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Foto: Neste

Wer bislang auf HVO 100 umgestiegen ist, hat dies nicht bereut

Gerne wirbt die Bahn gegenüber dem LKW mit ihrer Umweltfreundlichkeit. Das gilt neuerdings sogar für ihre Diesellokomotiven. Seit Frühjahr 2023 werden Maschinen von DB Cargo und anderen EVU auf dem Rangierbahnhof München-Nord mit Hydrotreated Vegetable Oil in Reinform (HVO 100) betankt. Auch ein Dutzend weitere Tankstellen der Deutschen Bahn bieten diesen Biokraftstoff an, der die CO2-Emissionen um bis zu 90 Prozent verringern soll. [Der Artikel ist ursprünglich am 6.11 erschienen.]

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Viele Schienengüterverkehre fahren gegenwärtig mit einem Treibstoff, den kaum ein LKW in Deutschland nutzen kann. Aktuell darf HVO 100 nur an Betriebstankstellen getankt werden, die geschlossene Benutzergruppen versorgen. Auf der Straße dürften außer Werkverkehren ausschließlich KEP – Verkehre, die auf kurzen Distanzen unterwegs sind, dieses Kriterium erfüllen. Das soll jetzt anders werden. Voraussichtlich ab Frühjahr 2024 könne Straßengüterverkehre HVO 100 auch an öffentlichen Tankstellen tanken.

Im Juni 2023 beschloss die Bundesregierung die hierfür nötige Novellierung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchV). HVO-Treibstoffe gelten dann als nachhaltig und klimafreundlich, wenn sie zu 100 Prozent aus nicht-fossilen Quellen gewonnen werden. Das können alte Pflanzenöle, Zelluloseabfälle oder Lebensmittelreste sein. Wenn solche Rest- und Abfallstoffe in einer beschleunigten chemischen Reaktion mit Wasserstoff in Kohlenwasserstoffe umgewandelt werden, können sie fossilem Diesel beigemischt oder sogar in Reinform verwendet werden.

Vorausgesetzt der Bundesrat stimmt der Novellierung zu, dürfen ab 2024 endlich auch in Deutschland LKW mit HVO 100 volltanken. Gegenwärtig sind nur Beimischungen bis 26 Prozent möglich. In den meisten EU -Ländern hingegen ist HVO100 längst zugelassen. Der Branchenverband eFuelsNow zählt europaweit rund 2150 Tankstationen, die HVO 100 für Fahrzeugbetankungen oder Tankbeimischungen anbieten. Vor allem in Skandinavien sowie Belgien und den Niederlanden wird der Biokraftstoff flächendeckend angeboten.

Von einem solchen Szenario ist Deutschland noch weit entfernt. Gegenwärtig bieten Hersteller wie Neste sowie regionale Tankstellennetze wie Sprint Tank in Berlin oder Ziegelmeier im oberbayerischen Schrobenhausen lediglich HVO – Direktlieferungen in Kanistern oder Containern an. Für Benjamin Kraatz, Marketingleiter von Sprint Tank, hängt das Tempo des Netzaufbaus von den vorhandenen Tankkapazitäten ab.

Wenn HVO 100 flächendeckend in den Handel gebracht werden soll, müssen Tanks für dieses Produkt freigemacht werden, sagt der Marktkenner.


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Weil jedoch an vielen Stationen ein Tank mehrere Tanksäulen versorgt, müssten Tankstellenbetreiber, die auf HVO100 umsatteln, entweder zusätzliche Tanks und Säulen installieren oder auf wenigstens ein Treibstoffprodukt verzichten. Viel spricht deshalb für HVO – Beimischungen zu herkömmlichen Dieselprodukten wie B 7, der bis zu sieben Prozent Biodiesel enthalten darf.

Mit Diesel Protect 25 hat Sprint Tank bereits einen Treibstoff mit HVO – Beimischungen auf den Markt gebracht, der bis zu 25 Prozent weniger Emissionen ausstoßen soll. Der Preis für diesen Biokraftstoff liegt allerdings deutlich über den für Normaldiesel, was wegen der aufwändigeren Herstellung nicht überrascht. Für 20 Liter HVO 100 im Kanister werden aktuell im Großraum München inklusive Mehrwertsteuer rund 45 Euro gezahlt, hinzu kommen Zustellkosten. Auch in Zukunft wird HVO 100 teurer als konventioneller Diesel sein. Anbieter wie Sprint Tank und Ziegelmeier gehen von einem wenigstens 10 Cent höheren Literpreis aus. Viel hängt hierbei von den Ausgangsstoffen ab. Je höher die Einkaufspreise ausfallen und je ausgefallener diese sind, desto teurer wird auch HVO100.

Auch deshalb dürften nach 2024 Beimischungen im deutschen Markt dominieren, zumal Transportpreise und Mautgebühren ohnehin steigen werden. Auf der anderen Seite wird mancher Verlader auf möglichst nachhaltige Transporte entsprechend den gesetzlichen Vorgaben, Klimaneutralität bis 2045 herzustellen, bestehen.

Die aktuellen Klimaziele können nur mit alternativen Kraftstoffen wie HVO 100 erreicht werden, sagt Micha Alexander Lege, Präsidiumsmitglied des Bundesverbands Spedition und Logistik (DSLV) und Geschäftsführer der Spedition Wiedmann & Winz.

Die Fahrzeughersteller haben längst grünes Licht gegeben und fast alle Maschinen ab Euro 4 für HVO 100 freigegeben. Wer bislang umgestiegen ist, hat dies nicht bereut. Das wohl bekannteste Beispiel ist Fercam. Der italienische Logistikdienstleister hat im Frühjahr 2023 für 50 neue Actros – Zugmaschinen einen Liefervertrag mit dem Energiekonzern ENI. Die LKW tanken an den firmeneigenen Tanksäulen in Bozen auf; weil der Logistikdienstleister jedoch sicher gehen wollte, dass die LKW auch längere Auslandseinsätze ausschließlich mit dem Biokraftstoff fahren, rüstete er sie sogar mit extragroßen Kraftstofftanks aus. Sicher ist sicher.

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