Foto: BVL /Bublitz

Deutscher Logistik-Kongress: Radikales Umdenken ist gefordert

Der diesjährige Deutsche Logistik-Kongress in Berlin lockte rund 2.000 Fach- und Führungskräfte aus dem Wirtschaftsbereich Logistik an. Die Expertinnen und Experten diskutierten unter anderem, wie die Lieferketten im von Engpässen und Krisen geprägten „new normal“ aufrechterhalten werden können.

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So, wie es vor den derzeitigen Störungen in den Lieferketten war, wird es nicht mehr werden. Wenn wir die derzeitigen Krisen bewältigt haben, werden andere in den Vordergrund treten und neue Herausforderungen bringen. Resilientere Lieferketten erfordern in vielen Prozessen radikales Umdenken – nicht zuletzt vom bisherigen Primat der „Kosten“ hin zu den neuen Prioritäten „Verlässlichkeit“ und „Nachhaltigkeit“. Logistik ist das Rückgrat unserer Wirtschaft und somit auch unserer freien Gesellschaft. Es ist besonders wichtig, sich in Situationen wie dieser unter Freunden auszutauschen – „Friendshoring of knowledge” sozusagen, sagte Prof. Dr.-Ing. Thomas Wimmer, Vorstandsvorsitzender der BVL.

In der Eröffnungsrede des Deutschen Logistik-Kongresses gab Thomas Wimmer auch den Startschuss für den Livebetrieb des digitalen Lieferscheins und der Plattform Cloud4Log bekannt. Die vierwöchigen Praxistests, die die Bundesvereinigung Logistik und GS1 Germany zusammen mit T-Systems sowie mit über 40 Unternehmen aus Industrie, Handel und Logistikdienstleistung durchführten, haben sich als erfolgreich erwiesen.

Jetzt können sich alle Supply Chain-Partner für den Cloud4Log-Service registrieren, um ab November digitale Lieferscheine und perspektivisch andere Transportdokumente über diese Online-Plattform auszutauschen. Das aufwändige Handling des Papier-Lieferscheins ist damit hinfällig, erklärt Dr. Martin Schwemmer, Geschäftsführer der Bundesvereinigung Logistik.

Der Parlamentarische Staatsekretär Oliver Luksic, der auch Logistikkoordinator der Bundesregierung ist, sprach dagegen in seiner Rede im Plenum über den riesigen Investitionsbedarf in die Bahn, betonte aber gleichzeitig, dass die Straße weiterhin dominieren würde.

SMS Group gewinnt den Deutschen Logistik-Preis

Highlight des ersten Tages des Deutschen Logistik-Kongresses war die Verleihung des Deutschen Logistik-Preises, die auch in diesem Jahr im Kongresshotel Intercontinental stattfand. Unter den diesjährigen Anwärtern waren: Volkswagen Group Components, SMS Group und Heureka Business.  Zum Sieger gekrönt wurde die SMS Group für das Boxbay-Konzept. Dieses bietet die Lagerkapazität eines Containerterminals auf gleicher Fläche zu verdreifachen und das aufwändige und unproduktive Umstapeln komplett zu vermeiden. Die Lösung  konnte sich bereits in einem Pilotprojekt in Dubai beweisen.

China macht deutschen Unternehmen sorgen

Werden tatsächlich immer mehr westliche Unternehmen China aufgrund der restriktiven Zero Covid-Strategie den Rücken zukehren? Thomas Heck, Partner und Leiter der China Business Group bei PwC, sieht dortzulande auch nach dem jüngsten Parteikongress keine Entspannung.

Viele Unternehmen streben zwar kein komplettes De-Coupling an, aber es gibt ein erhöhtes Risikobewusstsein in Bezug auf die eigenen Aktivitäten in China, so der Heck.

Mehr zu der Lage China erfahren Sie in Kürze in unserem Interview mit dem Leiter der China Business Group.

Logistikweisen präsentieren Zusammenfassung des Herbst-Gipfels

Pünktlich zum Deutschen Logistik-Kongress hat die Arbeitsgruppe für Supply Chain Services des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS wieder ein Update zu den Top 100 der Logistik veröffentlicht. Danach ist die deutsche Logistikwirtschaft 2021 um 5,0 Prozent auf 294 Mrd. Euro gewachsen (nach +2,5 Prozent in 2019 und -1,8 Prozent in 2020). Mit3,36 Millionen Erwerbstätigen im Wirtschaftsbereich waren über 100.000 Personen mehr mit operativen und administrativen Logistikaufgaben beschäftigt als im Vorjahr.
Ebenfalls zum Kongress liegt auch die Zusammenfassung des Herbst-Gipfels der Logistikweisen vor. Das vom BVL-Marktexperten Prof. Dr. Christian Kille (Hochschule Würzburg-Schweinfurt) initiierte Gremium geht für 2022 von einem nominalen Wachstum von 8,5 Prozent aus, das vor allem auf steigende Kosten und Preise zurückzuführen ist. Die Wirtschaftsleistung würde damit auf 319 Milliarden Euro steigen. Real wird eine Steigerung von lediglich 0,6 Prozent angenommen.
Eine Prognose für 2023 können die Logistikweisen aufgrund der volatilen Lage zum jetzigen Zeitpunkt nicht abgeben.

 Es sind keine leichten Zeiten. Wir sehen aktuell ein fast ausschließlich inflationsgetriebenes Wachstum, dazu kommt noch der Druck zur Erreichung der Klimaziele. Auf die Volatilität sollten Unternehmen mit flexibleren Partnerschaften, mehr Transparenz und konkreten Maßnahmen zur CO 2-Reduktion reagieren. Die strategischen Themen dürfen nicht überlagert werden von den operativen Trends der angespannten Energieversorgung, Ressourcenengpässen, Lieferkettenunterbrechungen und dem Fachkräftemangel, sagte Dr. Martin Schwemmer, Geschäftsführer der BVL, Mitglied der Logistikweisen und zuletzt lange in der Fraunhofer-Arbeitsgruppe tätig.

 

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