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Eine polnische Firma fordert Uber heraus. “Was kurzfristig günstig scheinen kann, wird mit der Zeit toxisch”

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Szymon Knychalski, Chefredakteur von Trans.INFO: Ihr Auftritt während des Hyperlog Logistics and Transport Future Forum in Lodsch fand einen starken Widerhall in der Branche. Sie haben den digitalen Speditionen, insbesondere dem Uber Freight, einen Fehdehandschuh hingeworfen und dieser hat ja kürzlich, während derselben Konferenz, seinen Marktauftritt in Polen angesagt.

Bogdan Kosturek, Vizegeschäftsführer für Technologie bei der Trans.eu-Plattform: Das ist eher ein Fehdehandschuh, der dem Modell der Markteroberung, welches Uber Freight vertritt, hingeworfen wurde. Und das basiert, in aller Kürze, auf Anwendung der bisherigen, verlockenden Frachtsätze und auf schnellen Zahlungen. Uber hat hierfür enorme Mittel, weil es von den Fonds des Silicon Valley finanziert wird. Das hat vor kurzem die Investmentbank Morgan Stanley in ihrer Analyse hervorragend dargestellt, obwohl Uber diesen Bericht natürlich nicht kommentierte. Langfristig wird es die Abschaffung des Wettbewerbs – hauptsächlich der traditionellen Speditionen zur Folge haben. Sie werden einfach nicht imstande sein, um Gunst der Transporteure zu Bedingungen einer nicht marktüblichen Spanne mithalten können. Ist dann der Markt auf diese Art und Weise bereinigt worden, können mehrere Spieler faktische Monopolisten werden. Sie werden die Transportunternehmen und Ablader abhängig machen und ihnen eigene Sätze diktieren können.

Uber Freight bestreitet aber, eine solche Strategie zu verfolgen. In seiner Präsentation während des des HyperLOG-Transport and Logistics Future Forum hat Daniel Buczkowski, der Expansionschef von Uber in Europa, betont, dass der Transport kein Markt sei, auf dem der Sieger alles nehme.

Natürlich hat er beruhigt, die Taktik läuft wohl darauf hinaus. Amazon könnte auch sagen, die Onlineshops seien auch kein Markt, auf dem der Sieger alles nehme und dass für jeden einen Platz gebe. Und trotzdem kann mit Amazon niemand in der Welt Schritt halten. Es hält 40 Prozent des gesamten – das will ich betonen – des gesamten E-Commerce-Marktes. Die Firma von Jeff Bezos, notabene des reichsten Menschen der Erde 2018, verfügt zurzeit über ein solches frei verfügbares Guthaben, dass sie grundsätzlich die Bedingungen diktieren kann. Am Rande füge ich hinzu, dass sie immer mutiger auf den Logistikmarkt kommt. Bitte erinnern Sie sich an eine Folie von der Präsentation Herrn Buczkowski, auf welcher er bei dem Marktsystem nur Ablader und Transportunternehmen zeigte. Es gab keine Speditionen. Sie wollen das nicht einmal verheimlichen.

Sie wollen dadurch wohl nicht sagen, dass die digitalen Speditionen den Markt total beherrschen werden. Es gibt ja dort viele Teilnehmer, die reicher sind als Uber und seine Investoren.

Nein, nicht ganz. Der Auftritt von Uber oder generell von den großen digitalen Speditionen bläst ja nicht die gesamte Speditionsbranche weg. Allein die kleinen und mittelgroßen Speditionen, die technologisch und finanziell nicht mithalten können, sind dann pleite. Sie werden insolvent, übernommen oder bestenfalls verstecken sich in einer Nische für Sonderladungen, die für Uber nicht attraktiv sind. Die großen und reichen logistischen Betreiber bleiben. Übrigens bereitet jeder von ihnen seine eigenen Lösungen vor, so etwas wie interne Börsen seiner Ladungen, mit welchen er die Transportunternehmen verlockt.

Die TMS, welche diese traditionellen Speditionen zurzeit anwenden, sind gewissermaßen bedroht. Nicht nur deswegen, dass sie Kunden verlieren, sondern auch deswegen, dass die digitalen Speditionen eine große Anzahl von Vorgängen, die mittels TMS durchgeführt werden, in sich sozusagen mittragen. Die Transportbörsen und so eine Börse waren wir bis vor kurzem noch, bevor wir uns in eine logistische Plattform verwandelten, sind bedroht. Und schließlich sind wirklich alle Transportunternehmen und Ablader, die die Möglichkeit verlieren werden, freie Wahl zu treffen, die für einen offenen Markt so wichtig ist, bedroht.

Also es wird eine einfache Konsolidierung erfolgen, etwas ganz normales auf dem freien Markt. Vielleicht gibt es keinen Grund, Angst einzujagen?

Die Minderung der Unternehmenszahl auf dem Markt ist nur eine Seite der Medaille. Viel wichtiger ist, dass sich die Branche nicht mehr so dynamisch entwickeln wird, wie sie bei der Blütezeit von Technologien, deren Zeitzeugen wir nun sind, sich entwickeln könnte.

Es werden nämlich isolierte Inseln von Transportunternehmen und Verladern um die digitalen Speditionen bzw. Betreiber oder sogar um die TMS (weil sie sich auch hier versuchen) geschlossen, erscheinen. Jeder von ihnen will die Transportunternehmen nur für sich selbst, in der eigenen App geschlossen, behalten. Neue Technologien werden in diesem Fall die komplizierten Probleme der Branche nicht lösen. Schauen Sie bitte darauf, dass die Nachfrage nach Transport regulär steigt und die Verfügbarkeit des Laderaums konstant ist oder sogar sinkt. Es fehlt an Kraftfahrern, ökologische Normen und gesunder Menschenverstand haben zur Folge, dass wir unsere Flotte nicht ins Unendliche vermehren können. Im Zusammenhang damit müssen wir möglichst effizient die Ressourcen nutzen, die wir bereits besitzen sowie aus jeder Strecke und aus jedem Auflieger möglichst viel herauspressen. Das hat uns die Technologie versprochen. Wenn alle diese Ressourcen auf geschlossenen Inseln voneinander isoliert sind, ist das nicht mehr möglich. Die Zusammenarbeit, das Teilen des Laderaums gibt es dann nicht mehr. Das ist keine echte Optimierung.

Ich erwähne schon gar nicht, dass jeder Ablader und jedes Transportunternehmen gezwungen sein wird, mehrere gesonderte Ökosysteme zu nutzen, um sein Geschäft effizient betreiben zu können. Wie viele solche Apps kann ein Disponent benutzen? Drei? Fünf? Oder zehn?

Wie sähe also eine optimale Lösung Ihrer Meinung nach aus?

Plattformisierung. Auf logistischen Plattformen sollen sich alle diese, auch kleinen Inseln-Speditionen, zusammenschließen und eine breite Gesellschaft von Transportunternehmen bilden. Und die andere Notwendigkeit ist, den traditionellen Speditionen Technologien zugänglich zu machen, durch welche jede von ihnen eine digitale Spedition werden kann. Wir bei Trans.eu haben genau ein solches Werkzeug erstellt und das ist eben dieser Fehdehandschuh, der Uber Freight und jeder Firma, welche den offenen Transportmarkt einschränken will, hingeworfen wird. Demzufolge würde ich das wohl keinen Fehdehandschuh, sondern eher einen Rettungsring für nachhaltigen Markt nennen. Wir wollen alle diese Inseln verbinden und erlauben, Informationen über freie Fahrzeuge und verfügbare Ladungen teilen. Das ist nicht nur für die Leistungsfähigkeit der gesamten Branche, sondern auch für die Ökologie von großer Bedeutung. Dafür ist unser neues Produkt entstanden.

Das klingt eher so, als ob sie das der Technologie übel nehmen würden und ihre Entwicklung stoppen möchten.

Ganz im Gegenteil! Wir kommen an die Technologie rational heran, kennen ihre Einschränkungen und wissen, wo das Probleme verursachen kann. Wir wollen aus ihr das Beste herausholen und Menschen von einfachen, routinemäßigen Entscheidungen befreien, welche die Algorithmen für sie treffen können. Sie werden dann das alles machen, was sie am besten machen und wo sie durch Maschinen nie ersetzt werden. Wir sind der Meinung, dass die traditionellen Speditionen mit ihrer Fachkompetenz, Beziehungen und Fähigkeiten, Konflikte sowie untypische Angelegenheiten zu lösen, bleiben müssen.

Denken Sie, dass die digitalen Speditionen keine hochqualifizierten Spezialisten haben? Hat Uber Freight solche nicht?

Diese hat es bestimmt. Und wenn es diese nicht hat, so zieht es diese aus traditionellen Speditionen auf jedem weiteren übernommenen Markt herazs. Es kann sich leisten. So oder so – die Menschen, traditionelle Speditionen, sogar die besten, können jedoch so viele Sachen nicht so einfach manuell machen, z.B. die künftigen Sätze mit einer solchen Genauigkeit einzuschätzen, wie das die digitalen Speditionen machen. Für die Ablader ist das ein sehr wichtiges Argument, sie erwarten es sogar. Solche Möglichkeiten, dank Algorithmen und maschinellem Lernen, gibt den Speditionen beispielsweise unsere neue Plattform Trans.eu. Wir geben ihnen die Waffen in Form von modernsten Technologien, weil wenn dieser Markt gerecht und sicher sein soll, so können wir unsere Ladungen den Händen anonymer Apps und anonymer Transportunternehmen nicht anvertrauen…

Meine nächste Frage betrifft eben die Sicherheit….

Weil das ein weiteres, sehr wichtiges Problem ist. Wissen Sie, ich wohne am Rande der Stadt und als Uber in Breslau erschien, war ich entzückt. Über Nacht zahlte ich für die Fahrten 30 Prozent weniger, ich sah in der App, wann das Auto nah ist, zahlte bequem mit Karte. Jetzt… nach einigen unangenehmen Situationen, die ich mit suspekten Fahrern hatte, nach mehreren Fahrten mit Autos, deren Zustand zum Himmel schrie… kehre ich zu traditionellen Taxis zurück.

Dasselbe Modell wird zurzeit auf die Güterfrachten übertragen. Wir, als Trans.eu, bekommen oft eins auf den Schädel, weil sich manchmal ein Vorfall, ein Diebstahl ereignet oder jemand nicht zahlen will. Klar, wir analysieren jeden Fall solcher Art ganz genau und sind auf uns selbst sauer, dass wir dies nicht früher erkannt haben. Der Unterschied ist, dass bei uns ein ganzes Stockwerk an Sicherheitsspezialisten und ein anderes für automatische prädiktive Algorithmen daran arbeitet. Und noch einmal machen “lebendige” Spediteure dieselbe Überprüfungsarbeit mit eigenen Kräften. Wir sind keine App von der Sorte “einmal runterladen und Ladungen beziehen”.

Eigentlich ja, Sie werden aber zugeben, dass die Spediteure eher keine gute Presse haben.

Das gebe ich zu. Das ist ein ernsthaftes Problem, an welchem Uber Freight auch gewinnt. Die Speditionen haben diesen Markt gebaut, die Speditionen sind für viele Transportunternehmen und Ablader der Garant von problemlos erledigten Frachten. Es gibt ein Wenn und Aber. Unter tausenden ehrlichen, professionellen Speditionen finden sich sicherlich einige Dutzend an Betrügern und Parasiten. Die gibt es auf jedem Markt. Die sozialen Netzwerke verzerren das Bild zusätzlich, weil sich ja niemand auf Facebook mit einem Tausend problemlos durchgeführten Transaktionen rühmt, sondern zum Unmöglichen jeden Zahlungsverzug aufbauscht…

Kein Grund zur Verwunderung – das ist ein weiteres, sehr ernsthaftes Übel der Branche. Vielleicht das ernsthafteste.

Das würde ich offen nennen: es ist eine Pathologie, dass die Transportunternehmen (die Spediteure übrigens auch) manchmal auf ihre Zahlung 90 oder sogar 120 Tage warten müssen. Wir haben vor, dieses zu ändern und schon im kommenden Jahr führen wir die Dienstleistung Quick Pay, wodurch jedes Transportunternehmen sein Geld innerhalb von 48 Stunden erhalten kann ein. Automatisch. Jede Spedition wird sich das leisten können. Wohlgemerkt geht es hier in der Tat ja nicht um das Geld an sich, sondern ums Vertrauen. Wenn die Partner schnell, gar automatisch aneinander zahlen, baut sich zwischen ihnen Vertrauen auf. Wir wollen ein Garant dieses Vertrauens sein.

In 48 Stunden? Nächstes Jahr? Verzeihen Sie mir meine Skepsis, aber dieses Problem kann niemand seit Jahren lösen…

Das ist unser Traum. Oder eher eine sehr große Herausforderung. Wenn die Branche, die ganze Branche, sich den Markt selbständig ordnen soll und nicht von mehreren reichen Firmen geordnet werden, so muss sie Alternativen haben, sie muss die Unterstützung haben, sie muss selbst solidarisch und bewusst sein, dass was kurzfristig sehr günstig scheinen mag, sich langfristig als toxisch entpuppen kann. Nur dann wird die Branche nicht nur technologisch smart, sondern auch fair – also ganz einfach gerecht, nachhaltig. Diese zwei Worte stehen seit eh und je an Wänden unserer Firma geschrieben.

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