Foto: Daimler Truck

E-LKW im Alltag: Logistikunternehmen berichten aus der Praxis

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Immer mehr Transportunternehmen wagen den Schritt in die Elektromobilität – auch ohne perfekte Rahmenbedingungen. Während Wessels Logistik im Münsterland auf Schichtbetrieb und eigene Ladeinfrastruktur setzt, testet Vandijck Transport in Belgien den Einsatz auf internationalen Langstrecken. Beide Betriebe zeigen, dass sich mit einer klaren Strategie die Hürden meistern lassen.

Die Elektrifizierung des Schwerlastverkehrs bleibt komplex – technische, wirtschaftliche und infrastrukturelle Herausforderungen stehen dem politischen Druck zur Dekarbonisierung gegenüber. Dennoch wagen immer mehr mittelständische Transportunternehmen den Schritt. Zwei aktuelle Beispiele zeigen, wie unterschiedlich der Einstieg verlaufen kann – und wo Chancen liegen.

Wessels Logistik: Schichtmodell macht Elektrobetrieb wirtschaftlich

Wessels Logistik aus Rhede im Münsterland hat zwei batterieelektrische Sattelzugmaschinen vom Typ eActros 600 im regulären Zwei-Schicht-Betrieb im Einsatz. Geschäftsführer Andre Wessels ist überzeugt:

Ein Einschichtbetrieb wäre bei unseren Fixkosten unwirtschaftlich.“ Die E-LKW fahren tagsüber Baustoffe und nachts Stückgut – bis zu 760 Kilometer am Tag.

Die dafür nötige Ladeinfrastruktur entsteht derzeit auf dem eigenen Betriebsgelände. Geplant sind vier Schnellladesäulen, gespeist durch eine Photovoltaikanlage mit Batteriespeicher. Perspektivisch sollen auch andere Transportunternehmen Zugang zur Ladeinfrastruktur erhalten.

Ich bin überzeugt, dass sich die Branche bei der Energie- und Antriebswende gegenseitig helfen kann“, sagt Wessels.

Wessels unterstützt daher die Pläne von Daimler Truck, ein halböffentliches europäisches Ladenetzwerk “TruckCharge” aufzubauen. Dieses soll Ladepunkte bei Händlern und Logistikunternehmen integrieren.

Logistikzentren liegen meist verkehrsgünstig und verfügen über ausreichend Platz. Ein solches Netzwerk kann ein echter Schub für die Branche sein“, so Wessels.

Mercedes-Benz Trucks bestätigte, dass Wessels Logistik als eines der ersten Unternehmen seine Ladeinfrastruktur in das Netzwerk einbringen will.

Aktuell betreibt Wessels zwei eActros 600, ein drittes Fahrzeug als Gliederzug folgt in Kürze. Auch ein kleinerer eActros 300 soll bald Teil der Flotte sein. Auf den Tag- und Nachttouren legen die Fahrzeuge je nach Einsatzprofil bis zu 570 oder 760 Kilometer täglich zurück. Öffentlich geladen wird bislang nur im Ausnahmefall – etwa bei einer Nachtfahrt nach Homberg/Efze, wo ein Kooperationspartner noch keine eigene Ladeinfrastruktur aufgebaut hat.

Einzige Einschränkung bisher sei bei gewichtssensiblen Transporten die Technik, die an gesetzliche Grenzen stößt.

Die derzeit erlaubten 42 Tonnen Gesamtgewicht reichen nicht, um das Batterie-Mehrgewicht vollständig zu kompensieren“, sagt Wessels.

Dennoch sei das Feedback durchweg positiv – vor allem von den Fahrern: „Die sind begeistert und wollen gar nicht mehr zurück auf Diesel.“

Vandijck Transport: Testfahrt über 1.500 Kilometer

Auch Vandijck Transport aus dem belgischen Herentals investiert in Elektro-LKW. Zwei Fahrzeuge wurden bestellt, noch vor der Auslieferung im zweiten Quartal 2025 testete Geschäftsführer Guy Vandijck selbst ein Vorserienmodell des eActros 600 – auf einer 1.530 Kilometer langen Strecke zwischen Belgien und der Schweiz. Mit einer Zwischenladung bewältigte das Fahrzeug die Tour mit 33,2 Tonnen Gesamtgewicht. Die durchschnittliche Reichweite lag bei knapp 600 Kilometern bis zum ersten Ladestopp. Besonders beeindruckte Vandijck das Rekuperationssystem.

In den Bergen wurde deutlich Energie zurückgewonnen. Der Verbrauch lag bei nur 96,3 kWh pro 100 Kilometer“, berichtet er.

Auch das Fahrverhalten überzeugte: leise, stabil, komfortabel. „Es ist ein Vergnügen, damit zu fahren“, so Vandijck. Für ihn war die eigene Teilnahme an der Testfahrt ein wichtiger Schritt: „Ich will meine Fahrer nicht ins Ungewisse schicken. Ich fahre die ersten Einsätze selbst mit.“

Immer mehr Unternehmen setzen auf Elektromobilität, obwohl zentrale Fragen ungelöst bleiben: Die Ladeinfrastruktur ist vielerorts unzureichend und die Investitionen sind hoch.

Doch für Vandijck Transport ist klar, dass der Druck von Seiten der Kunden wächst.

Vor allem große Unternehmen verlangen grüne Alternativen“, sagt Nathalie Vandijck, Managerin bei Vandijck Transport. „Unsere Kunden sind begeistert, wenn sie sehen, dass ihr Logistikpartner in nachhaltige Lösungen investiert – und genau das wollen wir zeigen“, fügt Guy Vandijck hinzu.

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