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Sind intelligente Autobahnen eine mörderische Falle? Die Diskussion in Großbritannien nach einem Unfall mit Beteiligung eines polnischen Fahrers

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In Kürze wird ein Urteil in der Sache eines polnischen Fahrers, der in zwei auf der Autobahn M1 geparkte Fahrzeuge fuhr und dabei ihre Fahrer umbrachte, gefällt. Die Witwe eines der Opfer überzeugt, dass der Pole freizusprechen sei, weil es zu dem Unfall nicht gekommen wäre, wenn die Idee der intelligenten Autobahnen auf den Inseln nicht so modisch wäre. Ihre Befürchtungen zur Sicherheit auf diesen Straßen teilen auch andere Briten.

Zum tragischen Unfall kam es 2019. Ein aus Polen stammende Lieferwagenfahrer fuhr in zwei auf der M1 nach einem Zusammenstoß stehende Autos bei Sheffield ein. Die Fahrer waren auf der Stelle tot.

Der Pole bestritt vorm Gericht seine Beteiligung am Unfall nicht. Seine Anwältin meinte aber, dass er an diesem Ort beide Fahrzeuge erst mehrere Sekunden vor dem Aufprall erblicken konnte. Er überschritt die zulässige Geschwindigkeit nicht, er war auch nicht alkoholisiert.

Merkwürdigerweise bekräftigte seine Stellungnahme die Witwe eines der Opfer.

Es wäre dazu nicht gekommen, wenn sie nicht auf der intelligenten Autobahn gewesen wären, überzeugte Claire Mercer, von der bbc.com zitiert. – (Der polnische Fahrer) stand morgen nicht mit der Absicht auf, zwei Personen umzubringen. Er hatte einfach keine Zeit für eine Reaktion, fügte sie hinzu.

Die Fahrer haben Angst

Der Auftritt von Mercer ist nicht die einzige kritische Stimme zu den sog. intelligenten Autobahnen in Großbritannien. Im Gegenteil. Bis zu 68 % Fahrer halten diese für gefährlicher als die traditionellen Autobahnen, geht aus den Anfang dieses Jahres Angaben der Automobilorganisation RAC, veröffentlicht durch walesonline.co.uk, hervor.

John Apter, der Vorsitzende der Police Federation of England and Wales nannte diese direkt eine “tödliche Falle”. Die britischen Medien erinnern an einen Bericht, erarbeitet durch das britische Parlament, in welchem auf nahezu tausend Hilferufe, versendet von Fahrern, die wörtlich auf intelligenten Autobahnen gefangen waren und nicht wussten, wie sie in einer gefährlichen Situation zurechtkommen sollen, Bezug genommen wurde. Wie theguardian.com mitteilt, sind das “erschütternde” Stimmen.

Die Annahmen waren lobenswert

Worum geht es bei den kontroversen intelligenten Autobahnen? In der Theorie sollte die Lösung Sicherheit und flüssigen Verkehr sicherstellen. Bei einem intelligenten Verkehrsmanagement sollten diese Straßen u.a. ermöglichen, über den Seitenstreifen zu fahren, wenn es nicht allzu viele Fahrzeuge auf der Straße gibt und kein Unfall vermerkt wurde. Der Seitenstreifen kann also, theoretisch, zeitweise in einen normalen Verkehrsstreifen umgewandelt werden.

Das System intelligenter Autobahnen stützt sich ebenfalls auf die Angabe von Informationen zu den zeitweiligen Geschwindigkeitsbeschränkungen (diese werden an Tafeln über den Straßen angegeben) und Schließung diverser Streifen für den Verkehr.

Bei einer Panne sollten Autos in eine Bucht an der Autobahn abfahren und dort auf Hilfe warten. Wie das walisische Medium angibt, wurde es offiziell eingeschätzt, dass solche Orte leicht erreichbar sind, weil Autos, die mit einer Geschwindigkeit von 60 Stundenmeilen fahren, an diesen alle 75 Sekunden vorbeifahren sollen.

Soweit die Theorie. In der Praxis stellt sich heraus, dass die Fahrer nicht wissen, was bei einer plötzlichen Autopanne oder bei einem Unfall zu machen ist. Die britischen Medien alarmieren, dass intelligente Autobahnen gar nicht so gut überwacht werden, wie es versichert wurde und einen Fahrer in der Bredouille zu bemerken sogar 17 Minuten in Anspruch nimmt. Die weiteren 17 Minuten braucht die Hilfetruppe, ihn zu erreichen. Die Entfernung zwischen weiteren Halteorten bei einer Panne lässt auch viel zu wünschen übrig.

Geht es um Geld?

Der Betreiber von britischen Autobahnen, Highways England, verteidigt die Idee, indem er beteuert, dass “intelligente Autobahnen die Zuverlässigkeit des Reisens um 22 %” verbessert haben, ferner soll sich die Zahl der ernsten mit Unfällen verursachten Gesundheitsschäden vermindert haben. Des Weiteren schätzt er, dass sich die Länge der intelligenten Straßen um weitere 300 Meilen bis 2025 verlängern soll.

Die Medien weisen aber darauf hin, dass hinter der Idee der intelligenten Autobahnen vor allem… Einsparungen stehen können. “Wenn die Straßen (wegen des zunehmenden Verkehrs auf ihnen – Anm. der Redaktion) verbreitert werden sollten, ist die Benutzung des Randstreifens als zusätzlichen Verkehrsstreifens nur bei Errichtung zusätzlicher Nothalte- und Pannenbuchten (für Autos) billiger”, fasst walesonline.co.uk zusammen.

Zurzeit machen sog. intelligente Straßen etwas mehr als 8 % des Verkehrsnetzes in Großbritannien aus.

Foto: pixabay/Rico_Loeb/public domain

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