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Polen hofft auf positiven Effekt der neuen Seidenstraße

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Polens geografische Lage lässt dem Land bei der chinesischen Initiative der neuen Seidenstraße eine strategische Rolle zukommen. Der kürzeste Landweg von China nach Westeuropa führt durch Polen. Aus Sicht von Pawel Moskała, Geschäftsführer des Logistikunternehmens Real Logistics, hat Polen deshalb die Chance, zur Drehscheibe für Mittel- und Osteuropa zu werden.

Nach den Vorstellungen des Unternehmens könnte Polen Sendungen aus China beispielsweise an die baltischen Staaten, Tschechien oder auch Österreich verteilen. Entwicklungspotenzial sieht Moskała aber besonders beim Export nach China. Bisher haben die Züge aus Polen in das Reich der Mitte noch viele freie Kapazitäten. Waren aus Polens Nachbarländern könnten diese füllen.

Beim Zugverkehr zwischen China und Europa spielt besonders das Umschlagterminal in Małaszewicze eine entscheidende Rolle. Es liegt zehn Kilometer von der Grenze zu Belarus entfernt. In einem der größten multimodalen Logistikzentren der Europäischen Union (EU) wird von der breiten auf die normale Spurbreite gewechselt.

Wie Czesław Warsewicz, Präsident des staatlichen Logistikunternehmens PKP Cargo, berichtet, fuhren 2018 rund 75 Prozent der insgesamt 6.300 Züge, die zwischen China und Europa verkehrten, über Polen. Allerdings wurden nach Angaben von Warsewicz nur 25 Prozent von ihnen auch in Polen umgeschlagen. Hier sieht PKP Cargo deutliches Potenzial. Einen zusätzlichen Impuls für die weitere Entwicklung des Zugverkehrs am polnischen Terminal könnte das im August 2018 zwischen PKP Cargo und der Stadtverwaltung von Zhengzhou, Hauptstadt der chinesischen Provinz Henan, unterschriebene Memorandum of Understanding (MoU) bringen.

Małaszewicze Nadelöhr der Seidenstraße?

Unternehmen in Polen blicken allerdings mit Sorge auf das Terminal in Małaszewicze. Ihrer Meinung nach sind die Kapazitäten zu gering und es sind hohe Investitionen nötig, um die Entwicklung des Standortes nicht zu gefährden.

Die Eisenbahngesellschaften signalisieren große Probleme beim Terminal in Małaszewicze. Aus unserer Sicht ist ein Terminal bei weitem nicht ausreichend, wenn wir den Ehrgeiz haben, mehr Güter aus Asien zu transportieren, sagt Ignacy Góra, Präsident des Amtes für Eisenbahnverkehr (Urząd Transportu Kolejowego, UTK).

Nach Ansicht von Steffen Bobsien, Vorstandsvorsitzender der DB Cargo Polska, sollten nicht nur ausschließlich neue Terminals in Malaszewicze gebaut werden. Neben der Einführung neuer Innovationen müssten nach Meinung des Unternehmers auch die administrativen Prozesse am Grenzübergang dringend digitalisiert und automatisiert werden. Der Anteil manueller Prozesse sollte nach Bobsiens Vorstellungen auf ein Minimum reduziert werden, um die Durchgangszeiten zu optimieren.

Wie der Vorstandsvorsitzende berichtet, stehen die Züge in der Regel einen Tag, manchmal bis zu zwei Tage an der Grenze in Małaszewicze. Eine Vorhersehbarkeit der Transportzeit sei daher sehr schwer.

Polen bleibt für uns die beste Alternative, aber es gibt auch andere Optionen als Małaszewicze, ergänzt Bobsien.

Er befürchtet, dass Polen seine Position verlieren könnte, sollte nicht schnell genug in die Infrastruktur investiert werden.

PKP Cargo will in sein Terminal investieren

Der Betreiber des Terminals PKP Cargo weist Vorwürfe bezüglich begrenzter Kapazitäten zurück und berichtet, dass 40 Prozent freie Kapazitäten vorhanden seien. Zusätzlich soll das Terminal erweitert werden. Die Arbeiten sollen Ende 2020 abgeschlossen sein. Im März 2019 verkündete das Unternehmen außerdem den Kauf von mehr als 900 intermodalen Güterwagen der slowakischen Firma Tatravagonka.

Anfang des Jahres 2019 hat PKP Cargo weitere 200 Wagen ausgeschrieben. Eine Entscheidung diesbezüglich war bis Juni 2019 nicht bekannt. Darüber hinaus plant das Unternehmen, die Kapazitäten des Terminals langfristig weiter auszubauen. Das verkündete PKP Cargo im August 2018. Bis 2026 sollen die Kapazitäten vervierfacht werden. Konkrete Pläne dazu gibt es bisher allerdings nicht. Um in Zukunft das Problem des Wechsels der Bahnstromsysteme an der Grenze zu umgehen, soll nach Aussage von Warsewicz außerdem in Mehrsystem-Lokomotiven investiert werden.

Grenzübergang soll ausgebaut werden

Ein Ausbau des Terminals in Malaszewicze erscheint insbesondere im Hinblick auf die neuesten Ankündigungen des für die Bahninfrastruktur zuständigen Unternehmens PKP Polskie Linie Kolejowe (PKP PLK) notwendig. Dieses möchte den naheliegenden Grenzübergang zu Belarus in Terespol ausbauen. In Zukunft sollen 40 bis 50 Güterzüge pro Tag abgefertigt werden können. Gegenwärtig liegt die Kapazität bei 14 Zügen am Tag. PKP PLK hat bereits Planungsarbeiten in Auftrag gegeben. Die Bauarbeiten sollen zwischen 2022 und 2024 stattfinden. Neben Parkplätzen soll zudem eine Brücke über den Fluss Bug gebaut werden.

Zusätzlich plant das Unternehmen, die Kapazitäten am Bahnübergang in Medyka im Südosten des Landes an der Grenze zur Ukraine auszubauen. Hier soll der Umbau von Gleisen, Weichen und Oberleitungen fortgesetzt werden. Nach Aussage des Unternehmens soll nach Abschluss der Arbeiten eine effizientere Bearbeitung von langen und schweren Güterzügen möglich sein.

Eine Herausforderung für die Bahnunternehmen in Polen bleibt die veraltete Gleisinfrastruktur. Verschiedene Investitionsprogramme der polnischen Regierung sollen hier Abhilfe schaffen. Zwischen 2014 und 2023 stehen mehr als 20 Milliarden Euro zur Verfügung. Primäres Ziel ist die Erhöhung der Geschwindigkeiten im Personen- und Güterverkehr. Im Durchschnitt erreichen Güterzüge in Polen derzeit nur rund 20 Kilometer pro Stunde (km/h). Nach Abschluss der Bauarbeiten sollen die Geschwindigkeiten in vier bis fünf Jahren nach Aussage von PKP PLK bei 40 km/h liegen.

Eine entscheidende Rolle für den Güterzugverkehr auf der neuen Seidenstraße spielt die Modernisierung der Eisenbahnlinie E20 zwischen Siedlce und Terespol. Im Rahmen der im März 2018 begonnenen Bauarbeiten sollen bis August 2020 Gleise und Bahnhöfe entlang der Strecke erneuert werden. Aktuell läuft die dritte und letzte Bauphase zwischen Biala Podlaska und Terespol. PKP PLK investiert insgesamt 116 Millionen Euro in die Modernisierung. Der Großteil davon kommt aus europäischen Fördertöpfen.

Interessant für deutsche Unternehmen wird zudem die für September 2019 geplante Eröffnung der neuen Bahnverbindung auf der Strecke Poznań (Posen) – Duisburg sein. Dabei handelt es sich um ein Pilotprojekt. Die von PKP Cargo in Zusammenarbeit mit dem Duisburger Hafenmanagement betriebene Strecke soll zukünftig für Züge aus Wrocław (Breslau), Warschau, Małaszewicze und Kaunas in Litauen erweitert werden.

Forderungen nach einem zentralen Umschlagterminal werden lauter

Neben dem Ausbau der Kapazitäten in Malaszewicze wird in Polen auch immer häufiger von der Notwendigkeit eines großen Umschlagterminals im Zentrum des Landes gesprochen. Von hier aus sollen die Waren dann auf Lkw umgeladen werden können. Als Standort würde sich nach Ansicht von Experten die Umgebung von Łódź (Lodsch) eignen.

Neben dem Knotenpunkt der Autobahnen A1 und A2 sprechen die Beziehungen von Łódź mit der chinesischen Stadt Chengdu für den Standort. Bereits seit 2013 gibt es eine Zugverbindung zwischen den beiden Städten. Im gesamten ersten Jahr waren es zusammen zehn Züge, 2018 verkehrten bereits fünf bis sechs Züge pro Woche. Mittlerweile unterhält die lokale Regierung der Woiwodschaft Łódź ein Büro in Chengdu und die chinesische Provinz Sichuan (in welcher die Stadt Chengdu liegt) eines in Łódź. Im Juni 2015 unterzeichneten die beiden Regionen zudem ein MoU.

Organisiert wird die Zugverbindung zwischen den beiden Städten von der in Łódź ansässigen Logistikfirma Hatrans. Nach Aussage des Vorstandsmitglieds Jarosław Żak prüft das Unternehmen die Möglichkeit, eine neue Fläche für den Bau eines Logistikterminals zu erwerben. Wie groß das neue Terminal werden soll, sei aktuell schwer zu bestimmen. Dies hänge von der chinesischen Seite ab, sagt der Präsident des Unternehmens Tomasz Grzelak.

Foto: Flickr/ Nicky Boogaard CC BY 2.0

 

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