Hafen Antwerpen-Brugge

Hafensituation in Belgien: Lotsenstreik ausgesetzt, vorerst nur auf Zeit

Lesezeit 7 Min.

Belgiens Seelotsen haben ihren Streik nach zehn Tagen Stillstand in den Häfen Antwerpen, Zeebrügge und Gent vorübergehend beendet. Die Gewerkschaften erklärten sich bereit, ihre Arbeitsniederlegung bis zum 24. Oktober auszusetzen – eine letzte Frist für die flämische Regierung, eine im Juni getroffene Rentenvereinbarung umzusetzen, bevor die Verhandlungen erneut beginnen.

Nach Berichten flämischer Medien haben die Pilotengewerkschaften ihrer „Dienst nach Vorschrift“-Kampagne vorübergehend ein Ende gesetzt, um die festgefahrene Situation zu durchbrechen. Damit erhält die Regierung zehn Tage Zeit, um durch Vermittlung und konkrete Schritte zu zeigen, dass sie die Vereinbarung aus dem Sommer einhalten will.
Die Aussetzung gilt bis zum 24. Oktober um 7:30 Uhr. Sollte es bis dahin keinen Fortschritt geben, drohen die Gewerkschaften mit einer Wiederaufnahme der Streiks.

Allmähliche Erholung im Hafen Antwerpen

Laut dem Hafen Antwerpen-Brügge wurde der reguläre Fahrplan für Schiffsanläufe und -abfahrten am Mittwochmorgen (15. Oktober) wieder aufgenommen, nachdem die Piloten ihre Arbeit fortgesetzt hatten. Die Berufsvereinigung BvL bestätigte den Wiedereinstieg, betonte jedoch, dass sich die volle Einsatzfähigkeit erst im Laufe des Tages zeigen werde.

„Eine allmähliche Verbesserung ist bereits spürbar, doch der Abbau des Rückstaus wird mehrere Tage dauern“, erklärte die Hafenbehörde in einem morgendlichen Update.

Am Mittwochmorgen warteten rund 60 Schiffe auf die Ausfahrt und etwa 100 auf die Einfahrt in den Hafen. Zudem wurde das für diese Woche geplante Absenken des fünften Tunnelsegments – eine Operation, die die Kallosschleuse und die Obere Schelde zeitweise geschlossen hätte – verschoben, um weitere Störungen zu vermeiden.

Zehn Tage Stillstand: Hunderte Schiffe betroffen

Der Streik hatte am 6. Oktober begonnen, als Piloten aus den Verbänden AvK, BvL und OVL sowie die Gewerkschaften ACOD, ACV und VSOA aus Protest gegen die föderale Rentenreform die Arbeit niederlegten.
Mitte Oktober warteten über 150 Schiffe vor der belgischen Küste oder an den Hafenzufahrten. Dutzende weitere waren in Antwerpen, Zeebrügge und Gent blockiert und konnten weder ent- noch beladen werden.

Der Sprecher des Hafens Antwerpen-Brügge, Lennart Verstappen, erklärte gegenüber dem Sender VRT, die Störung habe „erhebliche betriebliche Auswirkungen“, da sich Verspätungen entlang der gesamten Lieferkette fortsetzten.

Rentenreform als Auslöser des Konflikts

Im Zentrum des Arbeitskampfes steht der Plan der Bundesregierung, die Rentenregelungen für Seelotsen zu überarbeiten. Laut Gewerkschaften könnten jüngere Lotsen dadurch bis zu 45 Prozent weniger Rente erhalten, zudem sollen Sondervergütungen künftig nicht mehr in die Berechnung einfließen.

Der Verband BvL betonte, man habe bereits am 2. Juni mit den flämischen Ministern Jan Jambon und Annick De Ridder eine Vereinbarung erzielt, um die Auswirkungen der Reform abzumildern. Die Regierung habe jedoch versäumt, die notwendigen Schritte umzusetzen – ein „klarer Vertragsbruch“, so der Verband.

„Es besteht bereits ein Fachkräftemangel in unserem Sektor“, warnte BvL-Vorsitzender Francis Baetens. „Viele flämische Lotsen ziehen es inzwischen vor, für den niederländischen Dienst zu arbeiten – dort sind Löhne, Renten und Arbeitsbedingungen besser, der Ruhestand ist mit 60 möglich.“

Forderungen nach Vermittlung

Der Antwerpener Hafenratsvorsitzende Johan Klaps (N-VA) warnte, wiederholte Streiks könnten den internationalen Ruf des Hafens Antwerpen-Brügge nachhaltig beschädigen. Er rief beide Seiten auf, schnell an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

„Einige Branchen stehen ohnehin unter Druck – solche Maßnahmen treffen sie besonders hart“, sagte Klaps gegenüber lokalen Medien.

Die Piloten haben inzwischen einer sozialen Vermittlung zugestimmt und signalisiert, dass sie bereit sind, die Gespräche fortzusetzen – vorausgesetzt, die Regierung hält sich an die bisherige Vereinbarung.

Trotz des Wiederanlaufs bleibt der Rückstau erheblich: Über 100 Schiffe liegen weiterhin vor Anker in der Nordsee oder in Hafennähe. Bis zur vollständigen Normalisierung könnten noch mehrere Tage oder Wochen vergehen.

Das Ergebnis der neuen Verhandlungsrunde, die bis Ende November abgeschlossen sein soll, dürfte entscheiden, ob Belgien eine erneute Lähmung seiner wichtigsten Häfen vermeiden kann.

Weitere Arbeitskämpfe im ganzen Land

Der Lotsenstreik fiel zeitlich mit einem landesweiten Generalstreik am 14. Oktober zusammen, zu dem die größten belgischen Gewerkschaften aufgerufen hatten – aus Protest gegen Lohn- und Rentenreformen.

Der Ausstand legte große Teile des öffentlichen Verkehrs, der Flughäfen und Verwaltungsdienste lahm und verschärfte die Engpässe in der Frachtabfertigung in Antwerpen, Zeebrügge, Gent, Brüssel und Lüttich.

Das Verkehrsleitungszentrum Zandvliet in Antwerpen arbeitete während des Generalstreiks nur mit Notbesetzung, was den Seeverkehr für mehrere Stunden vollständig zum Erliegen brachte. Zahlreiche Fluggesellschaften stornierten oder leiteten Fracht- und Passagierflüge um, da auch Boden- und Sicherheitspersonal die Arbeit niederlegten.

Europäische Frachtkorridore unter Druck

Die belgischen Arbeitskämpfe fallen in eine Phase, in der gleich mehrere zentrale Logistikkorridore Europas unter Druck stehen.
Im benachbarten Rotterdam ordnete ein Gericht am 13. Oktober an, dass die streikenden Lascher nach fast einer Woche Arbeitsunterbrechung die Arbeit wieder aufnehmen müssen. Die Gewerkschaft FNV Havens fordert eine Lohnerhöhung von 6,5 Prozent – nach einer Reduzierung ihrer ursprünglichen Forderung von 7 Prozent. Die Containerabfertigung läuft wieder an, doch laut Hafenbehörde wird es bis Ende Oktober dauern, den Rückstau vollständig abzubauen.

Auch Belgien war von einem 24-stündigen Luftfrachtstreik betroffen, der am Morgen des 15. Oktober endete und die Zoll- und Frachtabwicklung an den Flughäfen Brüssel und Lüttich stark behinderte. Viele Express- und E-Commerce-Sendungen wurden kurzfristig über Frankfurt, Luxemburg, Paris und Amsterdam umgeleitet.

Laut der belgischen Handelskammer haben die kombinierten Auswirkungen der Streiks in Rotterdam, Antwerpen und Zeebrügge zu sekundären Störungen in den Lieferketten nach Deutschland, Frankreich und Mitteleuropa geführt.

Überblick über aktuelle Arbeitskämpfe, die die wichtigsten Logistikzentren Europas betreffen

Beginn Standort Sektor / beteiligte Parteien Grund für die Aktion Aktueller Status
6. Oktober 2025 Antwerpen / Zeebrügge / Gent (Belgien) Seelotsen (AvK, BvL, OVL; ACOD, ACV, VSOA) Protest gegen die föderale Rentenreform Vorübergehend ausgesetzt bis 24. Oktober 07:30
8. Oktober 2025 Rotterdam (Niederlande) Lascharbeiter (ILS, Matrans / FNV Havens) Gehaltsstreit (+6,5 %) und Inflationsanpassung Ausgesetzt unter der Woche durch Gerichtsbeschluss; könnte am 17. Oktober wieder aufgenommen werden
14.–15. Oktober 2025 Belgien (landesweit) Gewerkschaften / Luftfrachtsektor Protest gegen Lohn- und Arbeitsbedingungen Abgeschlossen am 15. Oktober; Verzögerungen bestehen

 

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