Quelle: Kelly L from Pexels

Könnten die Seefrachtraten trotz des Kriegs in der Ukraine sinken?

Trotz zahlreicher Vorhersagen, dass die Frachtraten aufgrund der russischen Invasion in die Ukraine in die Höhe schnellen werden, überlegen jetzt einige Experten nun, ob ein Rückgang möglich ist.

Lesezeit 3 Min.

Kurz nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine stellten zahlreiche Logistikexperten Prognosen, nach denen es mit augenöffnenden Anstiegen der Seefrachtpreise zu rechnen sei.

Solche Vorhersagen waren mit logischen und einfachen Argumenten untermauert. Der Schienengüterverkehr zwischen Asien und Europa würde durch den Krieg stark beeinträchtigt. Die Gesamtkapazität würde sich verringern und damit könnte die Schifffahrt zusätzlich nachgefragt werden, was in höheren Frachtraten resultieren würde.

Jedoch gestern, in einem sehr interessanten LinkedIn-Beitrag und einem weiteren Thread dazu, überlegte Jan Hoffmann, Leiter der Handelslogistik bei der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD), ob der Abwärtsdruck zu einem Rückgang der Frachtpreise führen könnte.

Wie Hoffman in seinem Beitrag zugibt, dachte er auch, dass reduzierte Kapazität zu höheren Frachtraten beitragen könnte. Einige Tage später war sich der Experte dessen nicht mehr so sicher:

Jetzt gibt es auch Abwärtsdruck: weniger Nachfrage und pessimistischere Wirtschaftsaussichten infolge des Krieges; Saisonalität; Ende der Konjunkturpakete; Ende des Lockdowns und Menschen, die wieder Geld für Dienstleistungen ausgeben, anstatt Waren über E-Commerce zu bestellen; Lieferketten, die auf die hohen Frachtraten reagieren, mit neuen Schiffen, die bestellt werden sowie einige Verlader, die kurz vor der Beschaffung stehen und nicht mehr zu diesen Raten bestellen“, so Hoffman auf LinkedIn.

Der UNCTAD-Leiter für Handelslogistik erwähnte dann eine Reihe anderer Experten und ermutigte sie, an der Diskussion teilzunehmen, was einige interessante Antworten hervorrief.

Roar Adland, Professor für maritime Wirtschaft an der Norwegian School of Economics, antwortete, dass „präexistente“ Trends im Zusammenhang mit einem Nachfragerückgang Engpässe in den Lieferketten reduzieren:

Ich glaube nicht, dass die beiden Länder in der Linienschifffahrt so wichtig sind, dass die derzeitige traurige Situation einen großen Unterschied machen würde. Auch auftauchende Bedenken bezüglich der langfristigen Folgen (z. B. hohe Energiepreise, die einen wirtschaftlichen Abschwung vorantreiben, hoher Auftragsbestand) wirken sich nicht auf die Frachtpreise auf dem Spotmarkt aus. Meine allgemeine Schlussfolgerung lautet also, dass sich der Abwärtstrend aus präexistenten Trends ergibt, die hauptsächlich mit einer Verlangsamung der Nachfrage und folglich einer Verringerung der Engpässe auf der Angebotsseite zusammenhängen”.

Ross Fothergill, Operations Manager bei GMT Shipping mit Sitz in Hongkong, glaubt ebenfalls, dass der Abwärtsdruck letztendlich zu einem Rückgang der Frachtraten führen wird. Er antwortete:

Richtig: Unmittelbar haben wir zwar mit dem Aufwärtsdruck zu tun, aber es wird nicht lange dauern, bis der von Ihnen skizzierte Abwärtsdruck auftaucht. Da die Häfen in Russland und am Schwarzen Meer gesperrt sind, gibt es weniger Handelswege, was letztendlich dazu führen wird, dass mehr Kapazität erhältlich sein wird. Und ja, auf der Seite der Verhaltensökonomie – mit Putin, der sogar Atomwaffen erwähnt – wird die Verbraucherstimmung nach unten tendieren.“

Ein weiterer Diskussionsteilnehmer war Pablo Rodas-Martini, der Experte für Dekarbonisierung der Schifffahrt. Er nannte das Lockdown-Ende und die Konsumgewohnheiten (Abkehr von Waren in Richtung der Dienstleistungen) als „tiefgreifenden, kraftvollen Trend“.

In Kriegszeiten ist der Cargo von Tankern und Massengutfrachtern viel kritischer als der Cargo von Containern“, fügte Rodas-Martini zu.

Tags