Das geplante Lieferkettengesetz – eine Herausforderung auch in Wettbewerbsrechtlicher Hinsicht

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Frankreich und die Niederlande haben es schon, Großbritannien auch. In Deutschland soll es noch kommen: das sog. Lieferkettengesetz oder amtlich „Bundesgesetz über die Stärkung der unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in globalen Wertschöpfungsketten oder auch „Sorgfaltspflichtengesetz”.

Was verbirgt sich dahinter?

Bereits seit mehreren Jahren wird die Notwendigkeit eines Gesetzes diskutiert, auf dessen Grundlage Unternehmen für die Verletzung von Menschenrechten und Umweltverstößen innerhalb von globalen Lieferketten zur Verantwortung gezogen werden können. Darunter fallen Menschenrechte, wie der Schutz vor Kinderarbeit oder Sklaverei, aber auch Umweltschutzaspekte, wie die Verwendung von Pestiziden oder Wasser- und Luftverschmutzung. Das Lieferkettengesetz soll deutsche Unternehmen dazu verpflichten, bei ihren ausländischen Partnern darauf zu achten und letztlich auch einzufordern, dass diese bestimmte Standards einhalten und dies entsprechend dokumentieren. Faktisch handelt es sich dabei also um gesetzlich festgeschriebene Corporate Social Responsibiliy (CSR) Vorgaben.

Wen betrifft es?

Vom Lieferkettengesetz sollen alle Unternehmen entlang der Lieferkette erfasst werden, also Lieferanten, Produzenten und (Zwischen-)Händler. Über die Details wird jedoch noch gestritten. Arbeits- und Entwicklungsministerium plädieren dafür Unternehmen ab 500 Mitarbeitern zu verpflichten, das Wirtschaftsministerium möchte das Gesetz erst für Unternehmen ab 5.000 Mitarbeitern greifen lassen. Wirtschaftsverbände warnen vor Wettbewerbsnachteilen und ausufernder Bürokratie insbesondere für kleinere Unternehmen. Es bleibt abzuwarten, welche gemeinsame Position hier gefunden wird.

Welche Verpflichtungen sind geplant?

Im Gespräch sind derzeit Prüfpflichten der betreffenden Unternehmen, ob sich „ihre Aktivitäten nachteilig auf international anerkannte Menschenrechte auswirken.” Ist dies der Fall, sollen die Unternehmen angemessene Präventions- und Abhilfemaßnahmen ergreifen.
Denkbar sind darüber hinaus auch weitere Sorgfaltspflichten, z.B.

  • umfassende Dokumentationspflichten über die Beteiligten der Lieferkette und die Einhaltung relevanter Regelungen
  • die Pflicht zur Risikobewertung für die betroffenen Güter
  • die Einleitung geeigneter Risikominderungsmaßnahmen sowie
  • Pflichten für die Vertragsgestaltung mit Lieferanten.

Solche Pflichten sind in einigen sektorspezifischen Lieferkettengesetzen bereits umgesetzt, wie beispielsweise in der EU-VO 995/2010 mit Sorgfaltspflichtenregelungen für Importeure und Händler von Holz und Holzerzeugnissen oder auch in der im Januar 2021 in Kraft tretenden Konfliktmineralienverordnung VO 2017/821 mit Sorgfaltspflichten in der Lieferkette für Unionseinführer von mineralischen Rohstoffen aus Konflikt- und Hochrisikogebieten.

Mit welchen Folgen ist bei Missachtung der Sorgfaltspflichten zu rechnen?

Neben Haftungsfragen, die von einigen Autoren bereits umfänglich erörtert werden (vgl. Rudkowski, Arbeitsbedingungen in den globalen Lieferketten – Verantwortung deutscher Unternehmen de lege lata und de lege ferenda, RdA 2020, 232; https://www.tagesschau.de/wirtschaft/lieferkettengesetz-faq-101.html), und behördlichen Sanktionen (wie z.B. die Beschlagnahme oder Einziehung von Erzeugnissen, die sofortige Aussetzung der Genehmigung einer Handelstätigkeit oder auch Geld- und Freiheitsstrafen) sind auch in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht Risiken denkbar. Ein bislang kaum beachteter Aspekt ist die Frage, ob Mitbewerber bei Verstößen gegen das Lieferkettengesetz gegeneinander vorgehen können, sich also abmahnen und zur Unterlassung / Beseitigung auffordern dürfen. Es spricht viel dafür, auch das Lauterkeits- bzw. Wettbewerbsrecht zur Durchsetzung gesetzlicher Sorgfaltspflichten heranzuziehen. Wie bei Datenschutz- oder Produktsicherheitsregeln ist es naheliegend, ebenso menschenrechts- oder auch umweltbezogene Sorgfaltspflichten als Marktverhaltensregeln anzusehen und deren Verletzung als Rechtsbruch im Sinne des § 3a UWG zu betrachten. In diesem Fall wären gravierende Rechtsfolgen denkbar, die sich unter Umständen bereits mittels einstweiliger Verfügung erreichen ließen. So könnte dem Bezieher von ausländischen Produkten untersagt werden, diese Produkte einzukaufen oder zu importieren bis der ausländische Lieferant (vermeintliche) Menschenrechts- oder Umweltschutzverletzungen eingestellt hat. Möglich sind auch Verkaufsverbote oder Produktrückrufe, wenn entsprechende Produkte bereits in den Verkehr gebracht wurden.

Entsprechende Ansprüche dürften denkbar nur durch Vorlage von Dokumenten abgewehrt werden können, die belegen, dass das Unternehmen die erforderlichen Maßnahmen zur Vermeidung gerade solcher Rechtsverletzungen getroffen hat. Da es sich dabei aber zumindest teilweise auch um Interna handeln kann, besteht die Gefahr, dass Wettbewerber durch den Gerichtsprozess Einsicht nehmen können.

Vor allem aber droht ein beträchtlichen Reputationsschadens, der häufig selbst dann nicht mehr zu beheben ist, wenn die einstweilige Verfügung später wieder aufgehoben wird. Auch eine mögliche Schadensersatzforderung gegen den Wettbewerber heilt nicht den Makel der unlauteren Geschäftemacherei.

Wie aufgezeigt, können allein die wettbewerbsrechtlichen Rechtsfolgen sehr vielfältig ausfallen. In diesem Bereich hat es der Gesetzgeber noch in der Hand, indem er beispielsweise den Rechtsbruchtatbestand für das Lieferkettengesetz als nicht anwendbar erklärt.

Wie geht es nun weiter mit dem Lieferkettengesetz?

Auch wenn sich die Diskussionen auf Gesetzgeberseite sicherlich noch etwas hinziehen werden, dürfte inzwischen aber sicher sein, dass das Lieferkettengesetz kommen wird. Für Unternehmen bleibt zwar insoweit abzuwarten, welche Schwellenwerte verabschiedet und welche konkreten Pflichten erlassen werden. Allerdings sind sie sicherlich gut beraten, wenn sie sich über mögliche Maßnahmen zur Umsetzung der angedachten Sorgfaltspflichten in der eigenen Unternehmensstruktur mittels folgender Fragen schon jetzt Gedanken machen:

  • Besteht das Risiko, dass sich die eigenen unternehmerischen Aktivitäten und Geschäftsbeziehungen potentiell oder tatsächlich nachteilig auf Menschenrechte oder die Umwelt auswirken?
  • Wie kann organisatorisch sichergestellt werden, dass solche Risiken frühzeitig erkannt und sachgerecht analysiert werden?
  • Welche Maßnahmen zur Vermeidung, aber auch zur Behebung solcher negativen Auswirkungen sollten im Unternehmen implementiert werden? Wie wird sichergestellt, dass diese Maßnahmen kontinuierlich überprüft und verbessert werden?
  • Gibt es einen Beschwerdemechanismus? und
  • Ist sichergestellt, dass die eigene Unternehmenspolitik zu diesen Fragen transparent und offen kommuniziert wird?

AUTOREN:

Micaela Schork, LL.M.

Partnerin bei TIGGES

Patrick J. Kaatz

Rechtsanwalt bei TIGGES

Foto: wallpaperflare

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