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Angriffe, Diebstähle, Morde – so sieht der Alltag von LKW-Fahrern aus Venezuela aus

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3.11.2018

Die Finanz- und Wirtschaftskrise in Venezuela hat dazu geführt, dass die Bürger zunehmend Lastkraftwagen überfallen, die Nahrungsmittel transportieren. Die Situation ist so ernst, dass die Fahrer selbst ihren Beruf nicht als Job, sondern als Kampf ums Überleben definieren.

Mitternacht. Ein Lastwagen mit 20 Tonnen Obst fährt eine der gefährlichsten, 900 km langen Straßen Lateinamerikas. Am Steuer sitzt der 36-jähriger Umberto Aguilar, der weiβ, dass diese Tour sehr gefährlich. Nicht nur für die Ladung – auch für ihn selbst.

Jedes Mal, wenn ich mich von meiner Familie vor der Route verabschiede, vertraue ich mein Leben Gott an, sagt Umberto Aguilar in einem Interview für die Nachrichtenagentur Reuters. Er hatte kürzlich ein schweres Erlebnis, als eine Gruppe von Menschen einen LKW-Konvoi angegriffen hatte.

Im Januar 2018 wurden in Venezuela etwa 162 Angriffe auf LKW verzeichnet. 42 Lastwagen wurden ausgeraubt. Acht Menschen starben.

Teufelskreis

Raubüberfälle in einem Land mit einer der höchsten Mordraten der Welt erhöhen die Ausgaben für Produkte und  Transport. Aufgrund des Risikos sind nur Wenige bereit den Job zu machen, Transportunternehmen müssen die Löhne erhöhen, und auch die Kosten für die Frachtversicherung wachsen. Dies geschieht alles in einem hyperinflationären Land, wo Lebensmittelprodukte extrem teuer sind.

Fahrer schlieβen sich zu Gruppen zusammen und bewegen sich auf den Straßen so schnell wie möglich. Leider müssen Lastwagenfahrer, auch nachdem sie Städte erreicht haben, Gangs bezahlen, um die gelieferten Waren verkaufen zu dürfen.

Es ist der reine Wahnsinn. Die Behörden sind nicht in der Lage für Sicherheit zu sorgen. – sagt Javier Escalante, Besitzer von zwei LKW. Jede Woche transportiert er Früchte von La Grita nach Guatire. – Und wenn wir aufhören zu arbeiten, wovon sollen  wir dann leben? Was werden Venezolaner essen? Wie werden Hersteller ihre Waren verkaufen? – fragt Javier Escalante.

Angriffsmethoden

Wie die Fahrer behaupten, nutzen Kriminelle je nach Ort und Zweck des Raubüberfalls unterschiedliche Methoden. Manchmal wird der LKW von bewaffneten Motorradfahrern umringt, die den Fahrer zwingen langsamer zu fahren. In anderen Fällen warten die Diebe darauf, dass das Fahrzeug langsamer fährt, zum Beispiel auf einer holprigen Straße, dann schneiden sie die Plane auf und gelangen so in den Sattelauflieger. Dann werfen sie einfach Waren aus dem Fahrzeug auf die Straße, wo andere darauf warten.

Es kommt vor, dass die Diebstähle auf den Parkplätzen während der Pausen stattfinden. Dahinter stecken oft Einwohner , die auf diese Weise ans Essen kommen wollen.

Passivität und Demut

Trotz der vielen erschreckenden Geschichten über Raubüberfälle auf Lastwagenfahrer sind Diebe hauptsächlich an der Fracht interessiert. Wenn sich niemand widersetzt, versuchen die Verbrecher, die Fahrer nicht zu verletzen oder ihre Fahrzeuge nicht kaputt zu machen.

Jon Eskalante, 43 Jahre alt, sagt, dass einer seiner Lastwagen eines Tages auf der Straße kaputt ging. Jon musste anhalten und den Anhänger reparieren. Plötzlich erschienen etwa 60 Leute aus dem Nichts und umringten ihn und den LKW. Innerhalb weniger Sekunden ist die Menschenmenge auf 300 Personen gewachsen.

Sie haben alles genommen: Kartoffeln, Zwiebeln, Tomaten, Gurken, Karotten. Ich habe den LKW den ganzen Tag beladen und sie haben ihn innerhalb von 30 Minuten komplett entladen, sagt der Unternehmer.

Das beste Verhalten in solchen Situationen ist Passivität.

Wenn Menschen hungrig sind, können sie gefährlich werden – sagt Unternehmer Roberto Maldonado, der in La Grite ein Transportunternehmen hat – Es ist am besten, in solchen Situationen Demut zu zeigen.

 

Fot: Wikimedia

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