Laut dem aktuellen Transport & Logistics Barometer, das PwC Deutschland halbjährlich gemeinsam mit Strategy& veröffentlicht, ist die Zahl der Fusionen und Übernahmen in den ersten sechs Monaten des Jahres signifikant gesunken. Seit Jahresbeginn wurden 86 Deals im Wert von mindestens 50 Millionen US-Dollar registriert – zwölf weniger als im ersten Halbjahr 2023 und elf weniger als in der zweiten Jahreshälfte 2023.
Wirtschaftliche Unsicherheiten, volatile Marktbedingungen, eine anhaltend hohe Inflation und neue regulatorische Vorgaben setzen Logistikunternehmen unter Druck, ihre Kosten zu optimieren und ihre operative Effizienz zu steigern. Vor diesem Hintergrund sind Fusionen und Übernahmen als Mittel für anorganisches, strategisches Wachstum in den Hintergrund getreten, erklärt Ingo Bauer, Leiter des Bereichs Transport, Logistik und Tourismus bei PwC.
Der Gesamtwert der Transaktionen belief sich im ersten Halbjahr 2024 auf 42,5 Milliarden US-Dollar, was auf einen Anstieg des durchschnittlichen Dealwerts auf 494,7 Millionen US-Dollar zurückzuführen ist. Im Vergleich: Im Jahr 2023 lag der Wert bei 393,2 Millionen US-Dollar.
Die Zahl der Mega-Deals stieg hingegen: In den ersten sechs Monaten wurden bereits zwölf solcher Transaktionen angekündigt.
Zu dem hohen durchschnittlichen Deal-Wert haben außerdem die insgesamt gestiegenen Preise beigetragen. Der Median des Sales Multiple lag im ersten Halbjahr bei 2,4 (2023: 1,9). Diese Entwicklung ist unter anderem auf außergewöhnlich hohe Multiples bei Deals mit Flughäfen, Häfen, Straßen und Übernahmezielen im Passagier-Segment zurückzuführen, betont der Experte.
Der Sales Multiple für Flughafeninfrastruktur hat sich besonders stark entwickelt und ist in der ersten Jahreshälfte auf 7,2 gestiegen, gegenüber 3,6 im Jahr 2023. Haupttreiber war die Übernahme des Flughafens Budapest durch die ungarische Regierung und Vinci Airport, die einen Sales Multiple von 10,88 verzeichnete.
China verliert an Bedeutung, Indien punktet
Besonders in Asien und Ozeanien war eine rege M&A-Aktivität zu beobachten. Insgesamt wurden in der Region 43 Deals angekündigt, deren Gesamtwert von 21,7 Milliarden US-Dollar die Zahlen des gesamten Jahres 2023 übertrifft.
Bemerkenswert ist eine auch geopolitisch bedingte hohe lokale und internationale Deal-Aktivität in alternativen Märkten wie Malaysia, Indien, Indonesien sowie den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo insgesamt vier Megadeals angekündigt wurden. In China hingegen gab es nur einen Megadeal. Zudem ist der Anteil chinesischer Deals in Asien und Ozeanien von 45 Prozent im Jahr 2023 auf 30 Prozent in der ersten Jahreshälfte 2024 gefallen.
China bleibt zwar der dominierende Akteur in Asien, aber sein Wachstum verlangsamt sich und die politische Landschaft ist unsicher. Daher entwickeln sich andere asiatische Länder wie Indien und Malaysia zu starken Akteuren mit wachsendem Wohlstand, Produktionskapazitäten und Investitionschancen, so Bauer.
In Afrika bleibt das Niveau der M&A konstant niedrig, was jedoch auf spezifische Gegebenheiten des Kontinents zurückzuführen ist.
Afrika ist ein interessanter Markt für bestimmte Segmente. Bei Häfen ist beispielsweise eine Verschiebung der Zielregionen zu beobachten – der Anstieg der Deal-Aktivitäten findet überwiegend in Asien und dem Nahen Osten statt. Aber auch Investitionen in Häfen und Terminals in Afrika gewinnen für ausländische Investoren aufgrund ihrer strategischen Position in den globalen Handelsrouten und als Rohstoffquelle an Bedeutung. Dass sich das nicht in den Transaktionszahlen niederschlägt, liegt unter anderem daran, dass viele der Transaktionen unter unserer Analyseschwelle von 50 Millionen US-Dollar liegen oder der Transaktionswert nicht veröffentlicht wurde, erklärt der Experte.
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Europa auf Platz 2
Europa platzierte sich mit 36 Deals auf Rang zwei, und Ingo Bauer betont, dass das Interesse strategischer Investoren an europäischen Zielen zugenommen hat.
Laut dem Bericht wurden in den ersten sechs Monaten elf Inbound-Deals im Gesamtwert von 4,5 Milliarden Dollar angekündigt. Im gesamten Jahr 2023 waren es hingegen nur sieben Deals im Gesamtwert von drei Milliarden Dollar. Fünf Deals entfielen auf den Bereich Logistik und Trucking. Erwähnenswert ist vor allem die Übernahme der britischen Wincanton PLC durch GXO Logistics Inc., aber auch der Erwerb einer Minderheitsbeteiligung von 3,12 Prozent an der Berliner Delivery Hero SE durch Uber Eats für 299,29 Millionen USD und der Kauf des German & Dutch Logistics Portfolios von Blackstone Inc. durch Clarion Partners LLC für 292,49 Millionen US-Dollar.
Europa hat einen bemerkenswerten Anstieg der Inbound-Transaktionen zu verzeichnen, da ausländische Investoren versuchen, Zugang zum europäischen Markt zu erhalten und dessen bestehende Infrastruktur und Einrichtungen zu nutzen. Eine Wiederbelebung der M&A-Aktivitäten wird erwartet, sobald sich die Region von der wirtschaftlichen Abschwächung erholt. Digitalisierung und Künstliche Intelligenz werden die Branche stark verändern und für alle Marktteilnehmer erheblich an Bedeutung gewinnen. Wir gehen davon aus, dass auch Joint Ventures und Partnerschaften zunehmen werden, mit denen T&L-Unternehmen ihre digitale Transformation vorantreiben, so Bauer.
Wiederbelebung des M&A-Geschehens in der zweiten Jahreshälfte
Mit Blick auf die Zukunft zeigt sich der Experte zuversichtlich und erwartet in der zweiten Jahreshälfte aufgrund vorteilhafterer Rahmenbedingungen eine erhöhte Dynamik.
Wir gehen davon aus, dass die M&A-Aktivitäten in der zweiten Jahreshälfte 2024 wieder zunehmen werden. Dies wird durch den nachlassenden Inflationsdruck und die Aussicht auf künftige Zinssenkungen seitens der Zentralbank begünstigt, die ein besseres Umfeld für Finanzinvestoren schaffen. Darüber hinaus wird die aktuelle geopolitische Lage, die in der zweiten Hälfte des Jahres 2024 anhalten oder sich sogar noch verschärfen dürfte, strategische Investoren weiterhin dazu veranlassen, proaktive Maßnahmen zur Diversifizierung und Festigung ihrer Positionen sowohl vertikal als auch horizontal zu ergreifen, prognostiziert der Experte.