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Viele Transportkapazitäten bleiben derzeit ungenutzt – wann ändert sich die Situation?

In unseren Artikeln widmen wir uns regelmäßig den Entwicklungen der Transportraten und analysieren die gesamtwirtschaftliche Lage, um Rückschlüsse auf die Güternachfrage und den daraus resultierenden Transportbedarf zu ziehen. Doch wie steht es aktuell um die Verfügbarkeit der Verkehrsträger? Diese Frage hat Verlader und Importeure während der Pandemie häufig um den Schlaf gebracht. Wochenlange Verzögerungen bei den Anlieferungen in den Häfen und ein akuter Mangel an Fahrern führten zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Abwicklung aller Transportaufträge.

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Eines der drängendsten Probleme im Seetransport bezüglich der Verfügbarkeit von Transportkapazitäten ist der enorme Auftragsbestand für neue Containerschiffe. Laut dem neuesten Bericht von Transport Intelligence (TI), dem „2024 Supply Side Outlook by Transport Mode“, beläuft sich die Gesamtkapazität der derzeit bestellten Schiffe auf 7,5 Millionen TEU (Zwanzig-Fuß-Standardcontainer), was rund 30 Prozent der Kapazität der bestehenden Flotte entspricht.Diese Bestellungen wurden hauptsächlich zwischen 2020 und 2022 während des Pandemie-bedingten Booms aufgegeben. Wie wir kürzlich berichteten, verlassen derzeit rekordverdächtig viele neue Schiffe die Werften. Der Höhepunkt dieses Booms steht jedoch noch bevor: Die meisten dieser Schiffe werden voraussichtlich zwischen 2025 und 2026 in Dienst gestellt.Üblicherweise wird ein Boom in den Aufträgen von einem Flottenwechsel begleitet, da ältere Schiffe ausgemustert werden. In den letzten Jahren wurden jedoch vergleichsweise wenige Schiffe verschrottet, was vor allem während der COVID-19-Pandemie an der hohen Nachfrage nach Schifffahrtsdiensten und der begrenzten Verfügbarkeit durch Hafenüberlastungen lag. Jedes verfügbare Schiff, auch ältere Modelle, konnte zu hohen Preisen eingesetzt werden. Obwohl die Reeder derzeit keinen Mangel an neuen Schiffen beklagen, zögern sie mit der Verschrottung älterer Einheiten.Dennoch prognostiziert TI, dass die Zahl der verschrotteten älteren Schiffe zunehmen wird. Diese Entwicklung wird vor allem durch die geringere Wirtschaftlichkeit älterer Schiffe in Bezug auf den Treibstoffverbrauch und die damit verbundenen höheren Kosten getrieben. Zudem werden auf dem Markt zunehmend Schiffe bevorzugt, die mit umweltfreundlicheren Treibstoffen wie LNG, Methanol oder Ammoniak betrieben werden.

Ein entscheidendes Element der Schiffskapazitäten bilden die Container selbst. Während des Pandemie-Booms in den Jahren 2020 und 2021 herrschte ein deutlicher Mangel an verfügbaren Containern. Diese verharrten wochenlang auf Schiffen, die darauf warteten, in Häfen einfahren zu dürfen, und blieben anschließend an den Kais liegen, um abgeholt zu werden. Diese Situation führte zu einer massiven Steigerung der Produktion von Containern, wodurch diese nun in großem Umfang verfügbar sind. Es wird erwartet, dass mittelfristig keine Knappheit an Containern herrschen wird.

Ein weiterer kritischer Aspekt des Seeverkehrs, der häufig übersehen wird, ist die Kapazität der Terminals und die zugehörige Verkehrsinfrastruktur. Während der Pandemie von 2020 bis 2022 waren die Terminals in Nordamerika und Europa stark überlastet. Auch die Anbindungen wie Eisenbahn und Binnenschifffahrt (in Europa) konnten das hohe Frachtaufkommen nicht bewältigen. Die Autoren des Berichts weisen darauf hin, dass dieses Problem weiterhin besteht. Bei einem erneuten Anstieg der Frachtnachfrage wird die unzureichende Zugangsinfrastruktur erneut einen negativen Einfluss auf die Frachtraten haben, insbesondere wenn Häfen nicht effizient entladen werden können.

Infrastrukturelle Herausforderungen und Nearshoring

Die Diversifizierung der Lieferquellen in den letzten zehn Jahren – von China in andere asiatische Länder oder nach Mittelamerika – hat nicht nur zu einer Erhöhung der Transportkosten geführt, sondern auch zu Staus und Verzögerungen beigetragen. Ein entscheidender Faktor dabei ist die oft unzureichende Infrastruktur in den neuen Produktionsländern. Als markantes Beispiel wird Bangladesch angeführt, das sich zu einem der weltweit führenden Bekleidungshersteller entwickelt hat. Der Ausbau des größten Hafens des Landes hinkt jedoch hinterher, was die effiziente Abwicklung internationaler Aufträge erschwert.

Wichtige Kapazitätsengpässe betreffen auch die beiden bedeutendsten Kanäle für den Seeverkehr: den Panama- und den Suezkanal. Obwohl viele der Probleme, wie die Dürre in Panama oder die Krise in der Vorkammer des Suezkanals im Roten Meer, außerhalb der Kontrolle der Betreiber liegen, hätten einige Situationen durch angemessene Investitionen vermieden werden können. Ein prägnantes Beispiel ist die Blockade des Suezkanals durch das Containerschiff „Ever Given“. Erst nach diesem Vorfall begannen die Arbeiten zur Erweiterung des Kanals, um zukünftige Probleme zu minimieren.

Wiederbelebung der Luftfrachtkapazitäten

Während der COVID-19-Pandemie wurde das Kapazitätsangebot im Luftverkehr stark beeinträchtigt, insbesondere durch die Einstellung des Passagierverkehrs, der einen wesentlichen Teil des Gesamtkapazitätsangebots darstellt. Die steigende Nachfrage, besonders aus der Pharmaindustrie, ließ die Luftfrachtraten ähnlich wie im Seeverkehr stark ansteigen. Seit der Wiederaufnahme der Passagierflüge hat sich die Frachtkapazität jedoch erholt: Im Januar dieses Jahres war sie um 25 Prozent höher als im Vorjahr, was auf einen Anstieg des Passagieraufkommens um mehr als 16 Prozent zurückzuführen ist. Diese Entwicklung hat nicht nur die Gesamtkapazität erhöht, sondern auch die Luftfrachtraten beeinflusst, da die Verfügbarkeit von Frachtraum in Passagierflugzeugen hauptsächlich von der Nachfrage nach Passagierverkehr abhängt. Experten von TI prognostizieren, dass der verfügbare Frachtraum in Passagierflugzeugen mittelfristig weiter zunehmen wird, besonders da der Passagierverkehr noch nicht das Niveau vor der Pandemie erreicht hat.

Im Gegensatz dazu haben Kurierriesen wie FedEx und UPS Maßnahmen ergriffen, um das Wachstum ihrer Flotten zu begrenzen oder sogar zu reduzieren. FedEx hat kürzlich 29 Flugzeuge aus dem Betrieb gezogen und plant, innerhalb der nächsten zwei Jahre 26 neue Flugzeuge in Betrieb zu nehmen. UPS hat im letzten Jahr zahlreiche Piloten vorzeitig in den Ruhestand geschickt, was auf einen Rückgang der Einnahmen aus dem elektronischen Handel in den USA zurückzuführen ist. Interessanterweise werden Passagierflugzeuge, die während der Pandemie zu Frachtflugzeugen umgebaut wurden, nun wieder für die Beförderung von Passagieren umgerüstet, was die dynamische Anpassungsfähigkeit der Branche unterstreicht.

Neue Akteure und wachsende Kapazitäten auf dem Luftfrachtmarkt

Traditionelle Luftfrachtunternehmen sehen sich zunehmend starker Konkurrenz ausgesetzt. Amazon hat in den letzten Jahren eine Luftflotte aufgebaut, die inzwischen ein ähnliches Volumen wie die Branchenriesen FedEx oder UPS erreicht. Das Unternehmen hat eigene Luftdrehkreuze entwickelt und deutet an, dass es über die Abwicklung seiner eigenen Bestellungen hinaus expandieren und zu einem direkten Konkurrenten dieser Giganten werden könnte.

Zudem drängen große Reedereien in den Luftfrachtmarkt. CMA CGM kooperiert mit den Fluggesellschaften Air France und KLM, um seine Luftfrachtsparte zu erweitern. Derzeit besitzt CMA CGM fünf eigene Flugzeuge, mit geplanten Zusätzen in den Jahren 2024 und 2026. Auch die Reederei Maersk hat ihre Luftflotte auf 14 Flugzeuge ausgebaut und plant, in den kommenden Jahren weitere fünf hinzuzufügen. Der Seefrachtführer MSC hat ebenfalls 2022 eine eigene Luftfahrtsparte gegründet. Diese Expansionen werden durch die erheblichen Gewinne möglich, die die Reedereien während der Pandemie erwirtschaftet haben.

Was die Kapazitäten betrifft, so war der load factor, also die Auslastung des verfügbaren Laderaums, Ende Januar 2024 nur bei 45,7 Prozent, hat jedoch seitdem zugenommen. Diese Entwicklung ist wahrscheinlich auf ein gestiegenes Interesse an der Luftfracht zurückzuführen, das durch Verzögerungen bei der Seefracht infolge der Krise am Roten Meer ausgelöst wurde. Obwohl die Flotten ausgebaut werden, wird der Prozess durch Produktionsprobleme bei Boeing gehemmt.
Trotz gelegentlicher Nachfrageschübe, wie jene während der Krise am Roten Meer, erlebt der Luftverkehrsmarkt aufgrund des wirtschaftlichen Abschwungs allgemein ein Überangebot. Signifikante Preissprünge sind unter diesen Bedingungen nicht zu erwarten.

Fahrermangel fordert Unternehmen nach wie vor heraus

Im Vergleich zum See- und Luftverkehr zeigt sich das Angebot an Straßenverkehrskapazitäten in Europa und Nordamerika derzeit als wesentlich stabiler und weniger anfällig für Schwankungen. Trotz seines ausgeprägten regionalen Charakters und geringerer Sensibilität für internationale Handelsschwankungen, steht der grenzüberschreitende Straßenverkehr vor Herausforderungen. Wir thematisieren oft das anhaltende Problem des Fahrermangels, das während des Pandemie-Booms besonders spürbar war. Studien zeigen, dass in Europa rund eine halbe Million Fahrer fehlen. Dieses Problem könnte sich aufgrund der Altersstruktur der LKW-Fahrer weiter verschärfen.

Obwohl der Fahrermangel in den Jahren 2020 bis 2022 akut war, hat sich die Situation im Jahr 2023 verbessert, was allerdings weniger auf neue Fahrer oder zusätzliche LKW zurückzuführen ist, sondern vielmehr auf einen Rückgang der Nachfrage. Logistikunternehmen wie DSV und Kühne + Nagel haben finanzielle Einbußen verzeichnet, was vor allem auf sinkende Mengen und Tarife im Straßengüterverkehr zurückzuführen ist. So sanken bei DSV die Umsätze im Bereich Straßengüterverkehr um mehr als 6 Prozent, bei der Schweizer Gruppe sogar um 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Gegen Ende 2023 führte das geringe Angebot und der Fahrermangel anfangs zu einem „Überangebot an Kapazitäten“ bei DSV, was den Wettbewerb verschärfte und die Tarife weiter drückte. Trotzdem konnte DSV die Rentabilität aufrechterhalten, was darauf zurückzuführen ist, dass viele große Betreiber selten eine eigene Flotte haben und hauptsächlich mit Subunternehmern arbeiten.

Kurzfristig, noch innerhalb dieses Jahres, wird der Straßentransportmarkt durch die weiterhin geringe Nachfrage, die langsam in einigen europäischen Ländern erwacht, geprägt. Preiserhöhungen sind daher unwahrscheinlich. Mittelfristig jedoch könnte ein wirtschaftlicher Aufschwung und eine steigende Nachfrage das latente Problem des Fahrermangels schnell wieder in den Vordergrund rücken. Besonders problematisch ist das Desinteresse junger Menschen an diesem Beruf und der hohe Anteil an Fahrern, die kurz vor dem Ruhestand stehen. Der Kampf um qualifizierte Fahrer und die Einwanderung von Arbeitskräften wird sich voraussichtlich intensivieren.

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