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Foto: Virta / Martin Lundgren, Country Director für die nordischen Märkte bei Virta

Was wir an einem Freitag wissen, scheint sicher und verständlich zu sein, aber am Montag kann sich herausstellen, dass sich die Welt völlig verändert hat. Das A und O der Elektrifizierung des Straßenverkehrs

Es ist kein Geheimnis, dass die Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs ohne Ladeinfrastruktur nicht möglich ist. Virta, die am schnellsten wachsende Ladeplattform für Elektrofahrzeuge in Europa, ist einer der Akteure, die versuchen, die wachsende Nachfrage nach dieser Art von Infrastruktur zu befriedigen. Das Unternehmen kooperiert mit Nimbnet, einem schwedischen Betreiber von Ladestationen mit Standorten in Göteborg, Soderhamn, Sundsvall und Nordmailing.

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Das Netz soll dem schwedischen Logistiksektor dabei helfen, den Großteil der 85.000 schweren Fahrzeuge des Landes zu ersetzen. Um dieses Ziel zu erreichen, haben Virta und Nimbnet ihre Kräfte mit Kempower, einem Anbieter von Schnellladesystemen für Elektrofahrzeuge, gebündelt.

Bis Ende dieses Jahres soll ein Netz von Ladestationen aufgebaut und in Betrieb genommen werden. Das Endziel ist es, die bisher mangelnde Infrastruktur landesweit zu ergänzen, damit ganz Schweden mit E-Lastwagen bedient werden kann.

Während sich dies in Theorie einfach anhört, sieht die Realität etwas anders aus. Es gibt viele Faktoren zu berücksichtigen und viele schwierige Entscheidungen auf dem Markt zu treffen, der in rasantem Tempo wächst. Wie sollen die Ladestationen aussehen? Welche Ladegeräte sollten dort vorhanden sein? Wie sollten die Fahrer diese Infrastruktur nutzen? Dies sind nur einige der Fragen, mit denen sich Virta in seinem Bestreben, den schwedischen Straßenverkehr zu elektrifizieren, auseinandersetzen muss.

Im exklusiven Gespräch mit trans.info erzählt Martin Lundgren, Country Director für die nordischen Märkte bei Virta, von all diesen Problemen, beantwortet die wichtigsten Fragen und bespricht die Faktoren, die den Markt für Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge beeinflussen.

Gregor Gowans, Trans.Info: Warum investiert Schweden so stark in die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge?

Martin Lundgren, Country Director für die nordischen Märkte bei Virta:
Wie die meisten Schweden und wahrscheinlich auch Europäer wissen, sind Lastwagen, sei es von Scania oder Volvo, eines der wenigen Produkte, die in unserem Land noch hergestellt werden. Diese Hersteller sprechen sich definitiv für die Elektrifizierung aus. Sie äußern sich sehr lautstark zu diesem Thema und stehen zweifellos an der Spitze der Innovation in diesem Bereich.

Die schwedische Regierung hat ein Subventionsprogramm zur Finanzierung eines öffentlichen Netzes von Ladestationen für schwere Nutzfahrzeuge beschlossen. Es als Subvention zu bezeichnen, ist allerdings ungenau, denn die Regierung finanziert das Programm in vollem Umfang.

Die ersten Finanzmittel wurden im ersten Quartal 2022 zur Verfügung gestellt, die zweite Tranche im ersten Quartal des laufenden Jahres. Geplant ist, sowohl wichtige als auch geografisch abgelegene Gebiete mit 350 kW-Ladepunkten auszustatten, die langfristig betrieben werden können.

Somit können wir sicher sein, dass die notwendige Infrastruktur vorhanden sein wird, wenn E-Lkw auf unsere Straßen kommen werden. Das ist wichtig, denn wenn ich mich recht erinnere, wurde Schweden als geografisch benachteiligt bezeichnet – wegen der ungleichen Verteilung der Infrastruktur, was meiner Meinung nach eine ziemlich zutreffende Einschätzung war.

Wenn wir dies geschafft haben, kann jeder erfolgreich sein. Genau diese Botschaft würde ich mit der Welt teilen.

Was ist der Hauptgrund für diese Investitionen?

Zum einen ist dies bestimmt eine Frage der Lobbyarbeit des Sektors. Zweitens sehe ich dies nicht als eine direkte finanzielle Entscheidung. Es handelt sich eher um eine schnelle Umstellung auf Elektromobilität.

Aus der Umweltperspektive könnte man dieses Ladenetz als den ersten Schub eines Schneeballs betrachten, der den Berg hinunter rollt. Wenn man am Anfang nicht ein wenig Geschwindigkeit hat, wird es ein sehr langsamer Prozess sein. Wenn er jedoch rollt und sowohl Geschwindigkeit als auch Masse hat, dann kann er an Schwung gewinnen. Die Finanzierung kann also den Anstoß geben, und dann können andere hinzukommen, um unserem Ball noch mehr Schwung zu verleihen.

Rückblickend lässt sich sagen, dass das Wachstum von E-Fahrzeugen in Schweden trotz der geringen Reichweite vieler Modelle durch hohe Subventionen und Steuervorteile gefördert wurde. Sobald diese Maßnahmen umgesetzt wurden, begann das Infrastrukturnetz organisch zu wachsen.

Die größten Bedenken bei der Umstellung auf E-Lkw betreffen Reichweite und Verfügbarkeit. Wenn wir also die größte Hürde aus dem Weg räumen, wird sich der Rest organisch entwickeln.

Welche Faktoren müssen beim Bau von Ladestationen und Ladenetzen berücksichtigt werden?

Vor allem handelt es sich nicht nur darum, dass Transportunternehmer und Lkw-Fahrer Zugang zu Ladestationen brauchen. Sie müssen mit ihrem Lkw auch in den Bereich der Tankstelle passen. Das ist ein bisschen komplizierter als bei anderen Fahrzeugen. Sie wollen zum Beispiel nicht den Auflieger vor dem Aufladen abkoppeln müssen, daher sollte das Verfahren einfach und zugänglich sein.
Kann ich einen Platz reservieren? Wie viel kostet es, einen Platz zu buchen? Was passiert, wenn jemand noch da ist, wenn ich pünktlich zu meinem Termin komme?

All diese Themen entwickeln sich in einem noch nie dagewesenen Tempo, weil die ersten Fahrzeuge bereits im Einsatz sind. Wir finden jeden Tag neue Fragen, die mit den Betreibern und Kunden geklärt werden müssen. Das Problem dabei ist, dass es keine Wunderlösung für alles gibt.

Was brauchen wir, um einen reibungslosen Übergang zum elektrischen Straßengüterverkehr zu ermöglichen? Können Sie einige konkrete Beispiele nennen?

Was die Besonderheiten und Spezifikationen betrifft, so gibt es keine einheitlichen Standards für Ladezonen. Wenn wir also über schwere Fahrzeuge oder Lkw im Allgemeinen sprechen, gibt es Unterschiede bei den Abmessungen und dem Gewicht. Für das Laden von Elektrofahrzeugen gibt es noch keine Klassifizierung. Es gibt keine Daten oder Anforderungen, um die Ladestation an den Typ oder die Größe des Lkw anzupassen.

Das ist etwas, woran zur Zeit gearbeitet wird und was sowohl von den Betreibern der Ladestationen als auch von den Endverbrauchern gefordert wird. Es ist eher ein Muss als ein „nice to have”. Wenn wir über diese Standards nicht verfügen werden, werden wir ständig mit Problemen zu kämpfen haben.
Zweitens gibt es ein recht interessantes Beispiel dafür, wie eine bestimmte Art von Etikette in einer solchen Situation geschaffen werden kann. So hat Tesla sein Ladenetz in den Niederlanden für kurze Zeit für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht, bevor dies für weitere Standorte in anderen europäischen Ländern getan wurde.

Eines der Probleme, die auftraten, war, dass sich Tesla-Besitzer über neue Fahrer von E-Lkw ärgerten, die sich nicht an die sozialen Normen der Tesla-Fahrer hielten, zum Beispiel beim Parken. Was sollte man nach dem Aufladen tun? Wie schnell sollte man wegfahren? Wie funktioniert die Warteschlange? Tesla-Besitzer haben untereinander Regeln aufgestellt, die sich von denen der Fahrer anderer Elektroautos unterschieden.

In Anbetracht dessen denke ich, dass es einige Zeit dauern kann, bis sich in der Trucker-Gemeinschaft eine allgemein akzeptable Etikette herausbildet. Es ist ein ziemlich starkes Umfeld. In vielerlei Hinsicht denke ich, dass sich die Fahrer und Transportunternehmer schnell anpassen werden, aber sie müssen eine gemeinsame Basis mit den Betreibern von Ladestationen und Netzbetreibern finden. Dann stellt sich die Frage, wie wir diese Regeln verbreiten und eine gemeinsame Sprache für eine Reihe informeller Bräuche finden können, die den Ladevorgang reibungsloser machen. Ich denke, das ist eine interessante Herausforderung, der wir uns stellen sollten.

Wie schnell entwickelt sich die Ladetechnik und wie wirkt sich dies auf die Planung von Ladestationen aus?

Bei der Planung gibt es eine Reihe von Faktoren zu berücksichtigen, die das Laden selbst betreffen. So werden Autos mit 500 Volt aufgeladen, während für Lkw 800 Volt angemessen sind.

Wenn man jedoch wirklich schnell laden will und an lange Strecken denkt, dann werden höhere Spannungen gebraucht. Vor drei Jahren galt ein 50-Kilowatt- und 500-Volt-System als schnelles öffentliches Ladegerät. Heute würden die Kunden sie nicht einmal mehr ansehen.

Aus diesem Grund versuchen wir unseren Kunden zu erklären, dass sie nicht sofort Ladestationen mit voller Kapazität und Leistung bauen sollten. Sie sollten auf jeden Fall etwas Platz vorhalten, um neue Ladeeinheiten installieren zu können, sobald sie verfügbar sind. Es wäre auch gut, wenn sie Systeme hätten, die problemlos zwischen 800 und 500 Volt umschalten können.

Wenn wir von 1.000 Volt sprechen, brauchen wir in zwei Jahren ein 500-kW-Ladegerät pro Steckdose. Und selbst dann wissen wir nicht, ob es nicht bald veraltet sein wird. Die technische Entwicklung schreitet so schnell voran. Was wir an einem Freitag wissen, scheint sicher und verständlich zu sein, aber am Montag kann sich herausstellen, dass sich die Welt völlig verändert hat.

Wie schwierig ist es, in Skandinavien eine Baugenehmigung für Ladestationen zu erhalten?

Die größte Schwierigkeit in Skandinavien sind keineswegs die Behörden, die Baugenehmigungen für Ladestationen erteilen. Dies geht ganz reibungslos, auch für Lkw. Viele große Ketten mit Ladestationen haben bereits solche Genehmigungen erhalten.

Das größte Problem besteht in dem Mangel an Hochspannungskabeln. Aufgrund des Krieges und der Pandemie ist es auch schwierig, die Hardware zu erwerben. Es braucht Zeit, um den Bau zu planen und genügend Strom zu bekommen – das Netz ist einfach zu stark belastet. Das bedeutet, dass die Kunden möglicherweise zwei bis drei Jahre warten müssen, bis sie bereit sind, zu investieren.

Demnach können sie über einen Plan für den Bau eines Parkplatzes mit einem Schnellladesystem für Lastkraftwagen verfügen, der aber nicht umgesetzt werden kann, weil der Stromversorger keine Möglichkeit hat, genügend Strom zu liefern. Dies ist das größte Hindernis nicht nur in ganz Skandinavien, sondern auch in Schweden, Norwegen, Finnland und Dänemark.

Und schließlich, woran arbeiten Sie gemeinsam mit Nimbnet?

Mit Nimbnet entwickeln wir kundenspezifische Lösungen und erstellen die erforderliche Metadatenstruktur. Dies ist sehr datengesteuert. Wir versuchen die bestehenden Marktlücken zu finden, um genau zu erfahren, wo wir bauen sollten und was der Markt von uns erwartet. Ich würde gerne mehr verraten, aber ich kann unsere Geheimnisse nicht preisgeben!

Das Wichtigste dabei ist, sich den Herausforderungen zu stellen, die wir besprochen haben, und dann bereit zu sein, die Anforderungen des Marktes zu erfüllen. Wir können all die Themen aus der Perspektive eines OEM, eines Logistikunternehmens sowie aus der Perspektive des CPO und des Endverbrauchers sehen. Demnach sind wir auch im Stande, die Ziele und Interessen all dieser Akteure zu berücksichtigen, um allen gerecht zu werden.

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