Das Europäische Parlament hat am Donnerstag seine offizielle Verhandlungsposition zur Reform der EU-Regeln für Nachhaltigkeitsberichterstattung und Sorgfaltspflichten festgelegt. 382 Abgeordnete stimmten dafür, 249 dagegen, 13 enthielten sich, heißt es in der Mitteilung des EU-Parlaments.
Nach dem Beschluss sollen die bisherigen Vorgaben für Unternehmen deutlich entschlackt werden:
- Berichtspflichten sollen künftig nur noch für Firmen gelten, die über 1.750 Beschäftigte haben und mehr als 450 Mio. Euro Jahresnettoumsatz erzielen.
- Sorgfaltspflichten – also die Pflicht, Risiken für Mensch und Umwelt in der Lieferkette zu prüfen – würden nur noch für sehr große Unternehmen gelten: ab 5.000 Beschäftigten und 1,5 Mrd. Euro Umsatz.
- Ein verpflichtender Übergangs- oder Klimaplan ist nicht mehr vorgesehen.
- Branchenspezifische Berichte würden freiwillig.
- Kleine Zulieferer sollen vor zusätzlichen Informationspflichten geschützt werden.
Das Parlament begründet dies damit, dass die Regeln „vereinfacht und auf die wirklich relevanten Unternehmen fokussiert“ werden sollen.
Weniger Kontrolle in der Lieferkette
Laut Parlamentsbeschluss müssen Unternehmen ihre Lieferanten nicht mehr entlang der gesamten Lieferkette überprüfen. Stattdessen soll ein risikobasierter Ansatz gelten: Unternehmen sollen sich auf bestehende Daten stützen und nur im Ausnahmefall zusätzliche Informationen einholen.
Auch die Haftung wird abgeschwächt: Verstöße sollen auf nationaler Ebene geahndet werden, nicht mehr EU-weit. Betroffene hätten weiterhin Anspruch auf Schadensersatz – aber die Regeln sollen „klarer und weniger belastend“ gestaltet werden, so das Parlament.
Neues EU-Portal soll Bürokratie reduzieren
Als Entlastungselement plant die EU-Kommission ein neues digitales Portal, das Unternehmen:
- Vorlagen
- Leitlinien
- und sämtliche EU-Berichtspflichten
kostenlos und gebündelt zur Verfügung stellt.
Laut Parlament soll das Portal den bestehenden European Single Access Point ergänzen und Unternehmen „einheitlichen Zugang zu allen relevanten Vorgaben“ verschaffen.
Der Berichterstatter des Rechtsausschusses, Jörgen Warborn (EVP, Schweden), sagte laut Pressemeldung:
„Die heutige Abstimmung zeigt, dass Europa sowohl nachhaltig als auch wettbewerbsfähig sein kann. Wir vereinfachen Regeln, senken Kosten und geben den Unternehmen die Klarheit, die sie brauchen, um zu wachsen, zu investieren und gut bezahlte Arbeitsplätze zu schaffen.“
Wie geht es weiter?
Die Verhandlungen zwischen Parlament und Mitgliedstaaten beginnen am 18. November. Ziel ist laut EU-Parlament, die Gesetzgebung bis Ende 2025 abzuschließen.
Was bedeutet das für Deutschland?
Deutschland hat seit 2023 ein eigenes Lieferkettengesetz, das deutlich strengere Schwellenwerte vorsieht:
- ab 1.000 Beschäftigten,
- umfassende Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Lieferkette.
Wenn die europäische Richtlinie in der jetzt beschlossenen abgeschwächten Form kommt, würde sie für deutlich weniger Unternehmen gelten als das deutsche Gesetz.
Laut EU-Regeln gilt aber gleichzeitig ein „Verschlechterungsverbot“: Die Umsetzung der EU-Richtlinie darf nationale Standards grundsätzlich nicht absenken.
Für Deutschland bedeutet das:
- Die Bundesregierung kann ihr eigenes Gesetz nicht einfach auf EU-Niveau reduzieren,
- müsste aber gleichzeitig sicherstellen, dass beide Regelwerke miteinander vereinbar bleiben.
Für die deutsche Logistik- und Transportbranche, die häufig als Zulieferer arbeitet, könnte die Neuausrichtung zu weniger Anforderungen führen – aber nur dann, wenn Deutschland den Spielraum der EU-Richtlinie entsprechend nutzt.








