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Prof. Dr. Hanno Friedrich von KLU: “Europäische Startups sind anders”

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Neugründungen in der Logistikbranche haben in den letzten Jahren weltweit stark zugenommen. Prof. Hanno Friedrich forscht selbst unter Anderem zum Thema Startups in der Logistik. In seinem Gastbeitrag beschäftigt er sich mit den Unterschieden zwischen Startups im europäischen und asiatischen bzw. us-amerikanischen Raum und den Auswirkungen der Corona-Krise auf die jungen Unternehmen.

Die Investitionen in Startups nehmen zu, und das auch im Bereich der Logistik. Laut einer Studie von McKinsey wurden allein von 2015 bis 2019 weltweit mehr als 24 Milliarden US-Dollar in Logistik-Startups investiert. Die Gründe dafür sind vielfältig: Zunächst stehen auch der Logistik durch die Digitalisierung immer mehr neue, innovative Technologien zur Verfügung. Aber auch die Nachfrage hat sich verändert: Kunden sind den Umgang mit Technologien gewöhnt und wollen diese auch im geschäftlichen Umfeld nutzen.

Häufig genannt wird der „Nachholbedarf“ der Logistikwirtschaft in Sachen Innovation. Das kann man aus meiner Sicht allerdings nicht so einfach pauschalisieren: Es gab und gibt auch in der Logistik ebenso viele innovationsfreudige wie innovationsarme Unternehmen. Allerdings gab es in der Logistik früher weniger Investitionen in Forschung und Entwicklung; das hat sich jetzt geändert.

Europa mit auffallend geringen Investitionen

Schaut man sich die weltweiten Investitionen in Startups einmal genauer an, fällt auf: Vergleicht man Europas Beitrag zur weltweiten Logistikwirtschaft mit dem Anteil der weltweiten Investitionen in Startups, die auf Europa entfallen, dann sind diese deutlich geringer als die Wirtschaftsleistung vermuten lässt. Nur 5 Prozent der Investitionen in logistische Startups fließen nach Europa, generell beträgt der europäische Anteil an Investitionen in Startups 13 Prozent – deutlich mehr. Das zeigt eine Studie von McKinsey sehr schön. Ein möglicher Grund, den diese Studie hervorhebt, ist, dass die Logistikwirtschaft hierzulande bereits sehr leistungsfähig und differenziert entwickelt ist, und Investoren Märkte mit mehr Entwicklungspotenzial bevorzugen. Das trifft aus meiner Sicht aber nur teilweise zu.

Europäische Startups sind anders

Denn: Es gibt auch hier in Deutschland viele Startups. Sie sind aber strukturell anders aufgestellt als ihre internationale Konkurrenz. Viele haben Logistikunternehmen als Kunden im Blick oder kooperieren eng mit diesen. Oft gründen große Unternehmen sogar direkt selbst oder investieren in bestehende Startups. Ein Beispiel wäre hier etwa die Investition von Maersk in Forto oder die der Jungheinrich AG bei Magazino. Vielfach werden solche Konstrukte von den Unternehmen als Vehikel genutzt, um Innovationen zu testen. Gefällt das Ergebnis, wird die neue Technologie übernommen.

Das ist in anderen Märkten, wo etablierte Großunternehmen fehlen, aber zum Beispiel noch Bedarf an grundlegenden logistischen Dienstleistungen besteht, nicht der Fall. Hier gründen oft die potenziellen Nutzer selbst Startups, meist mit weniger komplexen Geschäftsmodellen, wie zum Beispiel Marktplätzen oder Software-Diensten. In Deutschland dominieren eher Startups, die ein komplexeres Konzept oder eine neue Technologie als Produkt anbieten. Das könnte dazu führen, dass sie sich oft stark auf ihre Stärken, meist also eine neue Technologie, konzentrieren. Andere Kompetenzen, wie etwa der Zugang zu Kunden, aber vernachlässigen. Eine mangelnde Kundenorientierung könnte dem Unternehmen aber insgesamt schaden.

Corona – Krise oder Katalysator?

Die aktuelle Krise, ausgelöst durch die Verbreitung des Corona Virus, betrifft natürlich auch die Startups der Logistikszene. Ob Unternehmen dadurch scheitern oder eher profitieren, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beurteilt werden. Die große Frage, die sich nun stellt: Ist weiterhin ausreichend Funding vorhanden? Wird weiter investiert – und wenn ja, in welchem Umfang? Die starke Verflechtung der deutschen Startups mit etablierte Unternehmen könnte hier einen Vorteil darstellen. Generell kann auch schon jetzt beobachtet werden, dass die Zahl an Neugründungen in der Krise stark gestiegen ist. Ob das auch für Startups gilt, ist aber noch nicht geklärt.

Grundsätzlich gilt aber, dass durch COVID-19 die Argumente für die Gründung von Log.Tech-Startups nicht verschwunden sind. Gerade digitale Tools wurden durch die Krise bisher eher gestärkt. Aus meiner Sicht könnte vor allem die Größe der Jungunternehmen entscheidend für ihre aktuelle Lage sein. Wer vor der Krise bereits Zugang zu Kunden und ein gewisses Netzwerk etabliert hatte, hat gute Chancen, von der aktuellen Lage eher zu profitieren. Wer noch neu am Markt ist, wird aktuell vermutlich kaum Zugang zu Großkunden finden. Hier ist möglicherweise eine Anpassung des Geschäftsmodells oder eine Veränderung der Kundenbasis notwendig.

Dass der Boom der Startups durch Corona vollständig zum Erliegen kommt, ist aus meiner Sicht nicht zu erwarten. Im Detail ist die weitere Entwicklung aber hochspannend – erste Antworten zum Umgang der Startups mit dieser Krise haben wir zum Beispiel beim Logistics Innovators Day an der Kühne Logistics University gesucht und gefunden (-> Verweis auf Nachbericht Inno Day, ebenfalls abgedruckt in Trans.Info). Für die nähere Zukunft wird natürlich entscheidend sein, wie lange die Märkte durch Lockdowns oder andere Beschränkungen beeinflusst bleiben.

Prof. Dr. Hanno Friedrich ist Associate Professor of Freight Transportation – Modelling und Policy an der Kühne Logistics University in Hamburg. Nach seinem Diplom am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) im Jahr 2004 arbeitete er sechs Jahre lang bei McKinsey & Company. In dieser Zeit promovierte er am KIT. 2011 erhielt er einen Ruf auf eine Juniorprofessur im Bereich Wirtschaftsverkehr an der TU Darmstadt. Seit September 2015 ist er als Professor an der KLU tätig. Zu seinen Forschungsthemen zählen die Modellierung von Güterverkehrsnachfrage, Transportökonomie, Risikomanagement in Transport und Logistik sowie Lebensmittellogistik.

Foto: Prof. Dr. Hanno Friedrich

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