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US-Zölle sorgen für Unsicherheit: Wirtschaft und Logistikbranche schlagen Alarm

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Die Ankündigung pauschaler Einfuhrzölle durch US-Präsident Donald Trump hat international für Aufsehen gesorgt. Ab Samstag sollen Waren aus allen Ländern mit einem allgemeinen Importzoll von zehn Prozent belegt werden. Zudem sind weitere, bilaterale Zollmechanismen angekündigt, die für viele Länder deutlich höhere Sätze vorsehen. Wirtschaftsexperten und Branchenvertreter schlagen Alarm – insbesondere in Deutschland.

ifo-Institut: “Dreifacher Schaden für die deutsche Wirtschaft”

Das ifo-Institut warnt vor massiven Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft. Bereits erste Berechnungen deuten auf eine BIP-Eintrübung um 0,3 Prozent hin. Besonders betroffen seien exportstarke Industriezweige wie der Maschinenbau und die Automobilindustrie.

Da Deutschlands Wirtschaft bereits stagniert, könnten die neuen Zölle das Wachstum unter die Nulllinie drücken”, so ifo-Präsident Clemens Fuest. Er spricht von “dem größten Angriff auf den Freihandel seit dem Zweiten Weltkrieg”.

Die deutsche Wirtschaft leidet nach Ansicht der ifo Experten dreifach:

1. Rückgang der deutschen Exporte in die USA
2. Indirekte Effekte über den chinesischen Markt, der durch eigene Zolleinbußen an Wettbewerbsfähigkeit verliert
3. Umleitung von Exportströmen anderer Länder auf europäische Märkte, was hiesige Unternehmen zusätzlich unter Druck setzt

ifo Außenhandelsexpertin Lisandra Flach verweist zudem auf die problematische Berechnungsgrundlage der US-Regierung:

Die Zolldifferenz zwischen den USA und der EU beträgt im Schnitt nur 0,5 Prozentpunkte. Dass dennoch pauschal 20 Prozent verhängt werden, zeugt von einer willkürlichen Auslegung der Reziprozität.”

Die Europäische Union sollte mit größtmöglicher Geschlossenheit auf die neuen US-Zölle reagieren und konkrete Gegenmaßnahmen androhen, beispielsweise eine Digitalsteuer, die die USA empfindlich treffen würden.

Eine vorschnelle Reaktion mit Gegenzöllen wäre aber kontraproduktiv und könnte eine handelspolitische Eskalationsspirale weiter befördern“, warnt ifo Experte Andreas Baur.

Man sollte erst verhandeln, allerdings mit einer relativ kurzen Frist bis zum Inkrafttreten der Gegenmaßnahmen.

Logistikbranche rechnet mit neuen Warenströmen

Auch die Logistikbranche sieht weitreichende Konsequenzen. DHL-CEO Tobias Meyer prognostiziert eine Veränderung der globalen Handelsrouten. “Sie werden komplexer werden”, erklärt er auf einem Kapitalmarkttag in London. Zwar sei der US-Anteil am DHL-Geschäft geringer als anderswo, aber genaue Auswirkungen seien schwer vorherzusagen.

Meyer zieht Parallelen zum Brexit: Damals sei das Sendungsvolumen zurückgegangen, aber durch zusätzliche Dienstleistungen wie die Zollabwicklung habe sich gleichzeitig die Wertschöpfung pro Sendung erhöht.

Auch Dachser-CEO Burkhard Eling mahnt zur Wachsamkeit:

Durch die Verteuerung von Produkten ist ein Absatzrückgang zu erwarten.” Entscheidend sei jedoch die mangelnde Planbarkeit: “Die ständigen Ankündigungen, Einführungen und Rücknahmen von Zöllen untergraben das Vertrauen in einen stabilen Wirtschaftsstandort.”

Gleichzeitig betont Eling, dass die Globalisierung nicht am Ende sei: “Die Warenströme werden sich verändern, und darauf müssen wir uns als Logistiker einstellen.”

DIHK: “Jetzt andere Weltmärkte erschließen”

Volker Treier, Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), warnt vor einem “Belastungstag für amerikanische Konsumenten” und einem deutlichen Rückschlag für deutsche Exporteure. Dennoch macht Treier Mut:

Deutschland ist auf anderen Weltmärkten gut vertreten. Diese Märkte müssen wir nun konsequent weiterentwickeln.”

Die EU solle nicht impulsiv, sondern strategisch reagieren. Priorität hätten jetzt Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten und Indien. Gleichzeitig seien Brüssel und Berlin gefordert, wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu verbessern: “Energiekosten senken, Bürokratie abbauen, Fachkräfte sichern.”

BDI: “Europa muss geeint auftreten”

Wolfgang Niedermark vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) fordert ein koordiniertes europäisches Vorgehen.

Die EU darf nicht zum Spielball geopolitischer Interessen werden” – so Niedermark.

Der BDI unterstützt die Linie der EU-Kommission, verhandlungsbereit zu bleiben, aber gleichzeitig entschlossen eigene Instrumente einzusetzen. “Nur im Schulterschluss mit anderen Handelspartnern kann Europa wirksam reagieren und Umleitungseffekten begegnen.”

Die neuen US-Zölle stellen nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Belastungstests dar. Die deutschen Wirtschaftsverbände und die Logistikbranche fordern eine Mischung aus strategischer Gelassenheit, klarer Haltung und internationaler Zusammenarbeit. Die kommenden Wochen dürften entscheidend sein für den Kurs Europas in der neuen handelspolitischen Realität.

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