In der Europäischen Union werden jährlich zwischen 18 und 40 Milliarden Rechnungen ausgestellt – das sind über 500 Rechnungen pro Sekunde. Doch laut Daten der Europäischen Kommission wird fast die Hälfte dieser Rechnungen verspätet bezahlt, also nicht innerhalb der vertraglich oder gesetzlich vorgeschriebenen Fristen. Diese Zahlungsrückstände haben schwerwiegende Folgen: Sie belasten die Liquidität von Unternehmen, treiben die Finanzierungskosten in die Höhe, hemmen Wachstum und Investitionen, führen zu Personalabbau und enden im Extremfall mit Insolvenzen.
Die seit 2011 geltende EU-Richtlinie sollte dieses Problem eindämmen, doch eine nachhaltige Lösung blieb bislang aus. Daher legte die Kommission im September 2023 einen neuen Verordnungsvorschlag vor, der die bisherige Richtlinie ablösen soll.
Im April 2024 unterstützte das Europäische Parlament diesen Vorschlag mit 459 Ja-Stimmen in erster Lesung. Seitdem jedoch liegt das Dossier beim Rat der EU auf Eis. Einige Mitgliedstaaten fordern, den Entwurf zurückzuziehen und stattdessen die bestehende Richtlinie zu überarbeiten.
Am 11. Juli informierte das polnische Ministerium für Entwicklung und Technologie über laufende öffentliche Konsultationen der EU-Kommission. Ziel ist es, die Meinungen von Branchenvertretern einzuholen, wie Zahlungsverzögerungen wirksam bekämpft werden können und welche Auswirkungen diese auf den Geschäftsalltag haben. Die Ergebnisse sollen helfen, ein aktuelles Bild der Zahlungskultur in Europa zu zeichnen und effektivere rechtliche Maßnahmen zu entwickeln.
Transportbranche besonders betroffen
Gerade die Transport- und Logistikbranche kämpft seit Jahren mit verspäteten Zahlungen, die die Liquidität direkt beeinträchtigen. Das Problem gefährdet nicht nur Investitionen, sondern auch die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs vieler Transportunternehmen, die häufig mit niedrigen Margen arbeiten. Die EU-Kommission ruft daher insbesondere Akteure der Transportbranche zur Teilnahme an den Konsultationen auf.
Spanien als Beispiel für konsequente Gesetzgebung
Spanien geht hier bereits einen konsequenten Weg: Seit Oktober 2021 gilt dort ein strenges Gesetz gegen Zahlungsverzug im Straßengüterverkehr, das empfindliche Geldstrafen vorsieht. Verspätete Zahlungen gelten als schwerwiegende oder sehr schwerwiegende Verstöße, mit Bußgeldern von bis zu über 30.000 Euro.
Das Resultat: Nach aktuellen Zahlen des „Ständigen Observatoriums für Zahlungsverzug“ hat sich die durchschnittliche Zahlungsfrist im Juni 2025 auf rekordverdächtige 60 Tage verkürzt – ein Rückgang um 30 Prozent gegenüber 2021. Demnach werden inzwischen 77 Prozent der Transaktionen innerhalb von 60 bis 90 Tagen beglichen, während die Zahl der Unternehmen mit Zahlungsfristen über 120 Tagen kontinuierlich sinkt.
Schwarze Liste und wirksame Sanktionen
Ein zentrales Instrument der spanischen Gesetzgebung ist das öffentliche Register („Schwarze Liste“) säumiger Zahler im Transportsektor. Darin werden Unternehmen gelistet, die wegen verspäteter Zahlungen im Straßengüterverkehr mit Bußgeldern belegt wurden.
In der zweiten Jahreshälfte 2024 wurden über 300 Unternehmen mit Strafen von insgesamt mehr als 720.000 Euro belegt. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2024 belief sich die Gesamtsumme der Sanktionen auf fast zwei Millionen Euro. Auf der aktuellen Liste finden sich namhafte Logistikunternehmen wie ID Logistics Iberia, DSV Road Spain und DHL Freight Spain. Die verhängten Bußgelder lagen zwischen 1.001 und 20.005 Euro. Neben einer strafenden Wirkung sollen diese Maßnahmen auch abschreckend und präventiv wirken.
Europa steht unter Zugzwang
Obwohl das Europäische Parlament 2024 bereits einen Text für die neue Verordnung verabschiedet hat, der unter anderem eine maximale Zahlungsfrist von 30 Tagen und ein einheitliches Sanktionssystem vorsieht, blockiert der EU-Rat das weitere Verfahren. Die dänische Ratspräsidentschaft hat das Thema bislang nicht auf ihre Prioritätenliste gesetzt.
Der spanische Fall zeigt jedoch deutlich: Entschlossenes Handeln kann zu spürbaren Verbesserungen führen. Die Frage bleibt, ob auch die Europäische Union rechtzeitig Konsequenzen zieht, bevor weitere Unternehmen in der Zahlungskrise untergehen.