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Foto:AdobeStock/Val Traveller

Lage im Roten Meer eskaliert. Droht ein Alarmzustand der Lieferketten?

Die Lage im Roten Meer eskaliert, was nicht ohne Einfluss auf die Lieferketten bleibt. Laut einem Data Update von project44 von Anfang Januar ist die Anzahl der Schiffe, die den Suezkanal passieren, seit Beginn der Angriffe um über 59 Prozent gesunken. 181 Schiffe wurden bisher umgeleitet. 27 Schiffe befinden sich weiterhin auf dem Kanal. Ein Anstieg der Frachtraten macht sich bereits jetzt schon bemerkbar.

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Die Huthi-Milizen greifen weiterhin Container-Schiffe in der strategisch wichtigen Meerenge Bab al-Mandeb, die das Rote Meer, den Golf von Aden und den Indischen Ozean verbindet,  mit Raketen und Drohnen an. Die Angriffe waren anfangs auf israelische Schiffe ausgerichtet, wurden dann aber auch auf Handelsschiffe, die auf dem Weg nach Israel waren, ausgeweitet.Viele Reedereien stoppten daher bereits Mitte Dezember ihre Fahrten durch den Suezkanal, darunter auch Maersk.  Das Unternehmen nahm den Schifffsverkehr zwar kurz darauf wieder auf, um ihn nach einem Angriff am 30. Dezember auf das Schiff Maersk Hangzhou erneut einzustellen.

Nach dem Vorfall vom 30. Dezember, in den unser Schiff Maersk Hangzhou verwickelt war, haben wir beschlossen, alle Transitfahrten durch das Rote Meer und den Golf von Aden bis auf Weiteres einzustellen, teilte die dänische Reederei mit.

Die Entscheidung wurde aus Sicherheitsgründen getroffen. Maersk erwägt auch die Möglichkeit, den Schiffsverkehr über das Kap der Guten Hoffnung in Afrika umzuleiten.

Mit Stand vom 03. Januar 2024 schätzt project44 die Zahl der Schiffe, die Afrika umfahren, auf insgesamt 181.  26 weitere Schiffe verweilen an ihrem aktuellen Standort und beobachten die Entwicklung des Konflikts. Die Anzahl der Schiffe, die den Suezkanal passieren, ist seit Beginn der Angriffe um über 59 Prozent gesunken. In der Woche vom 17. bis 24. Dezember passierten noch insgesamt 66 Schiffe den Kanal. In der Woche vom 24. bis 31. Dezember waren es mit 33 Schiffen deutlich weniger, beziffert projet44.  Damit ist der tägliche Schiffsverkehrs um über die Hälfte gesunken.

Von zentraler Bedeutung für den Welthandel

Durch den Suezkanal gehen jährlich 12 Prozent des Welthandels (einschließlich Öltransporte von der Arabischen Halbinsel und der Golfregion nach Europa) und etwa 30 Prozent des weltweiten Containeraufkommens. Der Kanal ist die wichtigste Verbindung für die Einfuhr von Waren aus Asien nach Europa.

Der drohende Alarmzustand de Lieferketten veranlasste die Vereinigten Staaten, am 18. Dezember 2023 eine internationale Koalition unter dem Namen „Operation Prosperity Guardian” zum Schutz der Schifffahrt im Roten Meer zu initiieren.

Die Situation in der Region eskaliert jedoch weiter. In Reaktion auf die Angriff auf Maersk Hangzhou haben die USA drei Schiffe der Huthi-Milizen versenkt. Darauf hin hat der Iran Kriegsschiffe in die Region geschickt.

Außer Maersk meiden auch solche Reedereien wie MSC und Hapag-Lloyd den Suezkanal. Nils Haupt zuständig für Unternehmenskommunikation bei Hapag-Lloyd , teilte Trans.iNFO mit, dass das Unternehmen alle Fahrten durch den Suezkanal bis zum 9. Januar stoppt.  Nach diesem Datum wird das Unternehmen die Situation erneut bewerten und über die nächsten Schritte entscheiden.

Alles wird teurer

Nach Angaben der British International Freight Association (BIFA) könnten die Folgen der Krise im Roten Meer rasant steigende Preise im Seetransportsektor sein, die mitunter auf längere Transitzeiten und höheren Kraftstoffverbrauch zurückzuführen sind.

Die Containerraten haben im Monatsverlauf einen deutlichen Sprung nach oben gemacht. Während der Freightos Baltic Index noch am 1. Dezember bei 1179 US-Dollar pro 40-Fuß-Container lag, betrug er am 22. Dezember nach den Angriffen und kurz nach der Ankündigung der Koalition durch die USA – bereits 1346 US-Dollar. Zum Endes des Jahres 2023 betrug der Index 1341 US-Dollar.

Noch rasanter war der Anstieg des Index-Rate für die Relation China-Nordeuropa. Anfang Dezember lag der Index bei 1243 US-Dollar, während er kurz vor Weihnachten auf 1621 US-Dollar anstieg. Zum Ende des Jahres lag er bei 1590 US-Dollar. Der Zwischenfall unter Beteiligung von Maersk Hangzhou und die Entscheidung der dänischen Reederei, die Fahrten zu stoppen, wird die Index-Rate im Wochenverlauf noch einmal steigen lassen. 

CMA CGM kündigte am Dienstag eine Ratenerhöhung (mit zusätzlichen Zuschlägen) für Waren an, die von Asien zu Mittelmeerhäfen befördert werden. Während beispielsweise noch Anfang Dezember der Transport eines 20-Fuß-Containers zu adriatischen Häfen 2,05.000 US-Dollar kostete, liegt der Preis nun bei 3,55.000 US-Dollar. Die Containerraten für Transporte zu Häfen im westlichen Mittelmeer sind von 2.000 US-Dollar auf 3.500 US-Dollar und zu Häfen im östlichen Mittelmeer von 2.100 US-Dollar auf 3.500 US-Dollar gestiegen.

Längere Transitzeiten

Die Route um Afrika ist 6000 km länger und hat damit 7-10 längere Transitzeiten zur Folge. Verzögerungen bei Warenlieferungen im Januar und Februar dieses Jahres sind damit vorprogrammiert. Die europäischen Häfen bereiten sich bereits jetzt schon auf diese Herausforderungen vor.

Die Terminals im Hafen von Algeciras arbeiten wie geplant, obwohl in der ersten Januarwoche weniger Schiffe erwartet werden, da die Reeder beschlossen haben, Afrika zu umfahren, so die Betreiber des andalusischen Hafens gegenüber Trans.iNFO.

Der Hafen soll auch bereits den Zeitplan für das Anlegen der Schiffe angepasst haben, um die Terminalfläche und die Ressourcen zu optimieren.

Die Schiffe werden in den europäischen Häfen mit ein bis zwei Wochen Verspätung eintreffen. Container, die eigentlich schon wieder in Asien sein sollten, werden damit noch in Europa sein. Zwar haben die Reeder dank eines Überangebots an neuen Containerschiffen noch Kapazitäten, aber die Gesamtnachfrage nach Waren ist derzeit nicht sehr hoch. Niemand wird also unvollständig beladene Schiffe auf so lange Reisen schicken. Dennoch ist eine Wiederholung der Situation aus Corona-Zeiten unwahrscheinlich. Nils Haupt geht davon aus, dass die aktuelle Krise nicht so dramatisch sein wird wie die von 2020-2021.

Die Pandemie war ein globales Phänomen,welches zu Unterbrechungen der Lieferketten in einem globalem Ausmaß geführt hatte. Dieses Mal werden die Folgen nicht so drastisch sein, sagt er.

Das Dilemma der Verlader

Importeure und Verlader stehen derzeit vor einem Dilemma. Einerseits können sie sich für Reeder entscheiden, die Afrika umfahren. Sie zahlen dann sicherlich mehr und ihre Waren erreichen ihr Ziel 8-9 Tage später. Gleichzeitig besteht das Risiko, dass der Suezkanal zwischenzeitlich wieder passierbar sein wird und die Fracht dann schneller befördert werden kann, erklärt Lars Jensen, Schifffahrtsexperte bei SeaIntelligence Consulting.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Reeder zu nutzen, die noch durch den Suezkanal fahren- in dem Fall hauptsächlich kleinere Reedereien.

Alle werden zahlen müssen

Die Preisentwicklung für Container-Schiffstransporte wird die Preise für Endverbraucher steigen lassen. Trotz der weit verbreiteten Meinung, dass der Krieg in der Ukraine und der Anstieg der Ölpreise die Hauptursache für die steigende Inflation in Europa sind, sollte nicht vergessen werden, dass die Preise für Konsumgüter bereits vor dem Krieg gestiegen sind.Der Grund für diesen Anstieg war der drastische Anstieg der Containerpreise (um mehrere hundert Prozent im Zeitraum von 2020 und 2021) infolge der Überlastung der Lieferketten sowie der Blockade des Suezkanals durch das Containerschiff „Ever Given”.

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