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Wird Uber Freight die Transportbranche aufmischen und Speditionen in Europa gefährden? Exklusives Interview mit Daniel Buczkowski

Lesezeit 11 Min.

Wo ist, wenn es ihn überhaupt gibt, der Platz für die Spedition in der Vision vom Transport nach Uber Freight? Wie beabsichtigt die Firma, sich auf dem europäischen Markt, der so anders ist als der amerikanische, zu entwickeln? Über die Zukunft von Uber in Polen spricht Daniel Buczkowski, Head of European Expansion von Uber Freight in einem exklusiven Gespräch mit Trans.INFO.

Dorota Ziemkowska, Trans.INFO: Seid ihr die Erlösung oder eine Gefahr für die Transportbranche?

Daniel Buczkowski, Head of European Expansion, Uber Freight: Na ja… ich denke mal, dass der Wettbewerb generell an sich etwas Gutes ist. Dank ihm entwickelt sich alles ständig.

Uber Freight liefert die Technologie an die Branche, die vielleicht nicht imstande war, diese hinreichend effizient zu nutzen. Und ich bin der Meinung, dass die Branche daran nur gewinnen wird. Der Markt ist ineffizient, was daran zu erkennen ist, dass jeder fünfte LKW auf der Straße leer fährt. Es gibt keine Möglichkeit, Tarife in Echtzeit zu prüfen. Die Einsicht in die Umsetzung von Transportvorgängen ist eingeschränkt. Ich denke, dass die Kunden wollen, dass sich alles verändert. Damit sich die Qualität des Gewerbes verbessert.

Weiterhin habe ich aber eine direkte Antwort auf meine Frage nicht bekommen. Sie haben gewisse Vorteile genannt. Die Frage ist, ob die Branche, oder nur Uber profitieren wird.

Wer sind wir? Ein 3PL-Dienstleister, ein logistischer Dienstleister und das ist gar kein neues Konzept der Tätigkeit in der Branche. Es gibt verschiedene Arten der logistischen Dienstleister. Es gibt welche, die eigene LKWs haben und solche, die keine haben. Wir gehören der anderen Gruppe. Wir verbinden Ablader mit Transportunternehmen. Das ist sehr wichtig, weil wenn es sich erweisen würde, dass wir keine Dienstleistung liefern, an welcher beide Parteien gewinnen, sowohl die Transportunternehmen als auch die Ablader, so wird Uber Freight keine Zukunft haben.

Die Transportbranche gehört ja nicht zu solchen, in denen man erscheinen, schnell verdienen und verschwinden kann. Nur in Europa ist sie 500 Milliarden Dollar und in Polen 16 Milliarden Dollar wert, deswegen kann man sich den Markt nicht aneignen und dort machen, was man will.

Die Branche ist reif, sie bedient sich einer ganzen Menge an Informationen, z.B. für die Transportunternehmen ist die Höhe der guten Tarife wichtig, oder für die Ablader sind sie die Auslegung, womit sich ein guter logistischer Dienstleister beschäftigen soll. Wenn wir diese Erwartungen nicht erfüllen, werden wir keine Zukunft haben.

Gibt es in Polen, oder gar in Europa Firmen, die euren Markteintritt befürchten, euch als eine Gefahr wahrnehmen? Was würden Sie ihnen sagen?

Meinen Sie logistische Dienstleister?

Vor allem. Logistische Dienstleister, Speditionen, andere 3PL-Dienstleister…

Wir kehren zu meiner Meinung betreffend den Wettbewerb zurück. Der Wettbewerb ist gut und der Kunde wählt keine andere Firma, wenn er nur auf dem Preis basiert. Er will wissen, wer die gute Qualität bietet und wie sein Auftrag umgesetzt wird. Und ich denke mal, das wird ein Nutzen für alle sein.

Vor allem für kleinere Firmen, vor allem für kleinere Transportunternehmen, die heute nur schwer mithalten können. Warum? Weil sie das Geld 45-50 Tage später, wenn überhaupt, erhalten. Weil sie keinen Zugang zu Ladungen derselben Art haben wie die anderen, größeren Transportunternehmen. Wenn wir also ihnen die Möglichkeit geben, diese Ladungen zu fahren, helfen wir das Geschäft entwickeln.

Welche Probleme der Transportbranche sind die größten und welche Herausforderungen will Uber Freight annehmen?

Ich meine, es gibt viele Herausforderungen, man kann sie jedoch alle in einem Wort zusammenfassen: Fragmentierung. Nehmen wir als Beispiel die Europäische Union an sich – das sind 27 Länder (28 mit Großbritannien – Anm. der Red.), die sich verschiedener Sprachen und Währungen bedienen, sie haben verschiedene rechtliche Rahmen.

Das ist aber nicht alles. Nehmen wir zum Beispiel den Preis. Es gibt nicht einen einzigen Platz, wo ihn die Firma prüfen kann. An verschiedenen Plattformen kann es verschiedene Tarife geben und das wird durch eine Reihe von Faktoren beeinflusst. Es ist also keine leichte Aufgabe für die Transportunternehmen festzulegen, welcher gut ist und welcher nicht. Und ich denke, dass Uber Freight diese Situation verbessern kann.

Was ist mit dem Problem der Leerfahrten? Lior Ron, Chef von Uber Freight hat in einem der Interviews festgestellt, dass es eben das größte Problem der Branche ist und das wollen Sie bekämpfen und infolgedessen hoffen Sie, die Anzahl der leer fahrenden Autos um 25 Prozent zu verringern.

Ja… Ich denke, dass es sehr wichtig ist, die Differenz zwischen der kleineren Anzahl der Autos auf der Straße zu unterstreichen und zu veranlassen, dass die Gegenwart jedes LKWs berechtigter ist. Wenn ich sage, jedes fünfte Auto fährt leer, heißt das, es ist bereits dort auf der Straße. Wir wollen es nicht wegschaffen. Wir sollen das nicht tun! Wir sollten aber sicherstellen, dass es auf dieser Straße unentbehrlich ist, also es etwas zu befördern hat.

Die Hauptidee des Netzes der Verflechtungen, einer Plattform oder einer Börse ist die Verbindung zweier Parteien, die zusammenarbeiten können. Und wenn man das gut macht, wird infolge dessen etwas geschaffen, was wir flüssiges Netz nennen und das imstande ist, die Anzahl von leeren Meilen zu verringern. Und das ist in der Tat unser Ziel.

Wie funktionieren wir in den USA? Als Transportunternehmen reserviert man eine Ladung. Wir geben jedoch die Möglichkeit weitere, zusätzliche Ladungen mit zu reservieren. Indem wir die gesammelten Daten nutzen, überlassen wir ihm Informationen, welche Entfernung zwischen weiteren Punkten auf der Strecke besteht. Dadurch kann man den ganzen Weg und das Ziel der Reise optimieren.

Sie reden viel von Vorteilen, ich überlege aber, ob Uber Freight nicht allzu viel Unruhe in der Branche stiftet. Ich sehe hier eine Gefahr für eine gewisse Gruppe, die im Transport tätig ist, ich meine die Speditionen. Was ist mit denen ?

Ich kann ausschließlich das wiederholen, was ich bereits geäußert hatte. Ehrlich gesagt, sehe ich keine Nachteile in der Reduzierung der Transportbranche auf moderne Technologien und demzufolge in der Sicherstellung von transparenten Handlungen. Und eine solche Transparenz ist heute nicht gegeben.

Ich möchte Sie wiederum fragen, wie viele kleine Speditionen heute tätig sind? Die nicht großen, welche eine, vielleicht zwei Personen beschäftigen? Die sind nicht zahlreich. Warum ist es so? Weil sie keinen Zugang zum breiteren Markt haben, sie haben oft finanzielle Probleme, weil sie sowohl den Kunden als auch den Transportunternehmen zahlen müssen… Manche existieren überhaupt kaum noch.

Umgekehrt haben wir kleine Transportunternehmen, die manchmal mehr Ladungen übernehmen als sie erledigen können und geben diese an Subunternehmen weiter. Das ist meiner Meinung nach eine weitere große Herausforderung, die vor der Branche steht. Weil die Hinzufügung von weiteren Kettengliedern an die Lieferkette, welches dann jeweils seine eigene Marge abzweigt, nicht gut ist.

Moment mal, wenn sie von einer Zahl kleiner Speditionen und Transportunternehmen reden, meinen Sie die Branche in den Vereinigten Staaten oder in Europa? Das sind doch zwei komplett verschiedene Märkte und funktionieren mit komplett anderen Grundsätzen.

Das stimmt. In den USA haben wir eine Menge von Transportunternehmen-Fahrern ( Ich-AGs – Anm. der Red.). In Westeuropa sieht die Situation anders aus. Dort bilden kleine Flotten, bis zu 50 LKW, die Mehrheit. In Polen wiederum stellen 85 % des Marktes Transportunternehmen mit 10 und weniger LKWs dar. Obwohl es natürlich weiterhin eine Gruppe gibt, die lediglich einen bis zu fünf Lastern hat.

Im Zusammenhang damit, abhängig davon, von welcher Firma wir reden, kann es sich herausstellen, dass unsere für die Fahrer bestimmte App (Carrier App Uber Freight – eine ähnliche App zu der von Uber-, Uber Eats-Nutzern, etc. angewandten – Anm. der Red.) ist die beste Lösung. Wir entwickeln aber ebenfalls unsere (logistische) Plattform, die auch in Form einer App verfügbar sein wird.

Sind Sie also ein Transportunternehmen, das viele Laster hat und sich eines Disponenten oder einer anderen Person, welche Ihr Transport verwaltet, bedient, dann können sie dieses Werkzeug nutzen. Dort können Sie u.a. Ladungen zu Lastern zuteilen und das ganze Transport-Ökosystem der Firma leiten. Weil wir auch mithilfe dieses Werkzeugs beide Parteien miteinander verbinden.

Noch aber zurück zu Ihrer Frage – wir starten gerade in Polen. Und das ist zugleich für uns dieser Zeitpunkt, wann wir beginnen müssen, viel zu lernen. Ich kenne Antworten auf alle Fragen nicht, aber gerne würde ich mich mit kleineren Speditionen treffen, um zu sprechen, ihren Gesichtspunkt kennenlernen.

Eins noch gibt mir zu denken – sind Sie mit dem Markteintritt in Europa und in Polen nicht zu spät dran? Plattformen, welche Verlader und Transportunternehmen verbinden und dem, worüber Sie sprechen, ähneln, sind bereits vertreten oder in der Entwicklungs- oder Planungsphase vieler Firmen.

Eine gute Frage. Seit wie vielen Jahren gibt es die Transportbranche ? 80, vielleicht 90 Jahre. Das ist eine der wichtigsten Branchen der Welt. In Polen werden nahezu 75 % aller Ladungen im Straßentransport befördert. Die Logistik macht fast 11 Prozent des BIP aus und ein Teil der Logistik ist eben der Transport. Ich bin also der Meinung, dass die Branche eine lange Zukunft vor sich hat.

Ob wir zu spät erschienen sind? Nein, ich denke, dass der Zeitpunkt richtig ist. Die Technologie hat sich entwickelt, die Kunden sind damit immer mehr vertraut und die Transportunternehmen sind insoweit offen, dass sie beginnen, neue Lösungen zu testen.

Von anderen Marktteilnehmern unterscheidet uns, dass wir bewiesen haben, in einer größeren Skala tätig zu sein. Unsere Kunden wickeln jeden Tag Millionen von Transaktionen ab. Und die Technologie, welche Uber erstellt hatte, von Karten und Strecken bis hin zu den Zahlungen, hilft uns auch im Falle von Uber Freight.

Was ist mit Transportunternehmen, die bereits jetzt im Rahmen irgendwelcher Plattformen oder Transportbörsen tätig sind? Werden Sie diese abzweigen?

Alle können Uber Freight benutzen. Man hat z.B. als Transportunternehmen das Recht, beliebigen Auftrag zu wählen. Wenn der Preis, die Qualität und die Technologie gut sind, dann sind die Unternehmer zufrieden. Und sie werden diese Plattform benutzen. Das machen wir eben – wir versuchen ein Produkt zu schaffen, welches die Kunden dann verehren. Schauen Sie mal, was in den USA passiert ist. Wir haben vor zwei Jahren gestartet und heutzutage sind bei uns 400 Tsd. Fahrer tätig.

Ihr expandiert gerade nach Polen, warum gerade da?

Ich denke, dass ihr hier einen absolut aufregenden logistischen Markt habt. Er ist groß, wächst sehr schnell, ähnlich wie der inländische Transportmarkt. Und was vielleicht manche nicht befürworten, machen eure Fahrer nahezu 60 % der internationalen Transporte in Europa. Wie man also sieht, erfüllt Polen eine sehr wichtige Rolle in der Branche. Außerdem habt ihr hier viele kleine Transportunternehmen, denen, wie ich glaube, unsere Technologie helfen kann, Bewegung ins Geschäft bringen.

Foto: Trans.INFO

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