In unserer Kurzinterview-Serie präsentieren wir, wie Vertreter der Transport-und Logistikbranche sowie der Automobilindustrie das Jahr 2020 in Erinnerung behalten werden und was sie für das kommende Jahr und die nahe Zukunft erwarten. Die Interviews finden Sie bis kurz vor Weihnachten immer dienstags und donnerstags auf unserem Portal.
Heute schaut Frank Huster auf das Jahr 2020 zurück und bewertet, wie die Logistikbranche mit der Corona-Pandemie zurechtgekommen ist und vor welchen Herkulesaufgaben sie künftig steht. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions-und Logistikverbandes bedauert auch die Hängepartie bei den Verhandlungen zu einem neuen Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien.
Natalia Jakubowska, Trans.INFO: Was waren die Highlights des Jahres 2020? Gab es etwas, was Sie besonders begeistert hat?
Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions-und Logistikverbandes: Nach Jahren der Verhandlungen wurde das ‚Mobility Package‘ im Sommer 2020 verabschiedet. Kein Grund zur Begeisterung, denn es hat nach wie vor einige Schwächen, doch es wurde am Ende ein tragbarer Kompromiss. Mit diesem Reformpaket für den europäischen Straßengüterverkehr sollen die Wettbewerbsbedingungen und Sozialvorschriften angeglichen und die Voraussetzungen für den Marktzugang präzisiert werden. Ob die hohen Erwartungen an das Mobilitätspaket erfüllt werden, wird im Wesentlichen von der Umsetzung und der zukünftigen Kontrolldichte in den EU-Mitgliedsstaaten abhängen.
Sehr erfreulich war hingegen die große öffentliche und politische Wahrnehmung für die herausragende Leistungen der Logistik für Wirtschaft und Bevölkerung. Es ist allerdings schade, dass die Versorgungsleistungen erst während einer pandemischen Krise richtig wahrgenommen werden und nicht bereits im Alltag.
Was waren die Downlights? Vor welchen Herausforderungen stehen wir heute?
Die Covid19-Pandemie hatte und hat natürlich Auswirkungen auf die Logistikbranche. Während des Lockdown ganzer Industriezweige wie der Automobilindustrie war in der Automotive-Logistik auch völliger Stillstand. Die Logistiker in diesem Teilmarkt mussten auf staatliche Hilfen, vor allem auf das Kurzarbeitergeld zurückgreifen. Dennoch konnten viele Speditionshäuser den Mengen- und Umsatzverlust im Sommer und Herbst 2020 bereits wieder kompensieren. Luft- und Seeverkehr mussten auch Kapazitäten stilllegen, durch die Verknappung von Frachtraum sind bei diesen Verkehrsträgern die Frachtraten allerdings jetzt auf ein Rekordniveau geschnellt, teils sogar mit positiven Renditeergebnissen für die Akteure. Viele Unternehmen konnten sich zumindest organisatorisch konsolidieren, haben ihre Prozesse angepasst und sind so gestärkt aus der Krise hervorgegangen. Gleichwohl ist die Pandemie längst nicht überwunden. Und die zunehmende Belastung der öffentlichen Kassen lässt eine Steigerung der Abgabenlast der Wirtschaft schon in naher Zukunft vermuten.
Die Hängepartie bei den Verhandlungen zu einem neuen Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien und die Verzögerung der Entscheidung hierzu bis ‚zur letzten Minute‘ gibt den Logistikunternehmen in Europa und ihren Kunden aus Industrie und Handel wenig Planungssicherheit. Auch wenn die Zollabwicklung mit Drittstaaten eines der Kerngeschäfte für die Logistik ist, bleibt der freie Warenhandel die erste Wahl der Mittel für die Logistik.
Welches Projekt steht bei Ihnen für das Jahr 2021 auf der Agenda? Welche Themen und Trends werden die nahe Zukunft prägen?
Die Logistikbranche muss mit der Bewältigung der Corona-Krise und der Ausrichtung auf den Klimaschutz zwei Herkulesaufgaben gleichzeitig bewältigen. Letzteres bedarf vor allem der ‚Zuarbeit‘ seitens der Lkw-Herstellerindustrie und der Energiewirtschaft – hier liegt die Verantwortlichkeit für das wirtschaftliche Angebot alternativer Antriebe und für den Aufbau einer flächendeckenden Auflade- und Betankungsinfrastruktur. Die Logistik wird weiterhin ihre Organisationsprozesse optimieren, um Warenströme zu bündeln und dadurch Verkehre zu vermeiden. Die fortschreitende Digitalisierung wird die Logistikunternehmen dabei unterstützen.
Foto: DSLV