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Kurzinterview: “Nachhaltigkeit erfährt in der Logistik gerade einen regelrechten Boom”

Den Abschluss unserer Interviewreihe zum Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit bildet das Gespräch mit Sandra Zechmeister von der cargo-partner GmbH. Sie erklärt, warum nur ein fundamentaler Technologiewandel die Klimakatastrophe mildern kann und was getan werden muss, damit „Green Logistics“ von vielen Unternehmen nicht nur als „nice to have“ eingestuft wird.

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Natalia Jakubowska, Trans.INFO: Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Halten Sie dieses Zeitmaß in der Transport-und Logistikbranche für realistisch?

Sandra Zechmeister, Project Lead Sustainability bei cargo-partner GmbH: Die Transport- und Logistikbranche ist derzeit für ein Viertel der Treibhausgasemissionen in der EU verantwortlich. Alle Verkehrsträger (Luftfracht, Seefracht, Schiene und Straßenfracht) müssen in den nächsten Jahren zur Verringerung der Emissionen beitragen um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Dabei ist davon auszugehen, dass Emissionen zwar verringert werden, diese bis 2045 jedoch nicht auf „Null“ reduziert werden können. Zunächst kann nur ein fundamentaler Technologiewandel die Klimakatastrophe mildern. Daher fördern wir diesen schon seit längerer Zeit mithilfe entsprechender Projekte. Beispielsweise haben wir über eine Million Euro in die Förderung von umweltfreundlicherem Antrieb von Flugzeugen und die Nurflügel-Konfiguration („Blended Wing Body“) von Flugzeugen investiert. Beim Nah- und Stadtverkehr wird auf der Last-Mile die Batterie-Technologie eine wesentliche Rolle spielen. Beim Langstrecken-Schwerverkehr wird sich voraussichtlich der Antrieb mit Wasserstoff durchsetzen. Zum wirtschaftlich günstigen und technisch leicht bewältigbaren Einsatz von Wasserstoff als Treibstoff sind aber noch eine Reihe von technischen Verfeinerungen zu entwickeln und zusätzliche Investitionen zu tätigen. Die staatliche Förderung eines Wasserstoff-Tankstellennetzes würde den Prozess beschleunigen.
Da der wirtschaftliche Erfolg für nachhaltige Logistikdienstleistungen derzeit noch gering ist und „Green Logistics“ von vielen Unternehmen als „nice to have“ eingestuft wird, könnten Anreize der Politik diese Wirtschaftlichkeit zusätzlich fördern. Konkrete Handlungen könnten unter anderem die Förderung von umweltfreundlichen Transporttechnologien, der Ausbau erneuerbarer Energien und die Förderung nachhaltiger und umweltfreundlicher Initiativen durch Unternehmen beinhalten.

Wie hat sich in letzter Zeit das Verständnis von Nachhaltigkeit in der Branche verändert?

Nachhaltigkeit erfährt in der Logistik, sowie in vielen anderen Branchen, gerade einen regelrechten Boom. Einerseits werden Logistikunternehmen mit erhöhten Kundenanforderungen und Regulatorien konfrontiert, andererseits ist der Markt weiterhin stark preisgetrieben und Kunden möchten für umweltfreundlichere Transportdienstleistungen nur in ausgewählten Fällen mehr bezahlen. Nicht erst seit der „Fridays for Future“ Bewegung sind die Forderungen für umweltfreundliches unternehmerisches Handeln stark gewachsen. Gerade bei Kunden aus der Automobilbranche und großen Konzernen erleben wir seit vielen Jahren hohe Ansprüche für eine nachhaltige (ökologisch, ökonomisch und sozial) Unternehmenspolitik. Geographisch ist zu sehen, dass Nachhaltigkeit nicht mehr nur Kunden in Amerika, West- und Zentraleuropa ein Anliegen ist, sondern sich weltweit Kunden mit dem Thema beschäftigen und hohe Anforderungen an ihren Logistikdienstleister stellen.

Welchen Stellenwert haben Klimaneutralität und Nachhaltigkeit in Ihrem Unternehmen? Welche Maßnahmen haben Sie bereits umgesetzt?

Nachhaltigkeit hat bei cargo-partner einen hohen Stellenwert. Schon vor vielen Jahren hat cargo-partner als Vorreiter viele Nachhaltigkeitsprojekte erfolgreich umgesetzt. So wurde 2018 das „iLogistics Center“ mit 12.250 m² Nutzfläche in Fischamend eröffnet. Das Lagergebäude ist komplett aus Holz gebaut, von der Wand- und Dachkonstruktion bis zur Fassade. Insgesamt wurden 4.200 m³ Holz in der Konstruktion verbaut. Jeder Kubikmeter Holz, der als Ersatz für andere, CO₂-intensivere Baustoffe dient, reduziert die CO₂-Emissionen in der Atmosphäre um durchschnittlich 1,1 Tonnen. Zusätzlich sind Holzkonstruktionen massive Kohlenstoffspeicher: In jedem Kubikmeter Holz sind 0,9 Tonnen CO₂ gespeichert. Wenn man dies auf die 4.200 m³ Holz umrechnet, die für den Bau des iLogistics Centers verwendet wurden, resultiert das in einer CO₂-Reduktion von 8.400 Tonnen. Zusätzlich werden durch energieeffiziente Temperaturführung erhebliche Emissionsersparnisse im Betrieb erzielt. Und auch der Einsatz von Photovoltaikanlagen und der Zukauf von Energie aus erneuerbaren Quellen ist ein wesentlicher Bestandteil von cargo-partners Weg Richtung Klimaneutralität. Zusätzlich wurde in den letzten Jahren ein Fokus auf Schienentransporte gelegt um Kunden eine klimafreundliche und kosteneffiziente Alternative zu „klassischen“ Transporten zu geben. Dieses Angebot wurde von den Kunden gerne angenommen: So konnten letztes Jahr bereits 15.000 TEU und zusätzlich 192 Kubikmeter in Sammelgutsendungen über unser „Rail“-Produkt transportiert werden. Die kontinuierliche Verbesserung unserer Prozesse, zum Beispiel bei der Auslastungsoptimierung, Bündelung von Sendungen und Tourenoptimierung ist eine weitere Maßnahme hinsichtlich Emissionsreduktion. Zudem legen wir auch bei Subunternehmern Wert auf Nachhaltigkeit, beispielsweise indem wir bei LKW-Transporten auf die Nutzung von Zugmaschinen mit emissionsarmen Motoren setzen.
cargo-partner sieht Nachhaltigkeit ganzheitlich und hat sich nicht nur ökologische Ziele gesetzt, sondern auch soziale und ökonomische Aspekte ins Zentrum der Nachhaltigkeitsstrategie gestellt. So wurden bereits zahlreiche Initiativen zum Wohl unserer MitarbeiterInnen und zum Gemeinwohl umgesetzt.

Was waren die größten Herausforderungen? Welche Fehler sollte man vermeiden?

Das Spannungsfeld zwischen Kundenanforderungen, Kosteneffizienz und Reduktion der Emissionen stellt eine große Herausforderung dar, welcher wir uns gerne stellen. Nachhaltigkeit sollte ein integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie sein und nicht nur leere Floskeln bleiben. Klimafreundliche Maßnahmen sollten frühzeitig eingesetzt werden, nicht nur um die behördlichen Regulatoren, mit denen Unternehmen in den nächsten Jahren konfrontiert werden, zu erfüllen, sondern um den Anforderungen der Kunden, Gesellschaft und anderen Stakeholdern gerecht zu werden und auch in Zukunft am Markt zu bestehen. Diese Verantwortung haben wir gegenüber unserer Natur und wir nehmen sie ernst.

Wie sensibilisieren Sie Kunden und Partner für das Thema?

Wir merken seit geraumer Zeit, dass die Thematik längst bei den Kunden angekommen ist und in vielen Fällen auch aktiv nachgefragt wird. Aus diesem Grund arbeiten wir derzeit intensiv an der Fertigstellung eines eigenen CO2-Rechners. Dieser wird den Kunden, je nach gewählter Route und Modalität, einen Überblick über die CO2-Bilanz des beauftragten Transports geben. Damit können wir dem Kunden faktenbasierte Empfehlungen hinsichtlich emissionsreduzierter Routen und Modalitäten geben. Dieses Projekt ist durchaus umfangreich und herausfordernd, wir sehen uns hier aber auf einem guten Weg.

Klimaschutz und Nachhaltigkeit in Transport und Logistik

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