmodell konsequent voran. Die erste Großladetankstelle in Kombination mit einem Autohof wird voraussichtlich im August eröffnet. Ich glaube an den Erfolg der Elektromobilität und ich bin sicher, dass die Fahrzeughersteller, aber auch viele Transportunternehmen diesen Glauben in Zukunft teilen werden.
Könnten Sie etwas zur zeitlichen Planung sagen? Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?
Unser Ziel ist es, bis Ende 2025 mindestens 40 Stationen und bis Ende 2026 insgesamt 80 Stationen direkt in Autobahnnähe zu errichten.
80 Standorte – das ist eine beträchtliche Zahl. Kann man also sagen, dass die Ladestationen flächendeckend über ganz Deutschland verteilt sein werden?
Ja, wir sind in ganz Deutschland aktiv. Geplant ist, alle 80 Quadratkilometer eine Ladestation zu installieren, ausgenommen davon sind ländliche Regionen in Niederbayern.
Sind auch Megawatt-Ladestationen nach dem Standard MSC vorgesehen?
Unsere Ladestationen werden mindestens 400 kW leisten können. An manchen Standorten werden es kleinere Tankstellen sein, andere, größere, die wir jetzt bauen, können achtmal 400 kW liefern. Ein großer Vorteil ist, dass fast alle unsere Tankstellen mit Photovoltaikanlagen ausgestattet sind, die zwischen drei und zehn Megawatt Strom liefern können, der direkt zum Betanken der Fahrzeuge genutzt wird.
Sie haben mehrmals betont, dass alles mit grünem Strom betrieben wird. Warum ist das so wichtig?
Es ist eine Frage des Umweltbewusstseins. Die Idee ist, die Fahrzeuge direkt vom Dach aus zu betanken, allerdings in Kombination mit dem Netzstrom. Ohne Netzanschluss geht es nicht, wir brauchen einfach die Power.
Gibt es bestimmte Beschränkungen? Wie viele LKW können gleichzeitig aufgeladen werden?
Das hängt davon ab, welchen Netzzugang wir haben. Es ist nicht einfach, ein Fahrzeug hinzustellen und zu betanken. Wir benötigen ausreichend Energie, und diese beziehen wir über die Unternehmen EWR und Tüga. Wir planen, durchschnittlich vier bis acht Supercharger sowie Übernachtungscharger mit einer Kapazität von 50 bis 200 Kilowatt-Peak zu installieren, damit Fahrzeuge über Nacht geladen werden können.
Sie planen auch, den Zugang zu diesen Ladestationen Dritten zu ermöglichen, wie ich in einem Pressebericht gelesen habe. Können Sie uns erklären, wie das funktionieren soll?
Wir befinden uns bereits in der Aufbauphase. Aktuell führen wir Gespräche mit Partnern, LKW-Herstellern, unseren Kunden und Industrieunternehmen und halten Vorträge, um unser Konzept zu erläutern. Auch Spediteure können mit uns in Kontakt treten und sich Kontingente sichern. Es ist wichtig zu verstehen, dass unsere Dachflächen begrenzt sind und wir einen Teil des Stroms auch direkt ins Netz einspeisen.
Gibt es bereits sichtbares Interesse an diesem Projekt?
Absolut, das Interesse ist enorm. Wir stehen bereits mit einigen sehr großen Playern in Kontakt. Eine Herausforderung ist es, KMU zu integrieren, aber auch hier haben wir bereits Lösungen gefunden. Unser Vorteil ist, dass wir einer der marktbekannten Akteure in Deutschland sind, der über große Logistikzentren verfügt, die verkehrsgünstig an Autobahnen oder in Industriegebieten gelegen sind. Die Partnerschaft mit dem Energiedienstleister ist dabei ein großer Gewinn für uns.
Gibt es Konkurrenz auf dem Markt, wenn es um solche Projekte geht?
Natürlich gibt es auch andere Unternehmen, die solche Projekte erwägen. Wir haben den Vorteil, dass wir schon länger in diesem Bereich tätig sind und bereits wertvolle Erkenntnisse gewonnen haben. Ich weiß, dass auch große Mineralölhersteller darüber nachdenken, ihre Rasthöfe entsprechend umzurüsten, was ein anderes Konzept ist als unseres. Wir sind im Industriegebiet angesiedelt, das ist unser Ansatz. Am Ende muss jeder seine eigenen Erfahrungen sammeln.
Ziehen Sie auch Brownfield-Investitionen in Betracht?
Ja, tatsächlich haben wir schon Grundstücke erworben.
Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung des Ladenetzwerks in Deutschland? Wird es hauptsächlich auf private Initiativen hinauslaufen, oder wird der Staat doch noch aktiver werden in diesem Feld?
Private Investitionen werden überwiegen. Dabei wird es früher oder später eine Blaupause für die Skalierung der E-Mobilität mit der dafür benötigten Ladeinfrastruktur geben. Gut möglich, dass sich eine Konstellation, wie wir sie mit PVSM geschaffen haben, dazu entwickeln wird. Eine Industrie wie die Logistik ist für dieses Konzept prädestiniert, weil Fahrzeuge während des Be- und Entladevorgangs ohne Zeitverlust mit Strom betankt werden können. Der Staat sollte dennoch darüber nachdenken, innovative und mutige Unternehmer wie uns zu fördern. Denn die Investitionen sind beträchtlich. Ein spezielles Förderprogramm oder zinsgünstige Darlehen hätten uns sehr geholfen und würden vieles erleichtern. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Jemand muss schließlich den Anfang machen.