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Ein weiterer Hersteller verlagert die Produktion nach Polen. Deutsche Werke in Unsicherheit

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Der deutsche MAN beschleunigt die Umstrukturierung und bestätigt Pläne, einen erheblichen Teil der Karosserieproduktion von München nach Krakau zu verlagern. Die Entscheidung soll dem Unternehmen Einsparungen in Höhe von Hunderten Millionen Euro bringen, doch es gibt wachsende Bedenken hinsichtlich der Zukunft von Tausenden Arbeitsplätzen in Deutschland. Gewerkschaften warnen, dass dies faktisch einen schrittweisen Abbau der Produktionskapazitäten in Deutschland bedeuten könnte, trotz der offiziellen Stellungnahmen des Unternehmens.

Die Marktsituation für Lkw- und Bushersteller bleibt schwierig, und die Branche rechnet nicht einmal 2026 mit einer Verbesserung. Der zunehmende Wettbewerbsdruck – vor allem aus China – veranlasst das MAN-Management dazu, tiefe Kostensenkungen und eine schnellere Umstrukturierung anzustreben.

Dokumente, die die Aufsichtsräte von MAN und seiner Muttergesellschaft Traton erreichten, wurden von der österreichischen Zeitung “Kurier” eingesehen. Sie zeigen, dass die Unternehmensführung die Umsetzung eines breiten Maßnahmenpakets fordert, welches – trotz der zu erwartenden Gegenwehr von Seiten der Arbeitnehmer – als “notwendig für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit” genehmigt werden soll.

MAN konzentriert sich auf Krakau. Karosserieproduktion wird von München verlegt

Der Plan beinhaltet eine weitere bedeutende Verlagerung der Produktion von Deutschland nach Krakau. In Polen soll die Karosserie für das sogenannte Traton Modulares System – eine einheitliche Plattform für die gesamte Gruppe – konzentriert werden. Ebenfalls in Krakau geplant sind:

  • eine neue Kabinenlackiererei,
  • vollständige Kabineninnenmontagelinien.

Der “Kurier” enthüllt außerdem, dass das Einsparungsprogramm auch die Abschaffung von Vorteilen, die über den Tarifvertrag hinausgehen, beinhaltet – was voraussichtlich rund 160 Millionen Euro einsparen soll.

Laut einem vor dem Aufsichtsrat präsentierten Expertenbericht soll das gesamte Umstrukturierungsprogramm die finanziellen Ergebnisse des Unternehmens bis 2028 um 935 Millionen Euro verbessern. Wenn die Maßnahmen nicht umgesetzt werden, wird MAN – so die Autoren des Berichts – 2028 keine positive Umsatzrendite erzielen.

Warum Polen? Dem Unternehmen fällt es zunehmend schwer, in Deutschland zu produzieren

Die Produktion von MAN in Deutschland konzentriert sich derzeit auf München, Nürnberg und Salzgitter. Steigende Energie- und Lohnkosten, verschlechternde wirtschaftliche Bedingungen und zunehmend strengere Klimavorschriften machen es unrentabel, einen Großteil der Produktion in Deutschland aufrechtzuerhalten.

Zwischen 2021 und 2023 verlor die deutsche Wirtschaft über 50.000 Industriearbeitsplätze, und 74 % der Unternehmen gaben als Hauptgrund den Wunsch an, die Personalkosten zu senken. MAN fügt sich somit in einen größeren Trend ein, Produktionsverlagerungen in EU-Länder mit niedrigeren Kosten – insbesondere Polen – zu verlagern.

Das MAN-Werk in Krakau – im Jahr 2023 modernisiert – wird als eine der modernsten Lkw-Fabriken Europas beschrieben, was das Unternehmen zusätzlich ermutigt, mehr Prozesse dorthin zu verlegen.

Deutsche Werke sollen offen bleiben, doch die Gewerkschaften sind skeptisch

Offiziell erklärt MAN, dass trotz der Umstrukturierung alle Werke in München, Nürnberg und Salzgitter offen bleiben sollen. Der Hersteller versichert, dass das Unternehmen über einen Zeitraum von fünf Jahren 1 Milliarde Euro in Deutschland investieren wird – darunter 700 Millionen Euro in München und 25 Millionen Euro in Salzgitter, und dass es keine Entlassungen geben wird.Der “Kurier” merkt jedoch an, dass ein für den Aufsichtsrat erstelltes Rechtsgutachten der Kanzlei Linklaters eindeutig empfiehlt, das Einsparungsprogramm zu genehmigen und dabei die Verpflichtung betont, “ausschließlich im besten Interesse des Unternehmens” zu handeln. Dieses Interesse soll die Profitabilität sichern – auch auf Kosten schwieriger Entscheidungen.

Gewerkschaften und der Betriebsrat glauben, dass diese Bestimmung faktisch bedeutet, dass Arbeitnehmerproteste die Verlagerung der Produktion nach Polen nicht verhindern werden. Sybille Wankel von der IG Metall warnt, dass die Entscheidungen des Managements “das Bestehen des Hauptwerks in München bedrohen.” Karina Schnur, Vorsitzende des Zentralbetriebsrats, kritisiert sie noch schärfer und nennt sie eine “Ohrfeige für die Belegschaft.”

Geplante Reduzierungen im Hintergrund. Bis zu 2.300 Arbeitsplätze werden in Deutschland verschwinden

Obwohl MAN betont, dass keine Entlassungen geplant sind, gibt die offizielle Kommunikation an, dass das Unternehmen plant, 2.300 Arbeitsplätze in Deutschland über ein Jahrzehnt abzubauen – hauptsächlich durch natürliche Fluktuation.

Die größten Reduzierungen sollen betreffen:

  • München – 1.300 Stellen,
  • Salzgitter – 600 Stellen,
  • Nürnberg – 400 Stellen,

Laut Management soll die natürliche Fluktuation sogar höher sein als die geplanten Kürzungen, wodurch insgesamt etwa 13.000 Arbeitsplätze erhalten bleiben würden. Die Gewerkschaften ziehen diese Berechnungen jedoch offen in Zweifel und sehen das Programm als Beginn eines langfristigen Produktionsabbaus in Deutschland.

Auch Mercedes entschied sich für Polen

Gleichwohl hat Mercedes-Benz kürzlich die schrittweise Einstellung der Produktion des Sprinter-Modells im Werk Ludwigsfelde nahe Berlin angekündigt. Das Werk mit über 30 Jahren Tradition und 2.200 Beschäftigten wird die Produktion Ende 2029 einstellen, und seine Zukunft bleibt unklar. Die IG Metall hält die Entscheidung für “inakzeptabel” und kündigt Proteste an.

Die Gründe sind fast identisch mit denen von MAN: der schnelle Anstieg der Kosten in Deutschland, der Wettbewerbsdruck und die Attraktivität Polens, wo die Lohnkosten bis zu fünfmal niedriger sind. Mercedes investiert 360 Millionen Euro in den Ausbau des Werks in Jawor, das zu einem zentralen Produktionsstandort für den elektrischen e-Sprinter werden soll.

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