Blitzer XV3 aus dem Verkehr gezogen: Tausende Bußgeldbescheide fehlerhaft?

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Obwohl ein Verdacht, dass der Blitzer XV3 des Herstellers Leivtec teilweise fehlerhafte Messungen angibt, bereits seit 2019 bestand, blieb das Gerät deutschlandweit weiterhin im Einsatz. Nun hat der Produzent per Mitteilung eingestehen müssen, dass sein Radarfallen vorerst nicht mehr genutzt werden soll. Laut Hersteller war bisher einige Hundert Geräte in ganz Deutschland im Einsatz. Für zahlreiche geblitzte Autofahrer könnte das bedeuten, dass Bußgelder nicht entrichtet werden müssen. Mehrere Kanzleien bieten bereits ihre Hilfe an.

Aufgrund des Verdachts, dass der Blitzer XV3 falsche Messergebnisse übermittelt, wurde im August des vergangenen Jahres ein einfacher Test durchgeführt: Zwei identische Geräte haben die Geschwindigkeit desselben Fahrzeugs gemessen. Obwohl dabei gleiche oder mindestens sehr ähnliche Ergebnisse hätten angegeben werden sollen, wurden verschiedene Tempos angezeigt. Der Unterschied lag außerhalb eines erlaubten Grenzwerts des Messfehlers.

Darauf reagierte der Hersteller mit einer neuen Gebrauchsanweisung, in der er die Auswertekriterien verstärkte. Ein Zusammenhang zwischen den Abweichungen und dem Erfassen des Fahrzeugs wurde jedoch nicht hergeleitet. Die Messfehler konnten also weiterhin auftreten, betont das Legal Tech Unternehmen CODUKA GmbH in ihrer jüngsten Pressemitteilung.

Dass die Änderung der Bedienungsanleitung nicht ausreicht, war wohl zu erahnen und auch eher eine fragwürdige Praxis. Mir scheint, als wollte man hier die weitere Verwendung der Messgeräte garantieren, erklärt Jan Ginhold, Geschäftsführer und Betreiber von Geblitzt.de.

Zulassungsbehörde kommt zu Wort

Am 12.03.21 hat die Zulassungsbehörde (Physikalisch-Technische Bundesanstalt) ihre Stellungnahme zum Gerät veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass die PTB Kenntnisse über weitere Versuche von Sachverständigen erlangt hat, die zeigen, dass es auch mit der neuen Gebrauchsanweisung tatsächlich zu unzulässigen Messabweichungen kommen kann. Daraufhin informierte die PTB den Hersteller und begann mit eigenen Messungen deren Ergebnisse noch nicht bekannt sind.

Leivtec reagiert entschieden auf die Stellungnahme der PTB

Diesmal reagierte der Hersteller entschieden auf die Stellungnahme der Zulassungsbehörde. Er wandte sich mit einem Brief direkt an die Betreiber des Blitzers XV3 und empfahl ausdrücklich, weitere Messungen mit dem Gerät aufzugeben:

Da zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mit der notwendigen Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass es auch bei Beachtung der Regeln der ergänzten Gebrauchsanweisung zu unzulässigen Messwertabweichungen kommen kann, möchten wir Sie bitten, von weiteren amtlichen Messungen vorerst Abstand zu nehmen. Wir werden uns nach Veröffentlichung der finalen Prüfergebnisse der PTB unverzüglich wieder bei Ihnen melden, so Leivtec in dem Schreiben.

Ob und wie viele laufende Verfahren, eingestellt werden müssten, ist noch unklar

Somit hat sich der Hersteller nicht nur dem Ärger unzähliger Autofahrer, sondern auch zahlreichen Ansprüchen seiner Kunden ausgesetzt. Die sogenannte Referenzliste des Herstellers, auf der alle Abnehmer angegeben wurden, soll zehn Seiten umfassen.

Ob und wie viele laufende Verfahren, die auf Daten des betroffenen Geräts basieren, eingestellt werden müssen, ist noch unklar.

Tausende Autofahrer dürfen darauf hoffen, dass die Gerichte ihre Bußgeldbescheide kassieren werden. Daher sollten Geblitze immer (!) ihre Bußgeldbescheide prüfen lassen und die Messwerte hinterfragen. Dies gilt nicht nur für den Leivtec XV3 sondern auch für andere Messgeräte, schreibt die Kanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE auf ihrer Internetseite und bietet eine kostenlose Erstberatung an.

Die Chancen, gegen einen Bußgeldbescheid vorzugehen, der bereits rechtskräftig geworden ist, sind zwar eher als gering einzustufen. Bei Bescheiden jedoch, bei denen ein Bußgeld von über 250 Euro verhängt wurde oder es ein Fahrverbot gab, können unsere Anwälte die Wiederaufnahme in dem abgeschlossenen Verfahren beantragen, so die Kanzlei abschließend.

Foto: Pixabay

 

 

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