Die Nähe zu Polen war für deutsche Unternehmen immer von Vorteil. Mit nahezu 6.000 deutschen Unternehmen, die bereits vor Ort tätig sind, bestätigt die wachsende wirtschaftliche Verbindung zwischen den beiden Nationen.
Aber was genau macht Polen so besonders und weshalb hat das Land eine derartige Wirtschaftsentwicklung hingelegt, die man ansonsten nur bei China beobachten konnte? Warum zieht Polen Investoren aus der ganzen Welt an und warum ist es nach wie vor sinnvoll,in Polen zu investieren? Lassen Sie uns diese Fragen in den folgenden Abschnitten vertiefen, in denen wir die Vorteile, Möglichkeiten und Schlüsselfaktoren für den Erfolg in diesem aufstrebenden „Tigerstaat“ Europas beleuchten.
Polens wirtschaftlicher Aufstieg
In der europäischen Landschaft hebt sich Polen durch seine bemerkenswerte wirtschaftliche Vitalität klar von anderen mittel- und osteuropäischen Ländern ab. Die pulsierende, energiegeladenen Umgebung nebst einer unternehmerischen Atmosphäre ist für Besucher das Landes direkt spürbar. Doch welche Faktoren haben genau zu diesem wirtschaftlichen Erfolg Polens beigetragen?
Zunächst hat Polen in den vergangenen Jahrzehnten strategisch weitsichtige Entscheidungen getroffen, die dem Land geholfen haben, sein volles Potenzial zu entfalten. Die Integration in die Europäische Union im Jahr 2004 war ein entscheidender Wendepunkt. Mit dem EU-Beitritt bekam Polen nicht nur Zugang zu einem massiven Markt, sondern profitierte auch in hohem Maße von den finanziellen Ressourcen, die die EU zur Verfügung stellte. Polen hat diese Mittel sehr klug und effektiv eingesetzt, um infrastrukturelle Projekte zu fördern, seine Technologiebasis zu erweitern und lokale Unternehmen zu unterstützen.
Die geografische Lage Polens bietet einen weiteren Wettbewerbsvorteil. Als Brücke zwischen West- und Osteuropa gelegen, profitiert das Land von seinem Status als Handels- und Verkehrsknotenpunkt, der den Waren- und Dienstleistungsfluss in alle Richtungen erleichtert. Dies hat Polen zu einem begehrten Standort für Logistikunternehmen und Fertigungsbetriebe gemacht.
Spätestens seit der Corona-Pandemie, den Lieferschwierigkeiten mit China und dem Ukrainekrieg ist der Begriff „Nearshoring“ in aller Munde und hier erfüllt Polen die besten Voraussetzungen.
Darüber hinaus hat Polen schon vor vielen Jahren mit seiner aufkeimenden IT- und Gaming-Industrie international auf sich aufmerksam gemacht. Das Land ist Heimat einigerder weltweit führenden Spieleentwickler und hat einen festen Platz in der globalen IT-Landschaft eingenommen. Die Branche zeichnet sich durch eine innovative Denkweise, Kreativität und technisches Know-how aus, die Investoren aus aller Welt anzieht und Polen auf dem Weg zur digitalen Exzellenz voranbringt.
Doch es wäre ein Fehler, den wirtschaftlichen Erfolg Polens allein auf geografische oder politische Faktoren zurückzuführen. Ein bedeutender Vorteil des Landes ist seine Bevölkerung. Mit beinahe 40 Millionen Menschen hat Polen nicht nur einen bedeutenden Binnenmarkt, sondern auch eine hochmotivierte, gut ausgebildete Arbeitskraft. Das Bildungssystem des Landes hat in den letzten Jahren stark in Technologie und Wissenschaft investiert, was zu einer wachsenden Anzahl von Fachkräften in den Bereichen IT, Ingenieurwesen und anderen technischen Berufen führt.
Der Weg, den das Land seit den tiefgreifenden wirtschaftlichen Umwandlungen der 1990er Jahre zurückgelegt hat, ist bemerkenswert und ein Beweis für die Widerstandsfähigkeit und Dynamik seiner Wirtschaft. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist seit 1989 um ein beachtliches
Achtfaches angestiegen, ein Indikator für das massive Wachstum und die Prosperität, die das Land in den vergangenen Jahrzehnten erlebt hat.
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Potenziale und Vorteile Polens für deutsche Investoren
Innerhalb dieses Wachstumskontextes hat Deutschland mit eine Schlüsselrolle in Polens ökonomischer Entwicklung gespielt. Ein Viertel aller ausländischen Direktinvestitionen, die in Polen getätigt werden, haben ihren Ursprung in Deutschland, was die Tiefe und Stärke der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen widerspiegelt. Der Handelsaustausch zwischen den beiden Ländern ist nicht zu übersehen: Im Jahr 2022 betrug das Handelsvolumen eine beeindruckende Summe von 167,7 Milliarden Euro. Diese finanzielle Interaktion unterstreicht die symbiotische Beziehung und das gegenseitige Interesse an wirtschaftlicher Prosperität und Wachstum, die beide Nationen teilen. Deutschland ist für Polen Handelspartner Nummer eins, aber auch Polen gehört für Deutschland mittlerweile zu den Top fünf. Tendenz steigend. Für die über 6.000 deutschen Unternehmen in Polen war das Nachbarland bereits „Nearshoring“- Destination, als es diesen Begriff in der allgemeinen Wahrnehmung noch nicht gab.
Für deutsche Unternehmen bietet der Investitionsstandort Polen folgende wichtige Vorteile:
• Geographische und kulturelle Nähe
• Ein großer Absatzmarkt mit solidem Wirtschaftswachstum
• Mitglied der EU und des Schengen-Raums sowie: NATO-Mitgliedschaft
• Eng verknüpfte Wirtschaftsbeziehungen
• Ein hoher Anteil an KMUs
• Qualifizierte Arbeitskräfte mit Fremdsprachenkenntnissen
• Attraktive Infrastrukturinvestitionen dank EU-Mitteln
Förderung von Investitionen und das Gründen von Unternehmen in Polen
Gemäß dem Motto “Ganz Polen eine Sonderwirtschaftszone” unterstreicht das Land den landesweiten Eifer, Investoren zu gewinnen und Geschäftsmöglichkeiten zu schaffen. Diese landesweite Initiative steht stellvertretend für eine einladende Wirtschaftspolitik, die darauf abzielt, sowohl inländische als auch ausländische Investitionen über das gesamte Land zu verteilen. Anstatt bestimmte geographische Gebiete für Steuervorteile und Anreize auszuwählen, setzt Polen auf eine inklusive Strategie, bei der Unternehmen, die bestimmte vorgegebene Kriterien erfüllen, unabhängig von ihrem Standort profitieren können.
Unterstützt werden Ansiedlungen in der Industrie sowie im Outsourcing- und Backoffice- Sektor. Voraussetzung sind die Erfüllung bestimmter quantitativer und qualitativer Kriterien und richten sich nach der konkret gewählten Sonderwirtschaftszone. Gefördert werden Neu- und Reinvestitionen in Form einer Gutschrift auf die Körperschaftssteuer (die bei lediglich 19 Prozent liegt) in Höhe von bis zu 70 Prozent der Investitionsausgaben.
Für Unternehmer und Investoren, die überlegen, nach Polen zu expandieren, ist es beruhigend zu wissen, dass es viele Ähnlichkeiten zwischen dem polnischen und dem deutschen Unternehmensrecht gibt. Der Teufel steckt zwar – wie so häufig – im Detail, jedoch sind die Grundzüge sehr vergleichbar. Dies erleichtert nicht nur den Einstieg, sondern verringert auch die Einarbeitungszeit und die anfänglichen rechtlichen Herausforderungen. Bei der Unternehmensgründung kommt faktisch fast immer das Pendant zur deutschen GmbH zum Zuge, die „Sp. z o.o.“. Mit einem Mindeststammkapital von 5.000 PLN (etwa 1.100 EUR) ist sie im Wesentlichen „die kleine Schwester“ der GmbH,wobei die Gründung in Polen erheblich leichter und schneller verläuft als bei der GmbH-Gründung in Deutschland.
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Arbeitsmarkt
In den letzten Jahren hat sich der polnische Arbeitsmarkt dynamisch entwickelt, geprägt durch tiefgreifende Veränderungen in der Wirtschaftsstruktur des Landes und dem verstärkten Einfluss internationaler Unternehmen. In den großen Regionen herrscht de facto keine oder kaum Arbeitslosigkeit, was den Wettbewerb um geeignetes Personal natürlich verstärkt. Trotz dieser Herausforderungen, wie dem Fachkräftemangel in spezifischen Branchen, bleibt Polen eine wichtige Quelle für hochqualifizierte Arbeitskräfte. Der überwiegende Großteil der jungen Generation ist sehr gut ausgebildet, hat Zugang zu moderner Bildung und professioneller Schulung, was sie zu begehrten Kandidaten auf dem internationalen Arbeitsmarkt macht.
Doch mit der gestiegenen Qualifikation sind auch die Gehaltserwartungen der Arbeitnehmer gestiegen. Es ist nicht mehr selbstverständlich, in Polen günstige Arbeitskraft zu finden. Unternehmen müssen konkurrenzfähige Gehälter, Weiterbildungsmöglichkeiten und andere Anreize bieten, um die besten Talente für sich zu gewinnen und zu halten. Ein Billiglohnland ist Polen länger nicht mehr, auch wenn es spürbare regionale Unterschiede gibt (Westpolen und Ostpolen, Großstädte und Land). Nach wie vor ist das deutsche Lohnniveau jedoch wesentlich höher.
Der gesetzliche Mindestlohn beträgt ab dem 1. Januar 2024 monatlich 4.242 PLN brutto, ab Juli 2024 bereits 4.300 PLN brutto. Der durchschnittliche Mindestlohn liegt jedoch wesentlich höher (bei über 7.000 PLN brutto). Im Vergleich zu den deutschen Arbeitnehmern, bleibt der polnischen Kollegen mehr netto vom brutto – bis zum Jahreseinkommen von 120.000 PLN beträgt der Einkommensteuersatz 12 Prozent, das Einkommen über 120.000 PLN wird mit einem Betrag von 10.800 PLN zzgl. 32 Prozent auf den Überschussbetrag besteuert. Die Sozialabgaben für der Arbeitnehmer liegen bei etwa 23 Prozent, der Arbeitgeberbeitrag zur Sozialversicherung liegt bei etwa 20,5 Prozent.
Das polnische Arbeitsrecht kann man im Vergleich zum deutschen Arbeitsrecht als geringfügig weniger arbeitnehmerfreundlich bezeichnen. Gleichwohl hat es verschiedene Besonderheiten, die man so in Deutschland nicht kennt.
Angesichts der hier vereinfacht dargestellten Komplexität und der sich häufig ändernden Arbeitsmarktdynamik ist es für Unternehmen, die in Polen investieren oder expandieren möchten, ratsam, lokale Expertise in Anspruch zu nehmen.
Fazit
Über die Jahre hinweg hat Polen nicht nur gezeigt, dass es sich erfolgreich von einer zentralgesteuerten zu einer marktorientierten Wirtschaft wandeln kann, sondern es hat sich auch zu einem Magnet für ausländische Investitionen entwickelt. Seine strategische geografische Positionierung, kombiniert mit einer engagierten und qualifizierten Arbeitskraft, macht es zu einem wichtigen und attraktiven Investitionsstandort auf dem europäischen Markt.Deutschland, als einer der führenden Handelspartner Polens, hat von dieser dynamischen Entwicklung in vielerlei Hinsicht profitiert. Die tiefe und wachsende wirtschaftliche Integration beider Länder spricht Bände über das (bereits vielfach genutzte) Potential, das Polen bietet. Für Investoren, die nach nachhaltigem Wachstum, Innovation und Nearshoring suchen, sollte Polen bei ihren strategischen Überlegungen ganz oben auf der Liste stehen.
Autor:
Dr. Dominik Wagner, LL.M.
Rechtsanwalt und Managing Seniorpartner TIGGES Rechtsanwälte*
Vorstandsmitglied Deutsch-Polnische Industrie- und Handelskammer (AHK Polen)
*die Kanzlei TIGGES Rechtsanwälte berät und begleitet deutsche Investoren seit über drei
Jahrzehnten bei ihren Aktivitäten in Polen