Mit ihrer Position zur Überarbeitung der EU-Richtlinie 96/53/EG haben die Verkehrsminister der Mitgliedstaaten einen lang erwarteten Schritt zur Anpassung der zulässigen Abmessungen und Gewichte von Nutzfahrzeugen gemacht. Ziel: Die Rahmenbedingungen für emissionsfreie LKW zu verbessern. Doch Branchenvertreter sprechen von einer verpassten Chance.
Gewichtszuschläge sollen E-Mobilität fördern
Kern der Einigung ist eine pauschale Gewichtskompensation für schwere Nutzfahrzeuge mit alternativen Antrieben. Künftig dürfen Null-Emissions-Fahrzeuge auf fünf Achsen bis zu 2 Tonnen, auf sechs Achsen bis zu 4 Tonnen mehr wiegen als konventionelle Fahrzeuge. So soll das Mehrgewicht durch Batterie- oder Brennstoffzellentechnologie ohne Nutzlastverlust ausgeglichen werden.
Die Entscheidung gehe „in die richtige Richtung“, so der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL).
BGL-Vorstandssprecher Prof. Dr. Dirk Engelhardt erklärte:
„Die Rahmenbedingungen zur Reduktion der CO2-Emissionen im Straßengüterverkehr werden durch die neue Richtlinie verbessert, weitere Schritte sind aber zwingend notwendig.“
Kritik: Fehlende Gleichstellung im Fernverkehr
Scharfe Kritik kommt von der European Automobile Manufacturers’ Association (ACEA) und dem Verband der Automobilindustrie (VDA). Beide sehen in der Ratsposition ein unzureichendes Signal für den Hochlauf emissionsfreier LKW, insbesondere im wirtschaftlich relevanten Segment der 4×2-Sattelzugmaschinen, der Standard im europäischen Fernverkehr.
ACEA warnt, der Vorschlag bleibe „deutlich hinter dem zurück, was nötig wäre, um die Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs voranzutreiben“. Die Organisation fordert gezielte Nachbesserungen in den anstehenden Trilogverhandlungen, darunter höhere Achslastgrenzen und praxisgerechte Gewichtszuschläge für alle marktüblichen Konfigurationen.
Auch der VDA kritisiert die Begrenzung der 4-Tonnen-Zulage auf dreiachsige Zugmaschinen:
„Dieser Ansatz benachteiligt 4×2-Null-Elektrofahrzeuge und gefährdet deren Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Diesel-LKW“, so VDA-Geschäftsführer Andreas Rade.
Zudem berge dies das Risiko, die europäische Nutzfahrzeugindustrie gegenüber außereuropäischen Herstellern ins Hintertreffen geraten zu lassen.
Wirtschaftlichkeit bleibt zentrale Hürde
Aus Sicht der Industrie ist die Kosten- und Nutzlastparität zu konventionellen Antrieben essenziell, um emissionsfreie Fahrzeuge im Markt zu etablieren.
„Ohne gleiche wirtschaftliche Einsatzbedingungen bleiben Investitionen in emissionsfreie LKW für viele Betreiber unattraktiv“, warnt Engelhardt.
Der BGL fordert daher eine Anhebung der Antriebsachslast um eine Tonne sowie eine Ausweitung der Mehrgewichtskompensation auf 4 Tonnen auch für fünfachsige Kombinationen.
Zudem sei die angestrebte Gewichtsüberwachung, unter anderem durch OBMM-Systeme (On-Board Mass Monitoring) zwar sinnvoll zur Infrastrukturentlastung, dürfe jedoch keine zusätzlichen bürokratischen Hürden schaffen. ACEA mahnt an, unnötige Komplexität etwa bei OBMM und Smart-Tachographen zu vermeiden, da sie die Markteinführung verteuern und verzögern könnten.
Druck auf EU steigt: Zielmarke 2030 weit entfernt
Die EU hat sich verpflichtet, bis 2030 mindestens ein Drittel aller neu zugelassenen LKW emissionsfrei zu gestalten. Davon ist die Branche noch weit entfernt. Laut VDA lag der Anteil neuer emissionsfreier LKW in den ersten neun Monaten 2025 bei lediglich 1,7 Prozent im Segment über 16 Tonnen.
Ein zentrales Hemmnis bleibt neben den technischen Rahmenbedingungen der mangelnde Infrastrukturausbau, etwa bei Lademöglichkeiten oder H2-Tankstellen. Die neue Gewichtsvorgabe könne nur dann Wirkung entfalten, wenn diese Fahrzeuge auch unter realistischen Bedingungen wirtschaftlich betrieben werden können.









