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Enttäuschung über „Fit for 55”

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Der europäische Grüne Deal soll Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen. Letzte Woche hat die EU das neue Klimagesetz verabschiedet,welches das Etappenziel, die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu senken, in bindendes Recht umgesetzt. Doch nicht alle zeigen sich mit den Plänen der EU zufrieden. Vor allem die Automobilwirtschaft ist von dem „Fit for 55”-Paket enttäuscht.

Die Europäische Kommission hat letzte Woche ein Paket von Vorschlägen und Rechtsinstrumenten angenommen, um die Politik der EU mitunter auch im Bereich Verkehr  so zu gestalten, dass die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 gesenkt werden können. Dieses Ziel ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg Europas, bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt zu werden und den europäischen Grünen Deal zu verwirklichen.

In dem”Fit for 55″-Paket hat die Kommission festgelegt, dass durch das EU-Emissionshandelssystem CO2 bepreist wird. Außerdem werden die Obergrenzen für die Emissionen einzelner Wirtschaftszweige jedes Jahr gesenkt. Ein weiterer Vorschlag der Kommission ist, die kostenlosen Emissionszertifikate für den Luftverkehr schrittweise abzuschaffen und mit dem internationalen System zur Verrechnung und Reduzierung von Kohlenstoffdioxid für die internationale Luftfahrt (CORSIA) gleichzuziehen und Schifffahrtsemissionen erstmals in das EU-EHS einzubeziehen. Um die fehlenden Emissionsreduktionen im Straßenverkehr und im Gebäudesektor anzugehen, wird ein separates neues Emissionshandelssystem für die Treib- bzw. Brennstoffversorgung in diesen Sektoren eingeführt. Die Kommission schlägt auch vor, den Innovationsfonds und den Modernisierungsfonds aufzustocken.

Im Bereich Verkehr sollen strengere CO2-Emissionsnormen für PKW und leichte Nutzfahrzeuge gelten.  Im Ergebnis werden alle ab 2035 zugelassenen Neuwagen emissionsfrei sein. Damit Fahrzeuge in einem verlässlichen EU-weiten Netz aufgeladen oder aufgetankt werden können, schreibt die überarbeitete Verordnung über Infrastruktur für alternative Kraftstoffe vor, dass die Mitgliedstaaten die Ladekapazität nach Maßgabe der Absatzmengen emissionsfreier Fahrzeuge ausbauen und entlang der großen Verkehrsstraßen in regelmäßigen Abständen Tank- und Ladestationen installieren, und zwar alle 60 km für das Aufladen elektrischer Fahrzeuge und alle 150 km für die Betankung mit Wasserstoff.

Erste Kritik macht sich breit

Das „Common Office”, das Brüsseler Gemeinschaftsbüro der Transportunternehmer aus Frankreich, den nordischen Ländern und Deutschland, hat sich noch vor der Verabschiedung zu den Maßnahmen geäußert. Zwar begrüßte die Organisation die Idee des Klimagesetzes, aber verwies gleichzeitig darauf, dass eine doppelte und dreifache Besteuerung derselben CO2-Emissionen über verschiedene Instrumente wie das EU-Emissionshandelssystem (ETS), die „Eurovignetten”-Richtlinie und die Energiebesteuerungsrichtlinie vermieden werden muss. In einer Presseerklärung betont das”Common Office”, dass Güterkraftverkehrsunternehmen mehr als bereit sind, klimaneutrale Technologien zu kaufen, sobald diese aber zu wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar sind und von dem Aufbau einer entsprechenden Lade- und Tankinfrastruktur unterstützt werden.

Solange es jedoch keine Alternative zu den heutigen Antriebstechnologien zu kaufen gibt, wird die Erhöhung der Kosten für Transportdienstleistungen lediglich den Effekt einer Bestrafung des Straßentransportsektors haben und nicht dazu beitragen, dass der Sektor „grüner” wird, heißt es seitens des Büros.

Auch UETR warnt vor negativen Konsequenzen des neuen Gesetzes. Der Branchenverband befürchtet, dass es zu einem Anstieg der Kraftstoffpreise und der Arbeitskosten kommen kann. Vor allem kleine Transportunternehmen, die bereits jetzt schon unter der Corona-Krise leiden,  könnten zur Kasse gebeten werden. Dabei weist UETR darauf hin, dass sich der Flottenaustausch durch Gesetze nicht erzwingen lässt und dass auch in den nächsten 10 Jahren Unternehmen auf Diesel-und Benzinfahrzeuge angewiesen sein werden. Schätzungen von belgischen Branchenverbänden zufolge könnten die Transportkosten sogar um 10 bis 20 Prozent steigen.

 

In den nächsten 10 Jahren wird der Straßentransport weiterhin zu mindestens 90 Prozent vom Dieselkraftstoff abhängig sein. Frachtführer sind bereit ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren, sind aber oft nicht in der Lage ein passendes Fahrzeug zu erwerben, wird Lode Verkinderen vom Verband Transport en Logistiek Vlaanderen (TLV) von transportmedia.be herbeizitiert.

 

Der Verband Transport and Logistics Netherlands weist ähnlich wie das „Common Office”darauf hin, dass es zu einer doppelten  Besteuerung derselben CO2-Emissionen kommen wird.

Ebenfalls der Verband der Automobilindustrie reagierte mit Kritik auf die neuen Maßnahmen.  Der VDA bemängelt, dass die EU-Kommission die sozialen Folgen nicht abgeschätzt hätte und dass das Verbrennerverbot weder innovationsfreundlich noch technologieoffen sei.

Das ‚Fit for 55‘-Paket, mit dem die Klimapolitik der EU umfassend neugestaltet werden soll, verfolgt daher zwar die richtigen Ziele, schlägt dabei aber an wichtigen Stellen den falschen Weg ein. Bei den ehrgeizigen Zielen zur Minderung der CO2-Emissionen von Fahrzeugen bleibt unberücksichtigt, dass wichtige Voraussetzungen für die erfolgreiche Transformation mit den vorgeschlagenen Instrumenten nicht geschaffen werden, so VDA-Präsidentin Hildegard Müller in einer offiziellen Presseerklärung.

 

Müller betont, dass die Transformation vor allem für Zulieferer kaum realisierbar sei. Gleichzeitig sieht sie auch Arbeitsplätze bedroht.

Mit dem für 2035 vorgesehenen Flottengrenzwert von 0g schlägt die EU-Kommission faktisch ein Verbot von Verbrennungsmotoren vor – das gilt auch für Hybride und für leichte Nutzfahrzeuge. Das ist innovationsfeindlich und das Gegenteil von technologieoffen. Die Wahlfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher wird unnötig eingeschränkt. Die dadurch geforderte Beschleunigung der Transformation ist vor allem für viele Zulieferer kaum zu schaffen. Die Auswirkungen für die Arbeitsplätze in diesem Bereich werden erheblich sein. Es fehlt an einer Abwägung, die alle Aspekte der ökonomischen und sozialen Auswirkungen einbezieht, betonte sie.

Foto:Pixabay

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