Die deutsche Schifffahrtsbranche zeigt sich erstaunlich widerstandsfähig. Trotz einer angespannten Weltlage, der unsicheren Energiepreise und zunehmender geopolitischer Risiken melden 93 Prozent der Hochseereedereien Vollauslastung. Mehr als die Hälfte (58 Prozent) der Unternehmen rechnet in den kommenden zwölf Monaten mit weiterem Umsatzwachstum.
Das geht aus der aktuellen PwC-Reederstudie 2025 hervor, für die zwischen April und Juni 113 deutsche Hochseereedereien befragt wurden.
Politische Unwägbarkeiten: Trump, Handelskriege und Unsicherheit
Doch die robuste Geschäftslage steht auf wackeligen politischen Beinen. 91 Prozent der Reedereien erwarten negative Auswirkungen der zweiten Amtszeit von US-Präsident Donald Trump auf die deutsche Schifffahrtsindustrie. 56 Prozent empfinden die Situation inzwischen sogar „schlimmer als erwartet“.
Laut Burkhard Sommer, Leiter des Maritimen Kompetenzzentrums von PwC Deutschland, erschwert der erratische Kurs der US-Regierung langfristige Planung und Investitionen:
„Politische Entscheidungen in den USA sind zunehmend schwer vorherzusagen. Das hemmt den internationalen Handel und schafft Unsicherheit in den Märkten.“
Mehr als die Hälfte der Befragten (51 Prozent) sieht laut Studie „keinen rechtssicheren Rahmen mehr für wirtschaftliches Handeln“. Rund zwei Drittel (65 Prozent) rechnen mit einem Rückgang des Frachtaufkommens zwischen Europa und Nordamerika.
Gleichzeitig erwarten viele Reedereien, dass sich Handelsvolumina in andere Regionen verlagern: Indien und China gelten als wichtigste Wachstumsmärkte, gefolgt von anderen asiatischen Staaten und europäischen Partnern.
Gefährdungslage auf See: Das Rote Meer bleibt Risikozone
Auch sicherheitspolitisch ist die Branche alarmiert. Die wiederholten Angriffe der Huthi-Miliz auf Handelsschiffe im Roten Meer haben die Verwundbarkeit globaler Lieferketten verdeutlicht. Auf einer Skala von 0 bis 10 bewerten deutsche Reedereien die Gefährdungslage im Roten Meer mit 7,1 Punkten – leicht unter dem Vorjahreswert, aber weiterhin hoch.
Laut Dr. André Wortmann, Mitautor der Studie, haben sich viele Unternehmen auf die Gefahr eingestellt:
„Zum einen scheint ein Gewöhnungseffekt einzutreten, zum anderen haben die meisten Reedereien Strategien entwickelt, um brenzlige Situationen zu umschiffen.“
Tatsächlich meiden 61 von 62 Reedereien, die in der Region aktiv sind, die Passage durch das Rote Meer – sie fahren stattdessen über das Kap der Guten Hoffnung. Diese Umwege verlängern Transportzeiten und erhöhen Kosten, wirken aber laut Studie einem Preisverfall entgegen. 86 Prozent der Befragten glauben, dass die Frachtraten ohne die Umleitungen stärker unter Druck stünden.
Sicherheitsappell an Berlin: Mehr Schutz für maritime Infrastruktur
Das Vertrauen in die USA als Schutzmacht sinkt deutlich. 52 Prozent der Reedereien rechnen damit, dass sich die Vereinigten Staaten künftig weniger am Schutz internationaler Seewege beteiligen. Entsprechend groß ist der Ruf nach stärkerem deutschen Engagement:
- 92 Prozent fordern eine bessere Seeraumüberwachung,
- 92 Prozent mehr Schutz für maritime Infrastruktur – etwa Häfen, Unterseekabel und Offshore-Windparks,
- 84 Prozent wollen eine besser ausgestattete Bundesmarine.
Unbemannte Waffensysteme halten 96 Prozent der Befragten künftig für unverzichtbar.
Trotz Krisen: Wachstum und Flottenausbau geplant
Trotz aller Risiken bleibt die Branche zuversichtlich. 78 Prozent der Reedereien erwarten mittelfristig steigendes weltweites Ladungsaufkommen. 76 Prozent planen den Kauf neuer oder gebrauchter Schiffe – mit wachsender Tendenz zu Neubauten.
Die Entscheidung für neue Schiffe hängt laut PwC-Studie stark von künftigen Antriebstechnologien ab: Sieben von zehn Reedereien würden mehr investieren, wenn klar wäre, welche Treibstoffe sich durchsetzen. Favoriten sind derzeit Methanol (50 %), LNG (45 %) und Biodiesel (40 %). Strom gewinnt vor allem im Kurzstreckenverkehr an Bedeutung.
„Die Branche braucht Planungssicherheit, um vorausschauend investieren zu können“, resümiert PwC-Experte Sommer.
„Zwischen Resilienz und Risiko“
Die deutsche Schifffahrtsindustrie beweist in unsicheren Zeiten bemerkenswerte Stabilität. Doch unter der Oberfläche brodelt es: Handelskonflikte, Sicherheitsrisiken und technologische Unsicherheiten könnten die Branche in den kommenden Jahren stärker treffen.
PwC fasst es passend zusammen:
„Die See bleibt schwer – doch wer klug navigiert, wird weiter Kurs halten.“