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Seefrachtraten stabilisieren sich auf hohem Niveau, trotzdem stehen Reedereien vor vielen Herausforderungen

Nach dem drastischen Anstieg im Dezember und Januar haben sich die Seefrachtraten deutlich beruhigt, allerdings stehen die Reedereien weiterhin vor einer Reihe an Herausforderungen, die dazu führen könnten, dass die derzeit hohen Preise schon bald der Vergangenheit angehören werden.

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Der Konflikt im Roten Meer hat dazu geführt, dass die Containerpreise in die Höhe geschossen sind und sich auf einem Rekordniveau stabilisiert haben.
Im Februar dieses Jahres war der von Transport Intelligence erstellte Index für die weltweiten Seefrachtraten im Vergleich zu den vorangegangenen drei Monaten um 173,8 Prozent angestiegen. Der Preis für einen 40-Fuß-Container, der im November noch bei 1.411 US-Dollar lag, ist im Februar auf 3.864 US-Dollar gestiegen.

Wahrscheinlich sind wir damit am Ende der Preisanstiege angelangt. Während in der ersten Januarwoche ein dynamischer Anstieg von fast 87 Prozent zu verzeichnen war, lag der durchschnittliche Preisanstieg in den folgenden fünf Wochen bei nur noch 5,9 Prozent. Allerdings könnte diese Abflachung auf das Ende der Vorweihnachtszeit vor dem chinesischen Neujahrsfest zurückzuführen sein, betont Vicky Keckarovska, Leiterin des Frachtteams bei Transport Intelligence.

Dieser Trend spiegelt sich auch in den Daten von Drewry Maritime Consultants wider. Das letzte Update vom 14. März dieses Jahres zeigt, dass sich der weltweite WCI-Index auf einem Niveau von 3.162 US-Dollar (pro 40-Fuß-Container) platziert. Das sind 4 Prozent weniger als in der Vorwoche. Noch Anfang Dezember, vor Ausbruch der Krise am Roten Meer, lag der Index bei 1.661 US-Dollar. Ende Januar machte der Index einen Sprung nach oben auf 3.800 US-Dollar.Der Index für die Strecke Shanghai-Rotterdam lag dagegen bei 3 473 US-Dollar. Zum Vergleich: Ende Januar lag der Index noch bei 4 984 US-Dollar, wo er noch Mitte Dezember 2023 bei rund 1 400 Dollar für einen 40-Fuß-Container lag.

“Die Ruhe vor dem Sturm”

Haupttreiber für die Anstiege war die Einbeziehung des Seeverkehrs in das europäische Emissionshandelssystem ETS.Nach Ansicht der Analysten von Transport Intelligence ist es jedoch unwahrscheinlich, dass die Preise auf diesem strukturell hohen Niveau bleiben werden. Darüber hinaus schließen die Experten nicht aus, dass der Preisrückgang ebenso plötzlich und dynamisch erfolgen kann wie die letzten Preisanstiege.

Die Krise im Roten Meer hat zu einem starken Preisanstieg geführt, aber in den letzten Wochen hatte dies keinen direkten Einfluss auf die Preise mehr, da sich die Reedereien an die neue Realität gewöhnt haben. Im Falle eines plötzlichen Endes der Krise könnte es zu einem starken Preisverfall kommen, da dies die Einführung erheblicher zusätzlicher Kapazitäten in internationalen Gewässern bedeuten würde.Nicht zu vergessen ist auch der Order-Boom aus der Pandemie-Zeit, im Zuge dessen dieses Jahr die Flottenkapazitäten steigen werden. Erst Vor kurzem haben wir darüber berichtet, dass in den ersten Wochen dieses Jahres eine Rekordzahl neuer Schiffskapazitäten in See gestochen ist.
“Viele Schifffahrtsunternehmen und Verlader, die deren Dienste in Anspruch nehmen, gehen davon aus, dass die vergangenen Wochen und wahrscheinlich auch die kommenden Wochen die ‘Ruhe vor dem Sturm’ sein werden, bevor der Markt die Raten nach unten korrigiert”, heißt es in einem aktuellen Bericht.

Asiatisch-pazifischer Raum zieht an

Während die Seefrachtpreise zum Jahresende deutlich angestiegen sind, ist das Frachtaufkommen nur spärlich gewachsen. Im dritten Quartal 2023 war das Frachtaufkommen um 1,6 Prozent höher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Im letzten Quartal 2023 stiegen die Volumina um 1,2 Prozent im Vergleich zum Zeitraum Juli-September 2023.
Steigende Frachtmengen mögen in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs als positives Zeichen interpretiert werden. Allerdings finden die Anstiege im asiatisch-pazifischen Raum und auf den Strecken zwischen Asien und Nordamerika statt. In der Region Asien-Pazifik lagen die Volumina im vierten Quartal 2023 um 4 Prozent höher als ein Jahr zuvor.
Die Nachfrage nach Waren aus Asien ist in den Vereinigten Staaten nach wie vor relativ hoch. Darüber hinaus unterstützt die US-Nachfrage auch das Mengenwachstum zwischen den Ländern Asiens.

Die Nachfrage aus Europa, insbesondere aus Deutschland ist im Gegensatz gering: Europäische Verbraucher kaufen viel weniger. Laut Vicky Keckarovska trägt Europa wenig zur Nachfrage bei.
Paradoxerweise könnte die schwache Nachfrage auf dem Alten Kontinent dazu beigetragen haben, die durch die Krise am Roten Meer verursachten Störungen in den Lieferketten besser zu bewältigen. Diesmal gab es weder dramatische Lieferverzögerungen noch gigantische Hafenüberlastungen wie während der Pandemie oder der Suezkanalkrise im März 2021. Damals erlebten die Lieferketten angesichts der hohen Nachfrage der europäischen Verbraucher massive Störungen.

Gewinne gehen zurück

Wir haben bereits den Order-Boom erwähnt. Im Februar gab es auf Containerschiffen 6,2 Prozent mehr Kapazitäten als im Vorjahr. Es ist abzusehen, dass sich dieser Trend noch verstärken wird, da die Kapazität im Januar und Februar 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 12 Prozent gestiegen ist..
Wie die Experten von TI erläutern, ist die Kapazitätsauslastung der Reeder nach wie vor hoch, und obwohl die Gewinne im Vergleich zu den Rekordjahren 2021-2022 stark zurückgegangen sind, schreiben die Reeder weiterhin schwarze Zahlen. Dies bedeutet, dass die Reedereien immer noch in der Lage sind, mehr Schiffe in ihre Flotten aufzunehmen, ohne dass sich das auf die Geschäftszahlen auswirkt.

TI erinnert daran, dass die Reeder in der Vergangenheit in Zeiten des Wohlstands dazu neigten, übermäßig viele Schiffe zu bestellen, was langfristig zu sinkenden Preisen geführt hatte.
“Und auch heute ist die Auftragsliste für neue Schiffe so lang wie seit fast zehn Jahren nicht mehr”, heißt es in dem Bericht.
Traditionell haben diese Preisrückgänge zu finanziellen Problemen der Reeder und zu einem Prozess von Übernahmen und Fusionen auf dem Markt geführt. Heute ist der Markt ohnehin schon stark konsolidiert. Die Frage ist, ob es eine weitere Konsolidierung geben wird und ob die derzeitigen Marktgiganten in der Lage sein werden, sowohl die Preise als auch die Verfügbarkeit von Kapazitäten zu kontrollieren.

Rollercoaster bleibt 2024 aus

Nach einer Umfrage von Transport Intelligence erwarten Reeder, Logistiker und Verlader ein eher ruhiges Jahr ohne große Preis- oder Nachfrageschwankungen. Unternehmen gehen davon aus, dass sich der Ratenanstieg in den kommenden Quartalen beruhigen wird. Während noch im ersten Quartal mit einem deutlichen Anstieg gegenüber dem Vorquartal gerechnet wird, wird für das zweite Quartal bereits ein leichter Anstieg der Raten erwartet. Iin den letzten beiden Quartalen des Jahres werden die Preise voraussichtlich stagnieren.
Bei der Verbrauchernachfrage wird hingegen eine gegenläufige Entwicklung erwartet. Während in den ersten beiden Quartalen des Jahres 2024 mit einem eher spärlichen Anstieg der Aufträge zu rechnen ist, wird in der zweiten Jahreshälfte von einer höheren Konsumnachfrage ausgegangen.
Trotz der erwarteten Verbesserung des Konsumklimas lässt die Industrienachfrage immer noch zu wünschen übrig. Sie wird im Laufe dieses Jahres mehr oder weniger auf dem gleichen Niveau bleiben, gaben die von TI befragten Unternehmen an. Erst für das Jahr 2025 wird eine Verbesserung der Nachfrage aus dem verarbeitenden Gewerbe erwartet.

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