Der intermodale Transport hat sich im Zuge der Dekarbonisierung der Logistik als bedeutendes Instrument zur Senkung der Emissionen erwiesen. Mit der Gründung der Branchenorganisation ALIS (Sustainable Intermodal Logistics Association) wurde ein entscheidender Schritt unternommen, um diesen Bereich zu fördern und weiterzuentwickeln.
Gegründet im Oktober 2016 von der Familie Grimaldi, Eigentümer der renommierten Reederei Grimaldi Lines, ist ALIS von ursprünglich 40 auf beeindruckende 2.300 Mitglieder gewachsen. Die Organisation repräsentiert die gesamte Lieferkette und alle Verkehrsträger, obwohl der Schwerpunkt auf dem Straßengüterverkehr liegt. Ein Fünftel der Mitglieder stammt aus dem Ausland.
In unserem Interview gibt Nicolò Berghinz, Teamleiter des Branchenverbands ALIS Einblicke in den aktuellen Stand des intermodalen Transports in Italien sowie in die Prioritäten der Organisation.
Besonderheiten des intermodalen Transports in Italien
Wie steht es derzeit um den intermodalen Transport in Italien? Welche Hubs können genutzt werden und wo besteht Verbesserungsbedarf? In Bezug auf Letzteres betonte Berghinz, dass die Infrastruktur im und um den Hafen von Genua verbessert werden muss:
Obwohl Genua einer der wichtigsten Häfen Europas ist, kämpft er mit erheblichen infrastrukturellen Problemen. Insbesondere die dortige Bahn muss grundlegend modernisiert werden, da der Hafen ein wichtiger Zugangspunkt ist.
In Bezug auf die vorhandene Infrastruktur für die intermodale Logistik verwies Berghinz ebenfalls auf den Hafen von Triest und den intermodalen Hub Interporto Verona.
Der Hafen von Triest ist gleichzeitig ein Eisenbahnknotenpunkt.Ein weiteres gutes Beispiel ist Verona, wahrscheinlich der wichtigste intermodale Knotenpunkt in Europa, weil er an alle wichtigen Eisenbahnstrecken in Europa angeschlossen ist. Der Hub ist zwar nicht am Meer gelegen, ist aber mit den beiden großen Häfen in Venedig und Ravenna verbunden, die nicht weit entfernt sind. Darüber hinaus ist der Nordosten Italiens das Tor zu Europa, sowohl für den Import als auch für den Export. Schiffe können vom Suezkanal aus in die Adria einfahren und ihre Ladung in Venedig oder Ravenna entladen. Die Container können anschließend schnell nach Verona transportiert werden, wodurch die Stadt eine wichtige, strategische Verknüpfung zwischen Schiene und See darstellt, so Berghinz.
Als weitere wichtige Beispiele nannte Berghinz Livorno, Nola und Bari:
Nicht zu vergessen ist auch Livorno in der Toskana, das wie Triest Meer und Schiene verbindet. Auch Nola, das nicht weit von Neapel entfernt ist, ist gut mit dem Zug erreichbar. Und in Apulien gibt es den Hafen von Bari, der ebenfalls wichtig ist, weil er der erste Hafen mit Bahnanschluss im Südosten ist, vom Suezkanal aus gesehen.
Berghinz betonte auch die Anstrengungen der Logistikunternehmen zur Dekarbonisierung ihres Betriebs. Im Fokus des Verbands steht die Intermodalität, und Berghinz betonte die Bedeutung des intermodalen Transports bei der Reduzierung von Emissionen durch die Verlagerung des Straßengüterverkehrs.
Wir arbeiten kontinuierlich daran, die Anzahl der benötigten LKW auf der Straße drastisch zu reduzieren. Unsere Studie aus dem Jahr 2023 zeigt, dass unsere Mitglieder sechs Millionen LKW von der Straße auf Wasser oder Schiene verlagert haben. Das ist ein großer Gewinn für die Umwelt. Natürlich kann man elektrische oder mit alternativen Kraftstoffen betriebene LKW einsetzen, aber diese sind nicht immer effizient. Insbesondere auf langen Strecken sind elektrisch betriebene LKW nicht die beste Lösung. Daher glauben wir fest daran, dass die wahre Lösung in der Intermodalität liegt und darin, die Art und Weise, wie wir Güter transportieren, grundlegend zu ändern.
Berghinz fügte hinzu:
Intermodalität ist bereits heute eine praktikable Lösung. Es ist zum Beispiel möglich, Waren von Norddeutschland in die Türkei zu transportieren, ohne einen einzigen Kilometer auf der Straße zurückzulegen. Unternehmen, die die Vorteile der Intermodalität erkannt haben, werden nie wieder ausschließlich auf den Straßengüterverkehr setzen. Natürlich bleibt der Straßengüterverkehr auf der ersten und letzten Meile unverzichtbar, aber letztlich müssen Unternehmen die Intermodalität für sich entdecken.
Die Digitalisierung ist ein weiterer Bereich, den ALIS aktiv fördert und dessen Entwicklung die Mitglieder mit großem Interesse verfolgen. Auf die Frage, wie gut der italienische Logistiksektor die digitale Transformation gemeistert hat, sagte Berghinz gegenüber trans.iNFO, dass Italien „auf dem richtigen Weg“ sei, jedoch aufgrund kultureller Unterschiede hinter anderen Ländern zurückbleibe.
Ich denke, dass Italien in Sachen Digitalisierung große Fortschritte gemacht hat. Wir sind auf dem richtigen Weg, aber es gibt natürlich noch Verbesserungspotenzial. In einigen anderen Ländern ist die Kultur eher darauf ausgerichtet, voranzuschreiten und die Digitalisierung voranzutreiben. In Italien gehen wir die Dinge etwas langsamer an und verfolgen einen anderen Ansatz. Trotzdem kann ich sagen, dass Italien sich der Digitalisierung voll und ganz verschrieben hat, und es gibt Bereiche, in denen wir uns schneller entwickeln als andere Länder.
Berghinz nannte die Ratifizierung des e-CMR durch Italien als gutes Beispiel für die schrittweise Etablierung der Digitalisierung im Land.
Der digitale Frachtbrief e-CMR war eine der ersten Herausforderungen für ALIS. Italien war das einzige Land in Europa, das den e-CMR noch nicht ratifiziert hatte. Vor einigen Monaten wurde der e-CMR endlich ratifiziert, sodass wir nun auch Teil dieses Projekts sind. Dies ist nicht nur für die Rückverfolgung der transportierten Waren wichtig, sondern auch für das Rechnungsmanagement, das den Cashflow der Unternehmen beeinflusst, so der Teamleiter von ALIS.
Ein weiterer Treiber der Digitalisierung in Italien ist laut Berghinz die europaweite Einführung digitaler Standards und Technologien. Er betonte, dass die positiven Effekte der europäischen Zusammenarbeit oft unterschätzt werden.
Wir sind ein Europa, und wenn es um den Güterverkehr geht, müssen wir auch in diesem Maßstab denken. Einige Länder haben eigene Prioritäten, die die internationale Logistik hemmen. Ich wünsche mir, dass die EU und ihre Behörden hier aktiver werden und Änderungen in Betracht ziehen. Es gibt einige vernünftige Lösungen, die noch nicht umgesetzt wurden. Wenn Italien ein Problem in den Alpen oder im Frejus-Tunnel hat und wenn Deutschland im Süden Probleme mit dem Warentransport hat, dann sollte das als ein europäisches Problem betrachtet werden – nicht nur als Problem eines einzelnen Landes, in dem die Störungen oder Blockabfertigungen vorkommen.
Berghinz fügte hinzu:
Auch die Entscheidungsprozesse könnten optimiert werden. Bevor Lösungen umgesetzt werden können, müssen wir oft auf die Zustimmung der einzelnen Mitgliedsstaaten warten, und manchmal gibt es sogar regionale Gesetze, die die Dinge noch komplizierter machen. Wir sind fest davon überzeugt, dass Europa ein einheitliches Konzept haben sollte. Wir müssen versuchen, effizienter zu werden, und dabei kann Harmonisierung helfen.
Zwei der Hauptziele von ALIS sind die bessere Anbindung der Inseln Sizilien und Sardinien an das italienische Festland sowie die Angleichung der Infrastruktur des italienischen Südens an die des Nordens.
Warum sind Sizilien und Sardinien so wichtig? Berghinz betont ihre strategische Bedeutung für Italien:
Diese beiden Inseln sind ein integraler Teil unseres Landes. Sie dienen nicht nur dem Tourismus, sondern haben immense strategische Bedeutung. Wir können das Meer, das die Inseln trennt, nicht beseitigen, aber wir können die Verbindungen verbessern und die Infrastruktur stärken. Die Rolle von Schifffahrtsunternehmen wie Grimaldi, die täglich Menschen, Lastwagen und Fracht zu den Inseln und zurück transportieren, ist essenziell für die Anbindung Italiens, so Berghinz gegenüber trans.iNFO.
Nicht nur die Verbesserung der Anbindung der Inseln steht im Fokus des ALIS-Teamleiters. Berghinz fordert auch wirtschaftliche Anreize zur Unterstützung der Inselbewohner und ihrer Unternehmen. Er argumentiert, dass diese Anreize ganz Italien zugutekommen würden:
Der Staat könnte wirtschaftliche Anreize für die Menschen und Unternehmen vor Ort schaffen. Wir müssen berücksichtigen, dass Unternehmen und Einwohner benachteiligt sind, weil sie mit dem Flugzeug oder dem Schiff zum und vom Festland reisen müssen. Daher sind die Kosten im Vergleich zum italienischen Festland natürlich viel höher. Subventionen müssen hier eine Rolle spielen, vor allem gezielte Subventionen, die die richtigen Personen und Unternehmen erreichen. Dank der zusätzlichen wirtschaftlichen Aktivität würden alle von diesen Subventionen profitieren.
Ein viel diskutiertes Projekt, das die Verbindung zwischen Sizilien und dem italienischen Festland verbessern soll, ist die geplante Brücke über die Straße von Messina. Infrastrukturminister Matteo Salvini stellte die Pläne für dieses ambitionierte Vorhaben 2022 vor. Die Kosten werden auf 12 Milliarden Euro geschätzt und die Bauzeit auf 15 Jahre veranschlagt. Kürzlich gerieten die Pläne jedoch durch eine Untersuchung der italienischen Staatsanwaltschaft ins Wanken. Hinzu kommen Sicherheitsbedenken wegen Verwerfungen im Meeresboden, die 2021 entdeckt wurden. Obwohl Salvini auf den Bau der Brücke besteht, bestehen viele Zweifel an der Realisierbarkeit des Projekts.
Auf die Frage nach seiner Meinung zu den Brückenplänen betonte Berghinz, dass ALIS als Organisation neutral sei:
Bezüglich der Idee einer Brücke vom Festland nach Sizilien sind wir weder dafür noch dagegen. Wir beobachten lediglich die Entwicklungen. Wir wissen jedoch, dass es wahrscheinlich nie zustande kommen wird, da dieses Projekt schon lange im Gespräch ist, aber nie wirklich realisiert wurde.
Ein weiterer zentraler Punkt, den ALIS ansprach, ist die dringende Notwendigkeit, die Infrastruktur im Süden Italiens auf das Niveau des Nordens zu bringen. Berghinz verdeutlichte gegenüber trans.iNFO das Ausmaß des wirtschaftlichen Gefälles:
Das Nord-Süd-Gefälle besteht nach wie vor. Dies liegt hauptsächlich daran, dass Unternehmen im Süden größere Entfernungen zurücklegen müssen, um ihre Waren zu transportieren, und dass die Infrastruktur dort weniger entwickelt ist. Dies ist die erste offensichtliche Schwierigkeit, mit der die Unternehmen im Süden konfrontiert sind. Es muss viel getan werden, insbesondere im Bereich der Infrastruktur, sei es Straße oder Schiene. Der Unterschied ist sehr deutlich – es gibt wohl kein anderes Land auf der Welt mit einem derartigen Gefälle. Glücklicherweise verbessern sich die Dinge jedoch, und die Kluft ist nicht mehr so offensichtlich wie noch vor 40 oder 50 Jahren.
Der ALIS-Teamleiter betonte, dass dieser wirtschaftliche Nachteil am besten durch gezielte Investitionen in die Infrastruktur verringert werden kann, die die Intermodalität zum Nutzen der Hersteller im Süden fördern:
Die Intermodalität ist auch eine Logistikstrategie, die den süditalienischen Unternehmen wirklich helfen kann, ihre Kosten zu senken, effizienter zu sein und damit auf dem Markt wettbewerbsfähiger zu werden. Sie kommt nicht nur den Transport- und Logistikunternehmen zugute, sondern auch den Herstellern, die von den niedrigeren Transportkosten profitieren können. Das wiederum bedeutet bessere Preise für die Endverbraucher in den Geschäften.
Positiv hob Berghinz die Hafenanbindungen im Süden des Landes hervor, die den Unternehmen in der Region die Möglichkeit bieten, Waren über den Kurzstreckenseeverkehr quer durch Europa zu transportieren:
Andererseits ist die Logistik heutzutage sehr diversifiziert, sodass es nicht nur um Nord und Süd geht. Alles ist miteinander verbunden. Nehmen wir zum Beispiel das Mittelmeer: Es gibt Seeverbindungen vom Süden Italiens zu Häfen in Spanien, Tunesien, Marokko, Griechenland und anderswo. Diese Diversifizierung hilft dem Süden.