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Wird die StVO-Novelle nichtig? Diese Länder wollen den alten Bußgeldkatalog anwenden

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Die neuen Regelverschärfungen in der StVO-Novelle 2020 gelten von Anfang an als umstritten und lösen Kontroversen aus. Jetzt können sie aufgrund eines juristischen Formfehlers unwirksam werden. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer forderte die Bundesländer auf, den alten Bußgeldkatalog unverzüglich einzusetzen.

Nachdem das Bundesverkehrsministerium die Länder aufforderte, die Ende April in Kraft getretene die StVO-Novelle nicht mehr anzuwenden, sollten bis auf Weiteres der alte Bußgeldkatalog und somit auch die ehemaligen Geschwindigkeitsgrenzwerte gelten. Wie die FAZ berichtet, wird derzeit an einer Lösung für Sanktionen, die nach Inkrafttreten der Reform am 28. April nach den neuen, strengeren Regeln verhängt wurden, gearbeitet. In diesem Video des ADAC wird erklärt, wie sich Fahrer in solchen Fällen wehren können.

Nach Scheuers Videokonferenz haben mehrere Länder beschlossen, gegenüber Verstößen gegen die StVO toleranter zu werden. Zu diesen gehören Saarland, Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Dem Bericht der Welt zufolge will Niedersachsen bisherige Bußgeldbescheide aufrechterhalten. Innenminister Boris Pistorius (SPD) kritisierte Scheuer mit folgenden Worten:

Besondere Chuzpe braucht es, die Schlamperei in der Umsetzung des Gesetzes zu nutzen, um eine unliebsame Regelung auszuhebeln. Ein weiteres unseliges Kapitel im Wirken des Bundesverkehrsministers, der sich für keine Verrenkung zu schade ist.

Pistorius plädiert aber für eine Verschärfung der Strafen für Raser:

Raserei ist Todesursache Nummer eins auf unseren Straßen. Wir sollten uns dem Wohle unserer Bevölkerung verpflichten und nicht dem einiger lauter Lobbyisten, so Niedersachens Innenminister weiter gegenüber der Welt.

Grund für dieses bundesweite Chaos ist offiziell die Verletzung des Zitiergebotes, auf die der ADAC letzte Woche aufmerksam gemacht hat. In der Eingangsformel der Verordnung wurde nämlich die Rechtsgrundlage für die neuen Fahrverbote nicht genannt. Wie der ADAC heute auf seiner Internetseite berichtet, seien wegen des Formfehlers im Gesetzestext der Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht nur die neuen Fahrverbotsregeln (Fahrverbot ab 21 km/h innerorts und 26 km/h außerorts) unwirksam, sondern alle Änderungen des Bußgeldkatalogs vom April 2020. Nicht betroffen seien die Verhaltensregeln der StVO etwa in Bezug auf den Schutz von Radfahrern.

Die Nichtigkeit aufgrund der Verletzung des Zitiergebotes betreffen nach unserer Einschätzung alle Änderungen des Bußgeldkataloges vom 28. April 2020. Einzelne Länder reagieren bereits und weisen die Behörden an, den alten Bußgeldkatalog für alle offenen Verfahren anzuwenden. Insgesamt ist die entstandene Situation ein untragbarer Zustand: Eine unterschiedliche Vorgehensweise der Länder wäre inakzeptabel. Es muss jetzt sofort zu einem bundeseinheitlichen Vorgehen kommen., kommentiert ADAC Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand

Dabei betont Hillebrand aber: „Klar ist aber weiterhin – und das muss in aller Deutlichkeit unterstrichen werden: Verkehrsvorschriften müssen aus Gründen der Verkehrssicherheit unbedingt eingehalten werden. Es gibt auch in dieser Situation keinen Freibrief für Raser! Die Polizei kontrolliert und sanktioniert.”

Weiterhin vermutet der ADAC, dass der Verkehrsminister neue Regelung anstrebt. Diese würde aber die Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Die Hoffnung, dass die umstrittenen Fahrverbotsregeln in einer Neufassung entschärft werden, teilt der Rechtsexperte Uwe Lenhart aus Frankfurt/Main aber nicht.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass derselbe Bundesrat, der seine Zustimmung zur StVO-Novelle von einer allgemeinen Verschärfung des Sanktionen-Niveaus abhängig gemacht hat, plötzlich seine Meinung ändert., kommentiert er gegenüber dem autobild.de Bisher liegt noch keine Stellungnahme des Bundesverkehrsministeriums hierzu vor.

Foto: Polizei NRW

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