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Quelle: Ver.di/Twitter

Wird eine weitere Krise weltweite Lieferketten treffen? Eine globale Streikwelle könnte dazu führen

In Südkorea sind tausende Lkw-Fahrer in den Streik getreten. In Deutschland drohen Hafenarbeiter mit Streiks. Und im Juli könnten ihnen auch Dockerarbeiter an der amerikanischen Westküste folgen. Eine baldige Verbesserung der angespannten Situation in den globalen Häfen steht nicht in Sicht.

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Die globalen Lieferketten wurden nach dem Corona-Ausbruch durch alle möglichen Plagen getroffen. Von verstopften Häfen, Containermangel und Blockaden wichtiger Seewege bis hin zur regelmäßig wiederkehrenden Pandemie in China. Auch diesmal wird ein Schlag für die globale Logistik erwartet.

In Südkorea endete am 15. Juni ein achttägiger Streik von Lkw-Fahrern, die eine Anpassung ihrer Löhne an steigende Kraftstoffpreise forderten. Mehrere tausend Trucker protestierten in Busan, einem der größten Häfen der Welt, der das Exportfenster Koreas zur Welt ist.

Koreanische Lkw-Fahrer können von einem Erfolg sprechen. Die Regierung in Südkorea hat zunächst zugesagt, das System der Mindestsätze für den Transport beizubehalten. Überdies hat sie sich auch bereit erklärt, diese Sätze an steigende Kosten anzupassen, und wird die Trucker auch angesichts steigender Kraftstoffpreise unterstützen.

Dieser Erfolg der Fahrer bedeutet jedoch ein Problem für die koreanische Wirtschaft. Der Streik, der am 7. Juni begann, kostete die koreanische Industrie in der ersten Woche 1,2 Milliarden Dollar. Nach Angaben des vom Guardian zitierten Unternehmens Project 44 warteten die Container im Hafen von Busan nach einer Streikwoche mehr als 14 Tage auf die Entladung, während es zu Beginn des Streiks nur 4 Tage waren. Bei Exporten beträgt die Wartezeit jetzt 11,38 Tage – um 225 Prozent mehr als eine Woche zuvor.

Der Streik könnte schwerwiegende Folgen für die globale Industrie haben, sowohl für die Elektrobranche als auch für die Automobilindustrie. Südkorea ist nämlich einer der führenden Hersteller von Chipkomponenten. Seit über einer Woche liegen Container mit Chips sowie solche mit Produkten aus der Automobil- und Elektroindustrie im Hafen. Es wird mehrere Wochen dauern, bis sich der Stau auflöst.

Auch in Europa drohen Streiks…

Auch in Europa scheint die Lage, immer komplizierter zu werden. In der zweiten Juniwoche haben die deutschen Gewerkschaften Warnstreiks in den Häfen von Hamburg, Emden, Bremen, Wilhelmshaven und Bremerhaven organisiert. Zwischen Ver.di und dem Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) laufen derzeit Gespräche über Erhöhungen der Entgelte.

Die Vertreter von Hafenbeschäftigten meinen, dass die bisher vorgeschlagenen Erhöhungen “angesichts der hohen Belastungssituation und kontinuierlich steigender Preise sowie einer aktuellen Inflation von knapp 8 Prozent” unzureichend seien. Der ZDS hält den Warnstreik und die Androhung weiterer Proteste aufgrund der anhaltenden Hafenüberlastung für „absolut verantwortungslos”.

Auch in Belgien könnte es zu einem Streik kommen. Die Transportgewerkschaft BTB rief die Beschäftigten des Sektors dazu auf, am 20. Juni an einer Demonstration in Brüssel teilzunehmen. Die Teilnehmer werden Lohnerhöhungen fordern und auch gegen das geltende Gesetz protestieren, das Arbeitnehmer daran hindert, frei über Lohnerhöhungen zu verhandeln, während die Lebenshaltungskosten und Kraftstoffpreise in Belgien genauso wie in ganz Europa steigen.

Angespannte Situation in den USA

Potentiell sind Streiks auch in den USA zu erwarten. Seit Anfang Mai werden Gespräche zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften geführt, die 22.000 Mitarbeiter aus 30 Häfen an der US-Westküste vertreten. Auch die Löhne werden ausgehandelt. Der derzeit gültige Vertrag läuft am 1. Juli aus. Wird keine Einigung erzielt, kann dies unter anderem zu einem Streik und Arbeitseinstellung in Los Angeles-Long Beach, dem größten amerikanischen Hafen, führen.

Dies wäre ein schwerer Schlag für die Lieferketten, weil die Häfen an der Westküste mit einer großen Überlastung konfrontiert sind, die maßgeblich für den Mangel an Containern und den daraus resultierenden Anstieg der Frachtraten in der Seeschifffahrt weltweit verantwortlich war.

Wenn sich also Arbeitgeber und Gewerkschaften auf mehreren Kontinenten nicht schnell einigen, kann es erneut zu einer Krise der globalen Frachtströme kommen. Und für Logistiker würde dies eine Situation bedeuten, die sie sich am wenigsten wünschen würden.

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