Die Einigung kam bei einem persönlichen Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Sonntag, den 27. Juli, auf Trumps Golfresort Turnberry in Schottland zustande. Beide bezeichneten das Abkommen als Schritt zur Stabilität – auch wenn es deutlich hinter dem ursprünglichen Ziel der EU eines zollfreien Handels zurückbleibt.
Das ist der größte Deal, der je geschlossen wurde“, sagte Präsident Trump auf der anschließenden Pressekonferenz.
Er behauptete, die EU werde rund 600 Milliarden US-Dollar in den USA investieren und ihre Käufe von amerikanischer Energie und Rüstungsgütern erheblich steigern.
Von der Leyen beschrieb Trump als „harten Verhandler“ und erklärte gegenüber Journalisten, der 15-Prozent-Zoll sei „das Beste, was wir erreichen konnten“.
Das heutige Abkommen schafft Gewissheit in unsicheren Zeiten. Es bringt Stabilität und Planbarkeit für Bürger und Unternehmen beiderseits des Atlantiks“, fügte sie hinzu.
Branchen im Fokus: Deutsche Industrie zwischen Stabilität und Belastung
Für die exportorientierte deutsche Wirtschaft bedeutet das Abkommen einen zweischneidigen Ausgang. Positiv ist die Abwendung eines drohenden Handelskriegs – negativ wirkt der deutliche Zollaufschlag gegenüber dem bisherigen Durchschnittssatz von 2 Prozent. Besonders betroffen ist die Automobilindustrie: Für Fahrzeuge, deren Zollsatz bisher bei nur 2,5 Prozent lag, bedeutet der neue Satz eine erhebliche Kostensteigerung.
VDA-Präsidentin Hildegard Müller sprach von einer milliardenschweren Belastung:
Klar ist: Der Zollsatz der USA in Höhe von 15 Prozent auch für automobile Produkte wird die Unternehmen der deutschen Automobilindustrie jährlich Milliarden kosten und belastet sie inmitten der Transformation.
Auch sie betonte die Bedeutung funktionierender Lieferketten und forderte politische Nachverhandlungen:
Von großer Bedeutung ist es, dass die durch den Zollstreit verzerrten und eingeschränkten automobilen Lieferketten wieder funktionieren.
Die Forderung nach Anpassungen im USMCA-Raum (USA, Mexiko, Kanada) verdeutlicht zudem, dass nicht nur der transatlantische Handel, sondern auch die Nordamerika-Strategie vieler deutscher Zulieferer unter Druck geraten ist.
Auch Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und der irische Taoiseach Micheál Martin betonten den stabilisierenden Effekt des Abkommens, verwiesen jedoch auf steigende Handelskosten.
Einige Waren bleiben zollfrei
Es wird keine Zölle auf Flugzeuge und Flugzeugteile, bestimmte Chemikalien, ausgewählte Generika, Halbleiterausrüstung, einige Agrarprodukte, natürliche Ressourcen und kritische Rohstoffe geben“, erklärte von der Leyen.
Über Zölle auf alkoholische Getränke – insbesondere Wein und Bier – wird noch verhandelt, wobei Länder wie Frankreich und die Niederlande Ausnahmen fordern.
Die bestehenden Strafzölle in Höhe von 50 Prozent auf Stahl- und Aluminiumimporte aus der EU bleiben vorerst bestehen. Von der Leyen deutete jedoch an, dass diese durch ein Quotensystem ersetzt werden könnten. Ein hochrangiger US-Beamter bestätigte, dass hierzu weitere Gespräche geplant seien.
Wirtschaftspolitischer Spagat: Investitionen in die USA – auf Kosten Europas?
Neben der Zollregelung verpflichtete sich die EU, umfangreiche Energieimporte und Investitionen in die USA zu tätigen. Laut Trump belaufen sich diese auf 750 Milliarden Dollar in der Energiebranche, plus weitere 600 Milliarden an US-Investitionen.
Diese Zusagen rufen Kritik hervor:
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) spricht von einem „unzureichenden Kompromiss“, der zu einseitig zugunsten der USA ausfalle. Auch Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses im EU-Parlament, warnte, das Abkommen könne „interne europäische Prioritäten gefährden“.
Märkte reagieren positiv – aber strukturelle Probleme bleiben
Trotz Kritik aus Industrie und Politik reagierten die Börsen optimistisch. Der Stoxx 600-Index stieg um 1 Prozent, der DAX um 0,9 Prozent, der französische CAC 40 gewann 1,2 Prozent. Dies zeigt: Die Märkte honorieren vor allem den vermiedenen Konflikt und die neue Planbarkeit.
Auch in den USA wurden höhere Eröffnungen erwartet – der S&P 500-Future legte um 0,5 Prozent zu. Der Euro wertete in der Stunde nach der Bekanntgabe leicht gegenüber wichtigen Währungen auf.
Carsten Brzeski, Chefökonom von ING, erklärte gegenüber der Financial Times, das Abkommen beseitige „die Unsicherheit der letzten Monate“, die fast zu einem umfassenden Handelskrieg geführt hätte.
Aus Sicht der deutschen Industrie ist klar: Der Preis für diese Stabilität ist hoch – und bleibt langfristig mit strukturellen Herausforderungen verbunden. Die EU muss nun alles daran setzen, die Investitionsbedingungen im eigenen Raum zu verbessern, um im globalen Standortwettbewerb nicht weiter zurückzufallen.
Mitarbeit: Pölös Zsófia