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Infrastruktur‑Zukunftsgesetz: Modernisierung für den Güterverkehr. Fortschritt oder nur Paketpapier?

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Mit dem Infrastruktur‑Zukunftsgesetz will die Bundesregierung Planungs‑ und Genehmigungsverfahren für Straßen, Schienen, Brücken und Wasserwege deutlich beschleunigen, besonders für den stark belasteten Güterverkehr. Bevor die Reform real wirkt, müssen Bundestag und Bundesrat zustimmen und Finanzierungslücken im LKW‑Parkplatzbau geschlossen werden.

Die Bundesregierung hat am 17. Dezember 2025 das sogenannte Infrastruktur‑Zukunftsgesetz im Bundeskabinett beschlossen. Laut Verkehrsministerium soll das Gesetz langwierige Planungs‑ und Genehmigungsverfahren drastisch verkürzen, digitalisieren und vereinfachen, damit dringend benötigte Verkehrsprojekte schnell realisiert werden können. Deutschland steht vor einem massiven Investitionsstau: kaputte Straßen, überlastete Schienenwege, marode Brücken und sanierungsbedürftige Wasserstraßen treffen auf komplexe Genehmigungsprozesse, die sich teils über Jahre hinziehen.

Verkehrsminister Patrick Schnieder erklärte im Kabinett:

„Wir beenden die Zeit der Dauerverfahren. Deutschland braucht eine Infrastruktur, die Sicherheit, Mobilität und wirtschaftliche Stärke garantiert.“
Laut Ministerium sollen digitale Verfahren, verbindliche Fristen und der Wegfall doppelter Prüfungen Behörden und Unternehmen mehr Tempo, Klarheit und Verlässlichkeit geben.

Breite Wirkung, nicht nur für LKW

Das Gesetz zielt nicht ausschließlich auf den Güterverkehr ab, aber viele seiner zentralen Elemente betreffen gerade diesen Bereich direkt:

  • Neu‑ und Ausbau von Autobahnen und Beseitigung von Engpässen, die für den LKW‑Verkehr kritisch sind.
  • Priorisierung maroder Brücken und Bau neuer Tragwerke, deren Ausfall den Transportnetzwerken massive Behinderungen bereitet.
  • Sanierung überlasteter Schienenwege, auf denen ein großer Anteil der kombinierten Verkehrströme läuft.
  • Ausbau und Neubau von LKW‑Parkplätzen an Autobahnen, als Vorhaben mit „überragendem öffentlichen Interesse und öffentlicher Sicherheit“ eingestuft.
  • Modernisierung von Wasserstraßen, um multimodale Verkehre zu entlasten.
  • Elektrifizierung von Schienenstrecken, bei Strecken unter 60 km soll die Umweltverträglichkeitsprüfung entfallen, um den Schienenverkehr schneller klimafreundlich auszubauen.

Digitale Verfahren und „one‑for‑many“

Ein zentraler Baustein des Gesetzes ist die Digitalisierung der Planungs‑ und Genehmigungsverfahren. Künftig sollen Planfeststellungsverfahren vollständig digital abgewickelt werden, von der Antragstellung über die Beteiligung der Öffentlichkeit bis zur Entscheidung. Medienbrüche zwischen Papier und elektronischer Kommunikation sollen entfallen, digitale Modelle wie Building Information Modeling (BIM) werden als offizielle Planunterlagen anerkannt.

Zudem sieht der Entwurf verbindliche Fristen vor, um Stillstand durch fehlende Entscheidungen zu verhindern. Nach Angaben des Verkehrsministeriums können digitale Verfahren den Zeitbedarf einzelner Verfahren um bis zu 30 Prozent senken, indem redundante Prüfungen vermieden werden.

Naturschutz und Artenschutz neu geregelt

Auch wenn viele Reformen auf Effizienz ausgerichtet sind, bleibt der Bereich Umwelt- und Naturschutz Teil des Gesetzes. Künftig sollen bundesweit einheitliche, praxisnahe Standards gelten, um unterschiedliche Länder‑Standards, die bislang Verzögerungen verursacht haben, zu harmonisieren. Der Entwurf legt fest, dass Kompensations‑, Ausgleichs‑ oder Ersatzmassnahmen im gleichen Rang stehen sollen, auch wenn hier Umweltverbände deutlich kritischer sind.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) etwa warnt, zentrale Schutzmechanismen des deutschen Naturschutzrechts würden faktisch „ausgehebelt“, weil die Eingriffsregelung zugunsten beschleunigter Infrastrukturprojekte an Bedeutung verliere.

LKW‑Stellplätze: Sicherheit als Treiber

Für den Straßengüterverkehr ist ein weiterer Punkt von besonderer Bedeutung: Der Entwurf stuft den Ausbau von LKW‑Rastanlagen und Stellplätzen als Vorhaben mit überragendem öffentlichem Interesse ein. Dies bedeutet, dass entsprechende Projekte im Genehmigungsverfahren bevorzugt behandelt werden.

Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) begrüßt diese Einstufung, macht aber gleichzeitig auf eine massive Finanzierungslücke aufmerksam. Dem Finanzierungs‑ und Realisierungsplan 2025–2029 zufolge sind lediglich 1,9 Milliarden Euro für den Stellplatzausbau vorgesehen, 2,1 Milliarden Euro davon sind bisher ungedeckt. Ohne diese Mittel drohe bereits 2027 ein Engpass, sodass wichtige, baureife Stellplatzprojekte nicht realisiert werden könnten.

DVR‑Präsident Manfred Wirsch erklärt:

„Fehlende LKW‑Stellplätze sind kein Komfortproblem, sondern eine Frage der Verkehrssicherheit. Wer keinen sicheren Stellplatz findet, kann sich nicht erholen und wird selbst zum Risiko im Straßenverkehr.“

Der DVR fordert darüber hinaus, Stellplätze nicht nur direkt an Autobahnen zu bauen, sondern auch im Umkreis von bis zu drei Kilometern um Anschlussstellen und einen zweiten, zeitnahen Förderaufruf für entsprechende Programme wie das BALM‑Förderprogramm SteP.

Was jetzt noch geschehen muss

Auch wenn das Kabinett den Entwurf beschlossen hat, ist das Gesetz noch nicht in Kraft. Wichtige Schritte stehen noch an:

  • Parlamentarisches Verfahren: Bundestag und Bundesrat müssen dem Gesetzentwurf noch zustimmen; Verkehrsminister Schnieder strebt eine Verabschiedung bis Mitte 2026 an.
  • Ergänzung durch Umweltgesetzgebung: Das Bundesumweltministerium (BMUKN) arbeitet an einem zweiten Gesetzespaket, das im Bereich Umweltrecht notwendige Anpassungen enthält, ebenfalls bis Ende Februar 2026.
  • Finanzsicherung: Vor allem im Bereich LKW‑Stellplätze und multimodaler Infrastruktur müssen klare, verbindliche Finanzierungszusagen getroffen werden, damit die beschleunigten Verfahren später nicht an Budgetgrenzen scheitern.
  • Praxis der Digitalisierung: Behörden und Kommunen müssen die technischen und personellen Kapazitäten schaffen, um die digitalen Planverfahren wirklich umzusetzen.
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