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Foto: Raben Group

DUH-Studie stellt Klimabilanz von HVO100 infrage – Regierung und Branche widersprechen

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Eine neue Studie im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe (DUH) stellt dem Biokraftstoff HVO100 ein schlechtes Zeugnis aus. Demnach sei Diesel aus Altspeiseöl in der Gesamtbilanz sogar klimaschädlicher als fossiler Diesel. Industrie, Bundesverkehrsministerium (BMDV) und Verbände halten dagegen.

Dieser Text wurde vollständig von einem Redakteur verfasst – basierend auf fachlichem Wissen, journalistischer Erfahrung und sorgfältiger Recherche. Künstliche Intelligenz kam dabei nicht zum Einsatz.

Die Deutsche Umwelthilfe verweist auf eine Untersuchung des Instituts für Energie- und Umweltforschung (ifeu). Darin wird bezweifelt, dass HVO100 aus Altspeiseöl die versprochenen 90 Prozent CO₂-Einsparung gegenüber Diesel tatsächlich erreicht. In der Gesamtbetrachtung – von der Rohstoffgewinnung bis zur Verbrennung – sei HVO100 „mindestens genauso schädlich wie fossiler Diesel, häufig sogar noch klimaschädlicher“, so die DUH.

Ein zentraler Kritikpunkt sind Verlagerungseffekte: Wird Altspeiseöl nach Europa exportiert, müsse es in den Ursprungsländern – etwa Indonesien oder Malaysia – durch frisches Palmöl ersetzt werden. Das führe laut DUH zu „massiven Klima- und Umweltschäden durch Regenwaldrodungen“.

„Der vermeintlich grüne HVO100-Diesel ist eine Mogelpackung“, erklärte Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH. „Anstatt CO₂ zu sparen, sorgen HVO100 und Co. durch steigende Palmölnachfrage für zusätzliche Emissionen und Naturzerstörung.“

Der Verkehrsexperte Axel Friedrich verwies zudem auf den steigenden Anteil von Palmölabfällen („POME“) an der HVO-Produktion. Bei deren Gewinnung entstünden erhebliche Methan-Emissionen, die laut Friedrich „eine 82-mal stärkere Klimaerhitzung verursachen als CO₂“.

Die DUH fordert deshalb, den Einsatz und die Förderung von HVO100 aus Altspeiseöl zu stoppen und stattdessen Elektromobilität konsequent zu fördern.

BMDV: Studienergebnisse nicht nachvollziehbar

Das Bundesverkehrsministerium (BMDV) hatte bereits 2024 auf eine frühere DUH-Studie reagiert und deren Ergebnisse als nicht belastbar bezeichnet. Es seien keine „signifikanten Emissionserhöhungen durch den Betrieb mit HVO100“ zu erwarten. Im Gegenteil gehe man tendenziell von einer Senkung relevanter Emissionen aus.

Das Ministerium stützt sich dabei auf eine „breite Bewertungsgrundlage“, darunter wissenschaftliche Studien, Veröffentlichungen von Interessensverbänden und Freigaben der Fahrzeughersteller. Nach Angaben des BMDV zeigen die bisherigen Erkenntnisse, dass HVO100 im Vergleich zu fossilem Diesel weniger Rußpartikel, Kohlenmonoxid, Kohlenwasserstoffe und CO₂ emittiert.

Auch der ADAC hatte 2024 Vergleichsmessungen durchgeführt. Ergebnis:

„Die ADAC Messungen haben gezeigt, dass der HVO-Diesel problemlos funktioniert. Bei älteren Fahrzeugen gehen die Schadstoffemissionen im HVO100-Betrieb tendenziell zurück.“

Mineralölwirtschaft: Kritik „modellhaft und spekulativ“

Auch aus der Branche kommt Widerspruch. Der Bundesverband Freier Tankstellen und unabhängiger Mineralölhändler (BFT) kritisierte, die Studie beruhe auf hypothetischen Modellannahmen:

„Die DUH versucht schon länger und erfolglos, HVO zu diskreditieren und E-Mobilität als einzige Antriebsform gelten zu lassen“, sagte BFT-Geschäftsführer Daniel Kaddik. Rohstoffengpässe seien kein Argument gegen HVO, vielmehr solle der Ausbau lokaler Sammelsysteme gefördert werden.

Der Verband UNITI verweist zudem auf verschärfte Nachhaltigkeitskriterien: Biokraftstoffe aus Palmöl seien in Deutschland seit 2023 ausgeschlossen. Laut UNITI-Hauptgeschäftsführer Elmar Kühn werde HVO100 „zu 100 Prozent aus erneuerbaren Rohstoffen wie gebrauchten Frittierfetten und Speiseölen hergestellt“ und könne „bis zu 90 Prozent Treibhausgasemissionen einsparen“.

Hintergrund: Einsatz im Schwerlastverkehr

Seit Mai 2024 darf HVO100 in Deutschland an Tankstellen verkauft werden. Er ist für nahezu alle Dieselfahrzeuge geeignet – auch für LKW und Busse, ohne dass technische Anpassungen erforderlich sind. Nach Angaben von Herstellern sind weltweit bereits über sieben Millionen Tonnen HVO verfügbar, die Produktion soll auf 30 Millionen Tonnen jährlich steigen.

In Deutschland stammt aktuell ein großer Teil des eingesetzten HVO aus Palmöl-Reststoffen. Deren Förderung läuft 2026 aus. Besonders HVO aus Altspeiseöl wird von Industrie und Teilen der Politik bislang als nachhaltige Zukunftslösung beworben – die neue Studie heizt die Debatte nun erneut an.

👉 Einen tieferen Einblick in die Position der Mineralölwirtschaft bietet unser Video-Interview mit Jörg Hübeler vom Konzern Neste, in dem er erläutert, wie HVO100 funktioniert, warum der Kraftstoff umstritten ist und was Speditionen über die Diesel-Alternative wissen sollten.

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