Der 800.000 Quadratmeter große Industriekomplex steht nicht nur für eine massive Investition, sondern auch für einen Wendepunkt in der chinesischen Industriepolitik: China öffnet seinen Automobilsektor weiter für ausländische Produzenten. Scania positioniert sich damit, sowohl den heimischen Markt als auch Exportregionen in ganz Asien zu bedienen. Die Fabrik wird nahezu vollständig mit erneuerbarer Energie betrieben.
Eigenständige Produktion als Signal
Mit der Eröffnung seines dritten globalen Produktionszentrums in Rugao (Provinz Jiangsu) setzt Scania ein starkes Zeichen. Während internationale Hersteller in China bislang auf Joint Ventures mit lokalen Partnern angewiesen waren, besitzt Scania als erster westlicher Produzent eine unabhängige Fertigungslizenz – ein bedeutender strategischer Vorteil.
Das Werk, das sich über eine Fläche von mehr als 100 Fußballfeldern erstreckt, ist für eine Jahresproduktion von bis zu 50.000 Lkw ausgelegt. Damit kann Scania direkt im chinesischen Volumensegment antreten – bei voller Kontrolle über Fertigung, Qualität und Vertrieb. Rund 3.000 Arbeitsplätze sollen entstehen, was die wirtschaftliche Entwicklung der Region weiter stärkt.
Fotoquelle @ Scania
Nachhaltige Produktion von Beginn an
Nachhaltigkeit ist zentraler Bestandteil der Betriebsphilosophie in Rugao. Die Produktion erfolgt fast vollständig mit Biogas und zertifiziertem Grünstrom, womit Scania seine Dekarbonisierungsziele (Scope 1 & 2) konsequent umsetzt. Das Werk zählt damit zu den umweltfreundlichsten Produktionsstandorten des Unternehmens weltweit – ein technologischer und logistischer Kraftakt, der Maßstäbe für die Automobilproduktion in China setzt.
Der TRATON-Vorteil
Das neue Werk ist vollständig in das TRATON-Modulsystem integriert – einen Baukastenansatz, der Standardisierung und lokale Anpassung kombiniert. So kann Scania Fahrzeuge und Technologien gezielt auf die Anforderungen regionaler Märkte zuschneiden, ohne Effizienzverluste in der Fertigung.
Neben den bestehenden europäischen Modellen sollen in Rugao neue, speziell für China entwickelte Fahrzeuge entstehen. Diese Dualstrategie ermöglicht es Scania, sowohl das Premium- als auch das Hochvolumensegment zu bedienen.
Neue Modellreihe: NEXT ERA
Im Rahmen der lokalen Strategie bringt Scania die neue Traktorserie NEXT ERA auf den Markt, entwickelt für den chinesischen Fernverkehr. Der Marktstart ist für die erste Jahreshälfte 2026 geplant. Damit zielt Scania auf das volumenstarke Segment des chinesischen Nutzfahrzeugmarktes ab – einen der größten weltweit.
Fotoquelle @ Scania
Die Entscheidung, eine eigenständige Baureihe zu entwickeln, zeigt: Erfolg in China erfordert mehr als die Anpassung bestehender Modelle. Preis, Betriebskosten und Servicenetz spielen für chinesische Logistikunternehmen oft eine wichtigere Rolle als in Europa. Mit der NEXT ERA will Scania genau diese Prioritäten adressieren – ohne die bekannte Qualität und Leistung zu opfern.
Exportplattform für Asien
Rugao soll nicht nur den chinesischen Markt bedienen, sondern auch als Exportdrehscheibe für Asien und darüber hinaus dienen. Durch die Nutzung der wettbewerbsfähigen Produktionskosten und der modernen Logistikinfrastruktur Chinas kann Scania Märkte erreichen, in denen europäisch gefertigte Fahrzeuge bisher schwer verfügbar waren.
Produktionsstart und Bedeutung für die Branche
Die ersten Auslieferungen sind für Ende 2025 geplant, die NEXT-ERA-Reihe folgt 2026. Der Zeitpunkt ist strategisch günstig: Der chinesische Logistiksektor modernisiert sich rasant – mit Fokus auf Effizienz, Emissionsreduktion und niedrige Betriebskosten.
Scanias Erfolg bei der Erlangung einer vollständigen Produktionslizenz könnte als Präzedenzfall dienen. Sollte China künftig auch anderen westlichen Herstellern ähnliche Rechte gewähren, könnte das die Wettbewerbslandschaft im Nutzfahrzeugsektor des Landes grundlegend verändern.
Für den Moment bleibt Scania jedoch der einzige westliche Lkw-Hersteller mit dieser Sonderstellung – und setzt damit ein starkes Signal für langfristiges Engagement im chinesischen Markt.