Denn nur durch eine schonungslose und ehrliche Analyse wird man eine Chance haben, bei entsprechendem Handeln, tatsächlich wieder Fahrpersonal dauerhaft integrieren zu können.
Durch die Zustände „vertreibt“ sich die Branche selbst seit Jahren das Fahrpersonal!
- Der absolut größte Teil der Unternehmen bildet nicht aus, qualifiziert keine Quereinsteiger und Berufsanfänger (größtes und realistisches Potenzial), bildet sein Personal nicht weiter. Wer kein Geld zum Aus- und Weiterbilden, sowie zum Qualifizieren seines Personals hat, hat auch kein Geld haben dieses zeit- und arbeitsmarktgerecht zu entlohnen, sowie entspreche sonstige zeitgerechte Rahmenbedingungen zu stellen.
- Die Bezahlung des Fahrpersonals ist weiterhin fast ausnahmslos weder zeit- noch arbeitsmarktgerecht. – warum soll jemand für einen extrem geringen Stundenlohn als Berufskraftfahrer/In arbeiten, wenn in den meisten anderen gewerblichen Bereichen in etwa der doppelte Stundenlohn bezahlt wird!? (ein Berufskraftfahrer/In hat im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit in der Regel nur mit Menschen zu tun, die je Stunde signifikant mehr verdienen, und meist auch sonst signifikant bessere sonstige Leistungen/Bedingungen vorfinden)
- Die Branche lässt es seit Jahren zu, dass das Fahrpersonal an vielen Be- und Entladestellen völlig unterirdisch behandelt wird. – keine ausreichenden Kapazitäten zum Abfertigen der Lkw in jeglicher Hinsicht, nicht vorhandene oder oftmals katastrophale Zustände der sanitären Anlagen, ein völlig unangebrachter Umgangston, keinerlei sonstige Infrastruktur für Fahrpersonal vor Ort für dessen Aufenthalt, usw.
Leider ist dies in der Transport-, Speditions- und Logistikbranche ebenso! – für den größten Teil des Fahrpersonals gehört das Be- und Entladen bei Transport-, Speditions- und Logistikbetrieben zu den unbeliebtesten Abfertigungszieladressen.
- Die Branche akzeptiert oftmals sogar mit Zeitfenster / termingerechter Ankunft stundenlange Wartezeiten an Be- und Entladestellen, und dies auch noch unbezahlt. – wer für Wartezeiten nichts verlangt, wird auch sein Fahrpersonal für Wartezeiten nicht bezahlen können und/oder wollen.
Außerdem werden somit planbare Rückkehrzeiten für das Fahrpersonal umso schwieriger, was zu einem erheblichen Anteil zum Fahrpersonalmangel beiträgt.
- Die Branche muss sich mal die tatsächlich entlohnungspflichtige eingebrachte Zeit des Fahrpersonals vergegenwärtigen. Oftmals wird das Fahrpersonal mit einem Gehalt abgespeist, und „Flatrate-Arbeiten“ ist dann die Regel. Das Führen eines Arbeitszeitkontos ist fast ausnahmslos unbekannt für Fahrpersonal, oder eine entsprechende finanzielle Abgeltung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden ist meist auch nicht gegeben.
- Der größte Teil des Fahrpersonals muss immer noch die Parkgebühren selbst bezahlen. – niemand aus dem gleichen Unternehmen, in dem die Bezahlung der Parkgebühren durch das Fahrpersonal weiterhin „traditionelle“ Praxis ist, würde auf die Idee kommen, einem Mitarbeiter/In aus der Verwaltung die Parkgebühren im Zusammenhang mit der Berufsausübung (Kunden-, Behörden, Messebesuch, Weiterbildungs-, Tagungsteilnahme, etc.) nicht zu erstatten. Mit der billigen Ausrede, „der Fahrer bekommt einen Essensgutschein dafür“, zeigt sich einmal mehr, die völlige Ahnungslosigkeit vieler verantwortlicher Personen. Nur selten gibt es einen 1:1 Gutschein in voller Höhe, und außerdem sollte nicht ein Essensgutschein für das Parken entscheidend sein, wo das Fahrpersonal essen „soll“. Die Kosten für das Parken der Lkw sollten in voller Höhe erstattet werden und das sollte selbstredend sein.
- Die Fahrzeug- und Arbeitsplatzausstattung ist weiterhin oftmals nicht zeit- und situationsgerecht. – warum sollte man sich einen Arbeitsplatz antun, an dem auch noch in vielerlei Hinsicht soviel wie nur bei wenigen anderen Arbeitsplätzen abgefordert wird, wenn nicht mal dessen Ausstattung zeit- und situationsgerecht ist!?
- Keine wirkliche Achtung und keine tatsächliche Wertschätzung gegenüber dem Fahrpersonal lässt sich auch daran erkennen, wie selbstverständlich das Bereitstellen eines „Raucherautos“ ist. – nur wenige verantwortliche Personen würden freiwillig ein Raucherzimmer im Hotel akzeptieren……… Aber beim Fahrpersonal denkt man daran meist nicht einmal!
- Die Branche lässt es seit Jahrzehnten zu, dass das Fahrpersonal vor Ort bei einem Lademitteltausch oftmals der „Prellbock“ ist. – es werden Lademittel mit guter Qualität geliefert, und „Schrott“ beim Tausch angeboten. Zuerst gibt es vor Ort beim Tausch „Diskussionen“, anschließend mit dem Arbeitgeber („warum hast du solche Schrottpaletten!?“).
Warum soll sich dies jemand auf Dauer antun!?……….
- Eine tatsächlich ehrliche Wertschätzung und Anerkennung gegenüber dem Fahrpersonal gibt es bei den Arbeitgebern des Fahrpersonals weiterhin nur sehr selten. Betreffend Umgang, Entlohnung, Einsatzzeiten, Equipment in jeglicher Hinsicht zur Ausübung der beruflichen Tätigkeit, Infrastruktur für Fahrpersonal vor Ort, Ausbildung und Qualifizierung, uvm. – man ist einfach nur Lichtjahre von allen anderen Branchen entfernt.
Dieser Unterschied wird auch deutlich in vielen Unternehmen selbst. – wie geht man mit dem Büro-, Lager, Werkstatt- und Servicepersonal um, und welche Bedingungen in jeglicher Hinsicht stellt man diesem Personal, und was spiegelt sich davon beim Fahrpersonal wider!?
- Die Branche inklusive der Branchenverbände beschäftigen sich fast ausnahmslos mit den Symptomen (Fahrpersonalmangel), aber nicht wirklich mit den Ursachen.
- So wie der größte Teil der Branche mit seinem Fahrpersonal umgeht, ist es nur normal und richtig, dass sie kein Personal mehr finden. – der Mangel an Fachpersonal, insbesondere an Fahrpersonal, ist die letzte Chance für die Branche bei den Bedingungen wieder „in die Spur zu kommen“. Man wird auch wieder „in die Spur kommen“, weil ansonsten die Versorgung wirklich ins Stocken geraten wird. – ohne Fahrpersonal geht es einfach nicht!
Der Markt wird sich auch hier von selbst regeln, wenn auch noch einige Zeit weiterhin auf dem Rücken des Fahrpersonals.
Diese und noch viele weitere Punkte kann die Branche bzw. ein Unternehmen selbst lösen, wenn dies gewollt ist. Viele andere Punkte, was die Gesamtsituation für das Fahrpersonals schwierig macht, wie z.B. die immer schlechter werdende Straßeninfrastruktur, auf vielen Strecken ein absoluter Notstand an Parkplatzkapazitäten, nicht vorhandene und/oder völlig unzureichende Ausstattung auf Parkplätzen, ein nicht mehr zu durchblickendes Wirrwarr an gesetzlichen Vorschriften in Europa, welche oftmals völliger Nonsens sind, aber das Fahrpersonal bei der Berufsausübung direkt betreffen, ein gesellschaftlicher Wandel, usw., kann nicht von der Branche bzw. einem Unternehmen alleine geändert werden. Da bedarf es oftmals politischer und behördlicher zwingend erforderlicher, jedoch längst überfälliger Anstrengungen.
Die „Träumer“, die mit Boardinghäuser, Niederlassungen in Osteuropa, Anwerbung von osteuropäischem und asiatischem Fahrpersonal die Lösung sehen, werden wenn überhaupt nur kurzfristig etwas erreichen, und die schon lange Zeit erforderliche Wende bei den Bedingungen nur etwas hinauszögern. – mit solchen „Aktionen“ trägt man aktiv zur Beibehaltung der desolaten Zustände und zum Sozialdumping beim Fahrpersonal bei! Wer sein Fahrpersonal zeit- und arbeitsmarktgerecht bezahlt, der kann auch Fahrpersonal beschäftigen, das vor Ort tatsächlich wohnen kann.
Es braucht auch keine Erleichterungen zur Beschäftigung von Fahrpersonal aus Drittstaaten. – es würden nur weitere Menschen die eine wirklich harte und fordernde berufliche Tätigkeit verrichten, fast ausnahmslos „ausgesaugt“ und zu desolatesten Bedingungen beschäftigt werden.
Damit die Branche bei den Bedingungen für das Fahrpersonal in jeglicher Hinsicht wirklich was ändern kann, muss den Verantwortlichen klar sein, dass dies nur mit signifikant höheren Transportpreisen, sowie Preise für Zusatzleistungen möglich ist. Deshalb muss das Erhöhen der Preise auf ein wirklich angemessenes Niveau eine der Hauptaufgaben in den kommenden Jahren sein.
Mittelfristig werden insbesondere aufgrund des Fahrpersonalmangels viele Unternehmen wirtschaftlich scheitern, dies wird jedoch insgesamt für den Markt und die erforderliche Entwicklung positiv sein.
Wer kennt die erforderlichen Veränderungen wirklich!?
Die Unternehmen hätten die „besten Berater“ selbst im Haus. – redet mal mit eurem Fahrpersonal, und nicht nur über euer Fahrpersonal, UND übt die Tätigkeit von eurem Fahrpersonal mal unter ehrlichen und realistischen Bedingungen selbst für zwei oder drei Wochen am Stück aus.
Wer dann immer noch der Wahrnehmung ist, dass eigentlich eh alles „ganz okay“ ist, sollte sich wirklich Hilfe holen. – diese Hilfe wird dann meist jedoch nicht nur bei der Problematik Fahrpersonalmangel erforderlich sein.
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