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Quelle: Adobestock / studio v-zwoelf

Droht ab 2027 ein Preis-Hammer an den Zapfsäulen?

Sollten sich negative Szenarien bewahrheiten, ist mit einer regelrechten Explosion der Spritpreise ab 2027 quasi über Nacht zu rechnen.

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Der Europäische Emissionshandel ist das Hauptinstrument der Europäischen Union zur Reduktion klimaschädlicher Treibhausgasemissionen und spielt eine entscheidende Rolle bei der Erreichung der Klimaziele der EU. Das System wurde 2005 eingeführt und ist das international erste und bislang größte Handelssystem für Treibhausgase. Bis dato wurde das System mehrmals überarbeitet.

Ab 2027 sind weitere bedeutende Änderungen im ETS geplant: ein zweites Emissionshandelssystem soll Gebäude, den Straßenverkehr und die Nutzung fossiler Brennstoffe in bestimmten industriellen Sektoren umfassen. ETS II soll die nationalen CO2-Festpreise des Brennstoffemissionshandels (BEH) ersetzen, was bedeutet, dass der Preis durch den Markt bestimmt wird. Ziel des ETS II ist es, die Emissionen um 43 Prozent gegenüber 2005 bis 2030 zu reduzieren.

Benzinpreise werden über Nacht explodieren

Im Oktober 2023 hat die Denkfabrik Agora Verkehrswende eine Untersuchung “Der CO2-Preis für Gebäude und Verkehr. Ein Konzept für den Übergang vom nationalen zum EU-Emissionshandel”vorgestellt, die zeigt, dass die Überführung des Verkehrssektors in den Europäischen Emissionshandel zu einer sehr steilen CO2-Preisentwicklung sofort nach Ende der sogenannten BEHG-Festpreisphase (2026/2027) führen könnte. Die Organisation warnt, dass Preise von rund 200 Euro und mehr pro Tonne CO2 durchaus möglich sind. Folglich droht auch eine wahre Preisexplosion an den Zapfsäulen, da laut der Studie ab 2027 Benzin quasi über Nacht sprunghaft steigen könnte: Die Autoren des Berichts beziffern, dass der CO2-Preisanstieg drastische Kostensteigerungen für Benzin und Diesel um bis zu 38 Cent pro Liter verursachen könnte. Zusätzlich könnten die Preise für Erdgas um etwa 3 Cent pro Kilowattstunde steigen.

Deutschland droht die Klimaziele zu verfehlen

Die Untersuchung betont, dass je weniger die Emissionen sinken werden, desto höher die Preise ausfallen. Dabei droht Deutschland auch die europäischen Klimaziele zu verfehlen, die aus der EU-Klimaschutzverordnung (VO 2018/842), resultieren und zu einer Reduktion der nationalen Emissionen um 50 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 2005 verpflichten.
Die Experten gehen davon aus, dass Deutschland im Zeitraum von 2021 bis 2030 etwa 152 Mt CO2-Äquivalente mehr ausstoßen wird als erlaubt, da vor allem im Bereich Verkehr und Gebäude ein politisches Konzept für den Übergang bislang fehlt und die Einhaltung der Klimavorgaben sich schwierig gestaltet, da die Emissionen bislang steigen und nicht sinken.

In der Untersuchung wird die Transport- und Logistikbranche zwar nicht explizit erwähnt, aber im Zuge der Anpassungen des CO2-Preises nach 2027 wird diese ebenfalls vor signifikanten Herausforderungen stehen.Die offensichtlichste Auswirkung ist die Steigerung der Betriebskosten, vor allem durch höhere Kraftstoffpreise. Transportunternehmen, die stark auf Diesel-LKW angewiesen sind, könnten besonders hart getroffen werden. Diese Kosten könnten entweder zu höheren Preisen für Endverbraucher führen oder die Gewinnmargen der Unternehmen schmälern, wenn diese nicht in der Lage sind, die Kosten an ihre Kunden weiterzugeben.

Politik muss handeln

Um hohe Preisspitzen zu vermeiden und die gesellschaftliche Akzeptanz für ETS II zu sichern, betont der Bericht die Notwendigkeit, den Emissionshandel als Teil eines breiten Mixes aus klimapolitischen Instrumenten einzusetzen wie beispielsweise der Förderung von Infrastruktur für klimafreundlichen Verkehr, bei gleichzeitiger Einführung von Maßnahmen für den sozialen Ausgleich in Form eines Klimageldes oder der Senkung der Stromsteuer.

Auch der derzeitige nationale Brennstoffemissionshandel (BEH) mit seinen niedrigen Festpreisen wird als nicht ausreichend kritisiert, um einen wirksamen Übergang zum ETS II zu gewährleisten. Laut den Autoren der Untersuchung hätte der nationale Festpreis bereits in 2024 auf 60 Euro pro Tonne CO2 erhöht werden sollen, um einen sprunghaften Preisanstieg bei Einführung des ETS II zu vermeiden und die Emissionsreduktion bereits vor dessen Start zu fördern.Ein früheres Eintreten in die Handelsphase innerhalb fester Preiskorridore ab 2025 wäre ebenfalls vorteilhaft.

Sollte es gelingen, effektive zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen und ein ordentliches politisches Konzept für die Überführung in das ETS II zu entwickeln, könnten nicht nur die CO2-Emissionen signifikant reduziert werden, aber zwischen 2027 und 2032 staatliche Einnahmen in Höhe von 180 Milliarden generiert werden, andernfalls steht Deutschland vor einem klimapolitischen Problem.

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