Das Innovationspark Künstliche Intelligenz Heilbronn, kurz IPAI, ist kein gewöhnlicher Forschungsstandort. Hinter der Plattform steht die Vision eines offenen Ökosystems, das Unternehmen, Start-ups, Politik und Forschung zusammenbringt, um KI „Made in Europe“ zur industriellen Reife zu bringen. Mit dem geplanten IPAI CAMPUS auf rund 30 Hektar Fläche entsteht derzeit im Norden Heilbronns ein Ort, an dem künftig 5.000 Menschen an KI-Technologien arbeiten sollen. Der Spatenstich erfolgte am 21. Oktober 2025 in Anwesenheit des Bundeskanzlers.
„Mit dem Spatenstich haben wir den Startpunkt für den Aufbau des IPAI CAMPUS gesetzt“, sagt Moritz Gräter, CEO des IPAI.
Das Land Baden-Württemberg investiert rund 10 Millionen Euro in den Aufbau eines Start-up Innovation Centers auf dem IPAI CAMPUS. Ziel ist es, Start-ups in der Markteinführung und Skalierung von KI-Technologien gezielt zu unterstützen und so die industrielle Anwendung von KI zu beschleunigen.
Parallel dazu formiert sich in Mittelosteuropa ein weiteres ambitioniertes Infrastrukturprojekt: In Polen, Wrocław wurde im Oktober 2025 eine Absichtserklärung zur Baltic AI Gigafactory unterzeichnet, einem geplanten Rechenzentrums-Cluster mit hoher Rechenleistung für KI-Anwendungen. Getragen von der Politechnika Wrocławska und dem Energieversorger Kogeneracja (Teil der PGE-Gruppe), soll dort ein energieeffizientes, CO2-optimiertes Rechenzentrum mit zwei unabhängigen Datenzentren nach Tier III+ Standard entstehen.
Die geplante Investitionssumme beläuft sich auf rund 12 bis 13 Milliarden Złoty (umgerechnet über 2,8 Milliarden Euro), wovon 35 Prozent EU-Mittel und 65 Prozent private Mittel vorgesehen sind. Das Projekt ist Teil einer europäischen Initiative zum Aufbau von bis zu 13 KI-Gigafabriken, um die Abhängigkeit von außereuropäischen Anbietern im Bereich Supercomputing zu reduzieren.
IPAI als Brücke zwischen Forschung und Anwendung
Die Rolle des IPAI geht über Grundlagenforschung hinaus. Die Plattform versteht sich als Anwendungsdrehscheibe für KI in der Industrie. Über 100 Mitglieder und Partner, darunter DAX-Konzerne, Mittelständler und Start-ups, sind mittlerweile Teil des Netzwerks. Ziel ist es, gemeinsam Standards für verantwortungsvolle KI zu entwickeln, regulatorische Prozesse zu vereinfachen und Open-Source-Technologien effektiver zu nutzen.
Insbesondere die Kommerzialisierung von KI-Technologien steht im Fokus. Das neue Start-up Innovation Center richtet sich an junge Firmen in der Markteinführung und Skalierung, mit 250 Arbeitsplätzen, Beratung, Coaching und Finanzierung als Rundum-Paket. Damit will IPAI den Transfer von KI aus der Theorie in reale industrielle Anwendungsfälle systematisch beschleunigen.
Mercedes-Benz bringt industrielle Anwendungsexpertise ein
Mit dem Beitritt zur Plattform bringt Mercedes-Benz seine langjährige Erfahrung mit industriellen KI-Anwendungen in das IPAI-Ökosystem ein – insbesondere entlang der kompletten Wertschöpfungskette, von Entwicklung über Produktion bis Aftersales.
„Wir wollen KI nicht punktuell, sondern als strategischen Hebel für nachhaltige Wertschöpfung nutzen“, sagt Katrin Lehmann, Chief Information Officer der Mercedes-Benz Group AG. Der Beitritt zum IPAI sei Teil eines breiter angelegten Konzepts zur „verantwortungsvollen, skalierbaren KI-Integration im Konzern“.
Konkret setzt der Hersteller bereits heute KI-basierte Systeme in der Qualitätskontrolle, bei der Produktionsplanung oder in digitalen Fertigungsumgebungen ein – etwa im Mercedes-Benz Digital Factory Campus Berlin oder in der AMG-Motorenproduktion. Perspektivisch will das Unternehmen auch Smart-City-Szenarien für vernetzte Fahrzeuge gemeinsam mit dem IPAI erproben.
Anwendungen im LKW-Bereich: Von der Produktion bis zur Mobilität der Zukunft
Auch für den LKW- und Transportbereich ergeben sich durch den Schulterschluss mit IPAI neue Chancen. Mercedes-Benz testet bereits KI-gestützte Systeme zur automatisierten Schadenserkennung in Werkstätten, zur Datenanalyse in Produktionslinien sowie zum Wissensmanagement in Logistikprozessen.
Durch die Zusammenarbeit mit dem IPAI könnte künftig der Einsatz von KI im Straßengüterverkehr in Bereichen wie vorausschauende Wartung, autonome Fahrfunktionen, optimierte Routenplanung oder Sicherheitsanalysen in Echtzeit weiter vorangetrieben werden. Die enge Verzahnung mit Start-ups und Forschungseinrichtungen eröffnet zudem den Zugang zu neuesten Entwicklungen, etwa im Bereich Computer Vision oder Predictive Maintenance für LKW.
Governance, Cloud, Agenten: Die Mercedes-Strategie
Um die neue Technologie konzernweit zu skalieren, setzt Mercedes-Benz auf ein internes KI-Kompetenzzentrum sowie eine sogenannte Multi-Cloud-Plattform „Agent Garden“, mit der KI-Agenten schnell und regelkonform über verschiedene Abteilungen hinweg genutzt werden können. Gleichzeitig wurde die Implementierungszeit für neue KI-Modelle auf fünf Wochen verkürzt. Eine verpflichtende Governance, KI-Prinzipien und eine „risikobasierte Bewertung“ sollen den ethischen Einsatz der Technologie sicherstellen.
Ziel sei es, so Daniel Eitler, Chief Data & AI Officer bei Mercedes-Benz, „KI als Transformationsturbo zu nutzen, mit skalierbaren Anwendungsfällen, die unsere Produktivität steigern und das Kundenerlebnis verbessern“.
Europa braucht ein eigenes KI-Ökosystem
„Um im globalen Wettbewerb zu bestehen, müssen wir europäische Ressourcen bündeln“, betont IPAI-CEO Moritz Gräter.
Mercedes-Benz bringe „wertvolle Anwendungsexpertise“ ein, im Gegenzug profitiere man von einem starken Partnernetzwerk, regulatorischer Begleitung und technischem Austausch. Mit der Mitgliedschaft von Mercedes-Benz wird die Plattform IPAI weiter gestärkt und die europäische Industrie bekommt ein Stück weit mehr Souveränität im Zukunftsfeld der Künstlichen Intelligenz.









