Am 4. Oktober dieses Jahres hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) ein Urteil zu einigen Bestimmungen des Mobilitätspakets gefällt, die von Polen und sechs weiteren EU-Ländern (Bulgarien, Zypern, Litauen, Malta, Rumänien und Ungarn) angefochten wurden. Der Gerichtshof wies zwar die Beschwerden u. a. gegen die Karenzzeit nach der Kabotage, das Verbot einer regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im LKW oder die Rückkehr des Fahrers in das Niederlassungsland ab, gab den Beschwerdeführern aber in der Frage der achtwöchigen Rückkehr des LKW Recht.
Bei der Anfechtung dieser Bestimmung betonte Polen, dass sich diese Verpflichtung nicht nur negativ auf das Funktionieren des EU-Binnenmarktes auswirke, da sie künstliche administrative Hindernisse für die Tätigkeit von Transportunternehmen mit sich bringe, sondern auch keine gleichen Wettbewerbsbedingungen für EU-Transportunternehmen gewährleiste.
Deutschland ist im Allgemeinen zufrieden
Nach Ansicht des BGL bestätigt das EuGH-Urteil im Grundsatz die langjährige Arbeit im Kampf gegen Sozialdumping und für faire Wettbewerbsbedingungen im europäischen Straßengüterverkehr.
Einzig bei der Rückkehrpflicht für Fahrzeuge muss die Politik jetzt schnell nachbessern”, so der BGL.
Der BGL begrüßt im Großen und Ganzen das Urteil des EuGH, mit dem bis auf eine Ausnahme alle Klagen von sieben Mitgliedstaaten gegen das Mobilitätspaket abgewiesen wurden.
Der Verband bedauert jedoch die Aufhebung der Pflicht, dass Fahrzeuge spätestens alle acht Wochen in den Niederlassungsstaat zurückkehren müssen. Der Gerichtshof entschied zugunsten Polens und der anderen klagenden Länder, weil Brüssel nicht nachgewiesen hatte, dass es über ausreichende Informationen verfügte, um die Verhältnismäßigkeit der Beschränkung zu beurteilen.
Der BGL fordert deswegen die Europäische Kommission auf, nach einem „Impact Assessment“ (Studie über die Auswirkungen) so schnell wie möglich einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, damit die EU-Gesetzgeber (Rat und Europäisches Parlament) die Rückkehrpflicht wieder zu einem Bestandteil des Mobilitätspakets machen können, heißt es in der Mitteilung von BGL. Nur dann erfüllt das Mobilitätspaket nach Ansicht des BGL seinen Zweck.
Jetzt muss der Unionsgesetzgeber rasch nachjustieren und besser begründen, weshalb dieser Punkt für die Wirksamkeit des Gesamtpaketes unerlässlich ist. Denn angesichts der zahlreichen dauerhaft im EU-Ausland stationierten Lkw-Flotten bleibt hier ein Einfallstor für Missbrauch und unfaire Wettbewerbspraktiken offen“, erklärt BGL-Vorstandssprecher Prof. Dr. Dirk Engelhardt.
Stellungnahme Polens zum Urteil
Nach Angaben des polnischen Infrastrukturministeriums wird das EuGH-Urteil vom Freitag die Durchführung ihrer Aktivitäten innerhalb der Europäischen Union erheblich erleichtern.
Es ist gut, dass der Gerichtshof die Bestimmung über die Verpflichtung, das Fahrzeug alle acht Wochen in den Niederlassungsstaat zurückzuführen, für ungültig erklärt hat. Dies ist vor allem eine enorme Vereinfachung und Chance für die Transportunternehmer. Es ist auch erwähnenswert, dass Polen und andere Länder sowie die Europäische Kommission behauptet haben, dass diese Bestimmung zu zusätzlichen Umweltbelastungen führen würde und mit der EU-Klimapolitik unvereinbar wäre. Und diese Politik sollte sich schließlich auf die Verringerung der Emissionen des Straßenverkehrs konzentrieren“, kommentierte Stanisław Bukowiec, stellvertretender Minister für Infrastruktur.
Auch die polnischen Spediteursverbände haben sich zu der Entscheidung des EuGH geäußert.
Wenn man sich die Rechtsprechung des Gerichtshofs ansieht, haben wir ein solches Ergebnis erwartet“, kommentierte Maciej Wroński, Vorsitzender des Verbands „Transport i Logistyka Polska“.
„Es ist jedoch zu begrüßen, dass der Gerichtshof die Verpflichtung zur Rückführung des Fahrzeugs zum Betriebsstandort aufgehoben hat, denn diese Bestimmung war nicht nur absurd und kostspielig für die Transportunternehmer, sondern stand auch im Widerspruch zur Klimapolitik der Europäischen Union. Mehrere hunderttausend Fahrzeuge, die alle acht Wochen zum Standort zurückkehren, oft ohne jegliche Ladung, verursachten in Europa vergleichbare Treibhausgasemissionen wie in einigen EU-Mitgliedstaaten“, äußerte sich Maciej Wroński zu dem Urteil.
Jan Buczek, Präsident des Verbands der Internationalen Straßengüterverkehrsunternehmen, hält seine Enttäuschung über das Urteil nicht zurück.
Wir begrüßen das Urteil des EuGH, allerdings mit Enttäuschung. Denn es wurde nur die absurdeste Bestimmung des Mobilitätspakets gestrichen. Andere Bestimmungen wurden jedoch beibehalten, die die Wettbewerbsfähigkeit unserer Spediteure in Europa in einer Weise einschränken, die nicht mit den Beitrittsakten vereinbar ist. Gleichzeitig verdrängt das westliche Kapital unsere Unternehmen rücksichtslos aus dem Markt und verlagert die Gewinne ins Ausland“, fasst der Präsident des Verbands zusammen.
Jan Buczek beschuldigt polnische Regierungsvertreter in Brüssel der Passivität.
Als die intensive Arbeit der EU an der Gesetzgebung für das internationale Straßentransportgewerbe im Gange war, hatten wir mit dem Machtwechsel einen sehr ungünstigen Moment für Polen. Unsere Probleme erwiesen sich nicht als vorrangig. Als Branche fühlten wir uns in Brüssel allein gelassen. Viele EU-Beamte und Politiker waren erstaunt, dass wir selbst sie von unseren Argumenten überzeugten, denn Vertreter unserer Regierung waren in den Brüsseler Amtsstuben und Fluren nicht zu sehen“, beklagt Jan Buczek.
Er fügt hinzu, dass die polnische Regierung sich darauf beschränkt habe, das Mobilitätspaket vor dem EuGH anzufechten.
Europäische Organisationen mit Bedacht
Internationale Transportorganisationen wie die International Road Transport Union (IRU) und die UETR nehmen das Urteil distanziert zur Kenntnis. Die IRU prüft derzeit die Auswirkungen des Urteils.
Wir nehmen die Entscheidung des Gerichtshofs zur Kenntnis. Es ist klar, dass das Gesetz so zu lesen ist, als ob die Bestimmung über die Rückführung des LKW nicht enthalten wäre. Es ist jedoch nicht klar, was als nächstes passieren wird. Wird die Europäische Kommission versuchen, die Regelung erneut vorzuschreiben, nachdem sie mehr Informationen über die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme erhalten hat? Oder wird das Urteil den Versuchen der EU ein Ende setzen, von den Betreibern zu verlangen, dass sie die LKW zusätzlich zu den erforderlichen Fahrten für die obligatorischen technischen Inspektionen nach Hause zurückkehren lassen?“, sagte Raluca Marian, EU-Lobbydirektorin der IRU.
Laut Marian hat das Urteil die Nichtigerklärung der Vorschrift zur Folge und entzieht somit allen Sanktionen, die gegen Transportunternehmen wegen Verstößen gegen diese Vorschrift verhängt wurden, die Rechtsgrundlage. Laut der Direktorin ist es nach der Entscheidung des EuGH unklar, ob die Behörden der Europäischen Union einen neuen Anlauf zur Regulierung in diesem Bereich unternehmen können.
Die Entscheidung des Gerichtshofs ist ein wichtiger Schritt bei der Auslegung und Klärung der Bestimmungen des Mobilitätspakets, aber die IRU wird weiter daran arbeiten, eine einheitliche Anwendung der Vorschriften zu gewährleisten und die Durchsetzung in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission, dem Europäischen Arbeitsamt, den Mitgliedstaaten und den Kontrollorganen zu verbessern,“ fügte Marian hinzu.
Die EU-Verkehrsorganisation UETR hingegen begrüßt zwar die Bekräftigung der Gültigkeit des Mobilitätspakets, sieht aber dringenden Bedarf an einer Klärung des rechtlichen Rahmens.
Das Mobilitätspaket ist unerlässlich, um unlauteren Wettbewerb und das Entstehen von Briefkastenfirmen zu verhindern, die Niederlassungen in Ländern mit niedrigeren Steuersätzen oder gelockerten Arbeitsgesetzen einrichten, aber hauptsächlich in Mitgliedstaaten mit höheren Kosten tätig sind und so den Markt verzerren. Die derzeitigen Vorschriften, einschließlich derjenigen über die Rückführung von Fahrzeugen, gewährleisten, dass die Unternehmen die rechtlichen und sozialen Standards ihrer Heimatländer einhalten“, so der Verband.
Die UETR nimmt das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Kenntnis, die Bestimmung über die Rückführung des Fahrzeugs in das Niederlassungsland aufzuheben. Die Gewerkschaft ist der Ansicht, dass jegliche Änderungen an den Kernelementen des Pakets die Fortschritte bei der Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs zwischen den Betreibern und der Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Fahrer gefährden könnten.
Der Organisation zufolge wurde jeder Aspekt des Mobilitätspakets so konzipiert, dass er zusammenwirkt, und nur durch seine vollständige Anwendung kann sein Zweck erfüllt werden.
Der Schwerpunkt sollte jetzt darauf liegen, wie das Paket als Ganzes am besten umgesetzt werden kann, um nachhaltige Transportpraktiken innerhalb des derzeitigen Rahmens zu verbessern, an den sich die Transportunternehmen seit Inkrafttreten der Gesetzgebung bereits angepasst haben“, betont der Verband.
Nach Ansicht der UETR muss dringend geklärt werden, wie sich das Urteil auf die Verpflichtungen der Transportunternehmen auswirken wird, damit diese in der Lage sind, konform und effizient zu arbeiten und zukunftsorientiert zu planen.
Die Niederländer jubeln
Der niederländische Spediteurverband TLN hat das Urteil des EuGH mit Begeisterung angenommen.
TLN ist froh, dass wir endlich 100 Prozent Transparenz haben. Sieben Mitgliedstaaten hatten vor dem EuGH insbesondere gegen die Rückgabepflicht (des Fahrzeugs – Anm. d. Red.) Einspruch erhoben. Damit wurde eine Bombe unter eine Maßnahme gelegt, die ab Februar 2022 gesetzlich vorgeschrieben ist. Einige Unternehmen in Europa kommen ihr nach, andere nicht oder nur teilweise. Das ist inakzeptabel, bleibt aber fast immer ohne Folgen, da es in vielen Mitgliedstaaten keine Kontrollen gibt“, kommentiert die Organisation.
TLN war ebenfalls gegen diese Verpflichtung.
Diese Regelung führte nicht nur zu mehr Leerfahrten, sondern auch zu einem zusätzlichen Druck auf die Tarife. Denn um Leerfahrten möglichst zu vermeiden, nahmen die rückkehrpflichtigen LKW oft eine Rückladung zu Schnäppchenpreisen mit. Da diese Lösung nun nicht mehr möglich ist, betont der TLN die Bedeutung einer besseren Durchsetzung der verbleibenden Verpflichtungen aus dem Mobilitätspaket“, erklärt die Organisation in der Mitteilung.
TLN stellt fest, dass Unternehmen, die sich auf die Rückkehrverpflichtung vorbereitet haben, indem sie zum Beispiel ihr Geschäft von Osteuropa nach Westeuropa verlagert haben, tatsächlich Verluste erlitten haben.
Dies zeigt einmal mehr, dass der europäische Gesetzgeber Gesetzesentwürfe besser auf ihre Rechtmäßigkeit und Durchsetzbarkeit prüfen muss. Nach Ansicht des TLN haben die Unternehmen keine Chance, ihre Kosten vom Gesetzgeber zurückzuerhalten“, kommentiert der Verband verbittert.