Andreas Rinnhofer ist Geschäftsführer der Firma INN-ovativ und Gründer von Spedifort, der E-Learning-Plattform speziell für die Bedürfnisse von Speditions- und Logistikbetrieben. Im Interview erklärt er, wie sich vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels die Bedeutung von Mitarbeiterschulung verändert hat.
Herr Rinnhofer, in Ihrer ehemaligen Position als Speditionsleiter mussten auch Sie vermehrten Organisationsaufwand für die Einarbeitungen in Kauf nehmen, weil Sie Ihren Personalbedarf nur noch mit Quereinsteigern decken konnten. Das war schließlich Auslöser für Ihre Entwicklung einer Lernplattform speziell für Speditionen. Würden Sie sagen, die in der Speditionsbranche übliche Einarbeitungspraxis ist heute noch zeitgemäß?
Definitiv nicht. Es läuft in der Regel immer noch so ab, dass neue Mitarbeiter anfangs einem Kollegen zugeteilt werden, dem sie dann über die Schulter schauen sollen. So ähnelt die Einarbeitung ziemlich dem bekannten Kinderspiel „Stille Post“. Mit diesem gefährlichen Halbwissen oder massiven Informationslücken werden neue Mitarbeiter dann auf das Tagesgeschäft losgelassen. Immer wieder beobachte ich das Phänomen, dass wissbegierige Neulinge fragen, warum bestimmte Arbeitsschritte so ablaufen, wie sie es erklärt bekommen, z. B. bei der Auftragserfassung. In den allermeisten Fällen lautet die Antwort: Keine Ahnung, machen wir schon immer so. Dieses Problem zieht sich wie ein roter Faden durch sämtliche (Ein-)Schulungsthemen.
Wie kann Ihrer Meinung nach der Einarbeitungsprozess in Speditionsbetrieben dazu beitragen, mit den veränderten Bedingungen am Personalmarkt zurechtzukommen, die der allgemeine Fachkräftemangel mit sich bringt?
Die Einarbeitung spielt natürlich eine umso entscheidendere Rolle, wenn man vermehrt Quereinsteiger einstellen muss, anstatt auf qualifiziertes Personal mit Fachwissen zurückgreifen zu können. Deshalb ist es inzwischen notwendig, hier zwei Bereiche zu berücksichtigen: Natürlich muss man einerseits am und mit dem Mitarbeiter arbeiten, ihn umfassend auf seine Tätigkeit vorbereiten und ihm bestmöglich seine Wünsche erfüllen. Auf der anderen Seite – und das ist fast noch wichtiger – sollte man am Prozess für die betreffende Stelle arbeiten, d. h. Abläufe überdenken, optimieren und festlegen. So hat man die Möglichkeit, auch digital eine Art Fließband für sämtliche Arbeitsabläufe zu implementieren. Egal, ob es die Palettenabteilung betrifft, die Abrechnung, die Disposition oder den Vertrieb. Wenn hinter der jeweiligen Tätigkeit ein System steht, bietet das dem Mitarbeiter ein optimales Setup, so dass sich der Aufwand für seine Einarbeitung massiv reduziert und die Effizienz deutlich steigert. Das bedeutet, Prozesse und Arbeitsabläufe sowie dafür wichtiges Hintergrundwissen müssen den zukünftigen Mitarbeitern standardisiert vermittelt werden.
Wie unterstützen Sie Unternehmen in diesem Bereich?
Wir stellen ein Lernmanagement-System zur Verfügung, mit dem Speditionen ihren Mitarbeitern Fachwissen in digitalisierter Form anbieten und so ganz flexibel auf Schulungsbedarf reagieren können. Unternehmen können dafür einerseits unser gesamtes Kurs-Portfolio nutzen, das aus allgemeinen Standard-Inhalten, wie z. B. Einweisung ins ERP-System, aus Quereinsteiger-Schulungen und Arbeitssicherheitsunterweisungen besteht. Andererseits bieten wir Betrieben die Möglichkeit, auch selbst firmeninterne Schulungsinhalte und Schritt-für-Schritt-Anleitungen für individuelle Arbeitsabläufe zu erstellen und ihren Mitarbeitern digital zur Bearbeitung zuzuweisen. Dadurch werden neue Mitarbeiter schneller produktiv, haben mehr Spaß an ihrer Tätigkeit, und man beugt der sonst oft üblichen Praxis vor, dass Neulinge anfangs als günstige Schreibkraft missbraucht oder mit unangenehmen Tätigkeiten abgeschreckt werden, beispielsweise indem sie in der Disposition Verspätungen anmelden sollen.
Außerdem profitieren Personalverantwortliche mit dem Lernmanagement-System zusätzlich von einem positiven Nebeneffekt: Es kann als Messinstrument in der Probezeit genutzt werden. Spedition und Logistik sind grundsätzlich keine Raketenwissenschaft. Wer in dieser Branche etwas erreichen will und fleißig ist, schafft es in der Regel auch. Wenn der Fleiß und die Motivation von neuen Mitarbeitern bereits in Sachen Einschulung zu wünschen übriglassen, ist die Gefahr groß, dass sich dies wie ein roter Faden in der Beschäftigung fortsetzt. Mit der digitalen Schulungsplattform stellt sich die Eignung des neuen Mitarbeiters für das Unternehmen bereits in der Probezeit heraus.
Lässt sich die Einschulung nicht mit unternehmensinternen Trainern viel besser gestalten?
Grundsätzlich stellt sich für mich nicht die Frage: Was ist besser? Man muss vielmehr unterscheiden, welche Schulungsmethode wann mehr Sinn macht. Bei Quereinsteigern ist die Fluktuation in der Regel höher als bei Fachpersonal. Deshalb ist es hier ein wesentlicher Vorteil von Online-Schulungen, dass sie ganz flexibel jederzeit gestartet werden können. Wenn man im Rahmen einer eigenen Unternehmensakademie nur quartalsweise Schulungen durchführt, kann es vorkommen, dass neue Mitarbeiter im schlechtesten Fall zwei Monate im Blindflug tätig sind. Ich möchte keinesfalls Präsenzschulungen ihre Berechtigung absprechen. Sondern beide Methoden sollten idealerweise optimal verknüpft werden – persönliche Schulungen überwiegend für praxisbezogene Themen, E-Learning dagegen eignet sich bestens für theorielastige Themen. Die Unternehmensgeschichte oder individuelle Abläufe wie die Auftragserfassung beispielsweise sind bei uns Klassiker für E-Learning-Kurse.