Die Verpflichtung zur Rückführung von LKW in das Land, in dem das Transportunternehmen ansässig ist, ist eine der Bestimmungen des Mobilitätspakets, die in der Transportbranche am meisten umstritten ist. Ursprünglich hatte Brüssel sogar Anhänger und Sattelauflieger einbezogen, was auf den heftigen Widerstand des Transportgewerbes stieß. Nach Protesten der europäischen Spediteure strichen die EU-Behörden schließlich die Bestimmung für Anhänger und Sattelauflieger aus der Verordnung, und die Verpflichtung zur Rückkehr zum Standort des Unternehmens gilt nur noch für diese:
- Kraftfahrzeuge oder Fahrzeugkombinationen für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterverkehr, die den Niederlassungsmitgliedstaat verlassen und den Güterkraftverkehrsunternehmen im Sinne von Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 zur Verfügung stehen.
Nach Ansicht von Götz Bopp, einem unabhängigen deutschen Experten für Sozialrecht in der Transport- und Logistik Branche, müssen ausländische Transportunternehmen in Deutschland keine Sanktionen befürchten, wenn ihre LKW nach achtwöchigen Einsätzen in der Europäischen Union nicht in ihr Heimatland zurückkehren.
Götz Bopp behauptet, dass es im deutschen Recht keine Rechtsgrundlage für die Verhängung von Bußgeldern gegen Frachtführer für dieses Vergehen gibt.
„Wenn Fahrzeuge bei einer Kontrolle auffallen, hat das BALM nach wie vor nur die Möglichkeit, lokale Behörden im Herkunftsland darüber zu informieren“, erklärt der Experte gegenüber der Deutschen Verkehrs Zeitung. Und fügt hinzu, dass auch die Meldung eines Verstoßes an die Behörden im Land der Niederlassung keine Folgen hat. Da rein rechtlich gesehen, handele es sich bei der Rückkehrpflicht für die Fahrzeuge um eine Marktzugangsvoraussetzung; Berichte aus dem Ausland schadeten maximal der Reputation des Verkehrsleiters im jeweiligen Unternehmen, so Bopp.
Wir haben das Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) gefragt, ob es in Deutschland tatsächlich keine Strafen für die Nichtrückführung eines Lastkraftwagens in sein Herkunftsland gibt.
Wer den Beruf des Kraftverkehrsunternehmers ausüben will, muss über eine tatsächliche und dauerhafte Niederlassung in einem Mitgliedstaat verfügen. An diese Niederlassung werden Anforderungen, zu denen die Rückkehrpflicht der Fahrzeuge gehört, gestellt. Diese Pflicht zwingt das jeweilige Kraftverkehrsunternehmen, die Nutzung seiner Fahrzeugflotte so zu organisieren, dass sichergestellt ist, dass Fahrzeuge, die dem Unternehmen zur Verfügung stehen und in der grenzüberschreitenden Beförderung eingesetzt werden, spätestens acht Wochen nach Verlassen des Mitgliedstaats zu einer der Betriebsstätten in diesem Mitgliedstaat zurückkehren”, erinnert BALM.
Die Aufsichtsbehörde fügt hinzu, dass die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem das Verkehrsunternehmen niedergelassen ist und dem sie die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers erteilt haben, müssen die notwendigen Kontrollen durchführen und die Einhaltung der festgesetzten Anforderung überprüfen.
Eine Ahndung von Verstößen gegen die Rückkehrpflicht in Deutschland ist nicht vorgesehen, da es sich um eine Berufszugangsvoraussetzung handelt, deren Überwachung den zuständigen Behörden des Niederlassungsstaates obliegt. Verstöße können im Niederlassungsstaat zu einem Rücknahmeverfahren der EU-Lizenz führen”, erklärt BALM.
Stellt das Bundesamt bei Verkehrskontrollen Verstöße gegen das Rückkehrrecht der Fahrer oder die Rückkehrpflicht der Fahrzeuge fest, werden entsprechende Informationen an die zuständigen Behörden übermittelt. Ähnliches gilt in Italien, das ebenfalls keine Rechtsvorschriften erlassen hat, die die Verhängung von Bußgeldern für den oben genannten Verstoß ermöglichen.
Das Dekret zur Anpassung der Rechtsvorschriften ist in Italien noch nicht erlassen worden”, sagte Pierpaolo Greco, Experte für die Überwachung der Gesetzgebung bei dem italienischen Frachtführerverband Confetra, gegenüber trans.iNFO.
In Polen sind Strafmaßnahmen möglich
Wir erkundigten uns bei der polnischen Hauptkontrollbehörde für den Straßentransport (GITD), ob das polnische Recht Strafen für die Nichtrückführung eines Lastwagens in sein Heimatland vorsieht.
Der Informationsaustausch mit EU-Ländern erfolgt auf der Grundlage von Artikel 22 Absatz 2 der Verordnung (EG) 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates (wie in Artikel 8 der Richtlinie 2006/22/EG vorgesehen). Der Umfang der übermittelten und empfangenen Informationen betrifft Verstöße im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) 561/2006 (Kapitel II), die von polnischen Verkehrsunternehmern/Fahrern auf dem Gebiet des informierenden Landes begangen wurden. Bei Nichteinhaltung der Verpflichtung, das Fahrzeug spätestens innerhalb von acht Wochen an seinen Standort zurückzubringen, droht dem Transportunternehmer eine Verwaltungsentscheidung in Höhe von 2.000 Polnische Zloty (ca. 465 Euro)”, erklärte die GITD.
“Wenn ein polnischer Frachtführer in Deutschland einen Verstoß begeht, indem er das Fahrzeug nicht alle acht Wochen in das Land seiner Niederlassung zurückbringt, dann verhängen die dortigen Dienststellen eine Strafe gegen diesen Frachtführer”, erklärt die Aufsichtsbehörde anhand eines Beispiels.
Verstößt hingegen ein deutsches Transportunternehmen in Polen gegen die Vorschriften, indem es das Fahrzeug nicht alle acht Wochen in das Land der Niederlassung zurückbringt, verhängt die polnische Straßenverkehrsbehörde (ITD) eine Strafe gegen dieses Transportunternehmen.
Dies ist übrigens nicht das einzige Beispiel für die Umgehung dieser Bestimmung.
Wiederholte Verstöße gegen die Vorschriften
Die niederländische Stiftung RTDD (Road Transport Due Diligence) veröffentlichte Ende letzten Jahres einen Bericht über den Einsatz von LKW-Fahrern aus Zentralasien in der Europäischen Union. In dem Dokument, für das über einen Zeitraum von drei Jahren recherchiert wurde, werden zahlreiche Verstöße gegen das Mobilitätspaket aufgedeckt. Dem Bericht zufolge gibt es weit verbreitete Verstöße gegen die Bestimmungen über die Rückkehr der Fahrzeuge zum Standort und die obligatorische Ruhezeit außerhalb des Fahrzeugs.
Möglichkeit zur Aufhebung der Vorschrift?
In diesem Zusammenhang ist auch daran zu erinnern, dass Polen im Oktober 2020 beim Gerichtshof der Europäischen Union Klage gegen das Mobilitätspaket eingereicht hat. Klagen wurden auch von Litauen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Malta, Zypern und Belgien eingereicht. Zu den beanstandeten Bestimmungen gehörte die umstrittene Verpflichtung, einen LKW alle acht Wochen in das Land seiner Niederlassung zurückzubringen. Nach Auffassung von Polen und den anderen beschwerdeführenden Ländern hat diese Bestimmung des Mobilitätspakets negative Auswirkungen sowohl in Bezug auf die Umwelt als auch auf die Tätigkeit der europäischen Transportunternehmen und indirekt auch auf die Wirtschaft als Ganzes.
Im November letzten Jahres hat Giovanni Pitruzzella, Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), seine Schlussanträge zu der angefochtenen Bestimmung abgegeben und sich damit auf die Seite der klagenden EU-Mitglieder gestellt.
Der Generalanwalt führte in seinen Schlussanträgen aus, dass die ” Rückkehr des Fahrzeugs ” vom Europäischen Parlament und vom Rat nicht ausreichend begründet wurde und dass die Umweltauswirkungen aufgrund der erhöhten Emissionen und des höheren Kraftstoffverbrauchs, die sich aus der Verpflichtung ergeben, die Fahrzeuge alle acht Wochen zurückzuführen, nicht berücksichtigt wurden.
Nach Auffassung von Pitruzzelli sollte daher die in Artikel 1 Absatz 3 der Verordnung 2020/1055 enthaltene Bestimmung für nichtig erklärt werden, da sie gegen die Verpflichtung aus Artikel 91 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstoße, wonach die Union beim Erlass von Verkehrsvorschriften den Erfordernissen des Umweltschutzes und den besonderen Merkmalen des Verkehrs in jedem Mitgliedstaat Rechnung tragen müsse.
Das Urteil des EuGH in dieser Rechtssache sollte Anfang des Jahres ergehen, ist aber noch immer nicht gefallen. Obwohl das Gericht nicht verpflichtet ist, der Empfehlung des Generalanwalts zu folgen, sind die Richter in den meisten Fällen seiner Meinung gefolgt. Es besteht daher die Hoffnung, dass die umstrittene Bestimmung über die obligatorische Rückführung des LKW in das Land der Niederlassung des Transportunternehmens aufgehoben wird.